Kapitel 53

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Während ich etwas in meinen Gedanken versunken war, hatte ich nicht mitbekommen, dass mein Körper vor Kälte leicht zitterte. Erst als ich bemerkte, wie Jonathan mich besorgt musterte, schaffte ich es meine Gedanken für kurz bei Seite zu legen. "Bist du bei diesem Regen hier her gelaufen?" Ich nickte unsicher und sah an mir herab, nur um festzustellen, dass ich noch immer triefend nass war. Als ich aufsah, zog Jonathan an seinem Pulloverärmel bis er sich schlussendlich aus seinem Pullover gewunden hatte. Verwirrt saß ich da und konnte es nicht verhindern, dass ich seinen muskulösen Oberkörper in dem weißen Tshirt, dass er noch trug, musterte. Nervös biss ich mir leicht auf die Unterlippe. Was hatte er nur vor? Wieso zog er sich aus? "Hier, ziehe die nassen Sachen aus und ziehe den über. Dann kann deine Kleidung etwas trocknen." Er reichte mir grinsend seinen Pullover. Dieses überhebliche Grinsen auf seinem Gesicht kam nicht von ungefähr, denn er hatte zu meinem Beschämen genau gesehen, wie ich ihn angestarrt hatte. Das trieb mir wiederum die Röte ins Gesicht. Um von der Situation abzulenken, begann ich meine Jacke zu öffnen, zog diese aus und hing sie über den Stuhl. Tatsächlich war auch mein Pullover etwas durchweicht am Kragen und an den Ärmeln. "D-dreh d-dich bitte um.", forderte ich Jonathan auf, doch dieser sah mich nur herausfordernd an und zwinkerte mir verschmitzt grinsend zu. Ich seufzte leise. "N-na gut, d-dann d-drehe ich m-mich um." Während ich dies tat, hob ich bereits leicht den Saum des Pullovers und zog ihn aus, als er lediglich Sicht auf meinen durch ein Top bedeckten Rücken hatte. Gerade als ich den Pullover von ihm überziehen wollte, zuckte ich vor Schreck etwas zusammen, denn Jonathans Finger berührten plötzlich meinen Nacken. Zärtlich strichen sie von meinem Nacken herunter zu meinem Schulterblatt und hoch zu meinem Schlüsselbein. Er stand nun genau hinter mir und ich konnte seinen Atem an meinem Hals spüren sowie seine Wärme, die von seinem Körper abstrahlte. Mein Atem war plötzlich flach, meine Haut zierte eine Gänsehaut und mein Herz pochte wild in meinem Brustkorb. Meine Gedanken waren vernebelt und ich spürte nur noch seine zärtliche Berührung auf meiner Haut. Ich spürte seinen Atem immer deutlicher auf meinem Hals, weshalb ich vermutete, dass er ihm immer näher kam. Mein Atem stockte, als seine weichen Lippen plötzlich die dünne Haut an meinem Hals berührten. Mir wurde ganz warm und meine Haut begann unter seinen Lippen zu kribbeln. Seine Hände legten sich sanft auf meine Arme und zogen mich enger an ihn. Mein Rücken berührte nun seine starke Brust und ich wusste nicht mehr, wie mir geschah. Was tat er nur mit mir? Seine Lippen strichen zärtlich höher bis hinter mein Ohr. Ein leises Seufzen entwich unabsichtlich meinen Lippen. Ich spürte meinen Herzschlag so deutlich wie nie zuvor und ich konnte noch immer kaum atmen. Plötzlich löste er sich von mir und mein Körper umfing Kälte. Was hatte er nur mit mir gemacht? Wieso hatte er eine solche Wirkung auf mich? Wieso hatte er so eine Kontrolle über mich? Er hatte mich gerade für wenige Minuten in der Hand oder waren es nur Sekunden? Es machte mir Angst, was er in mir auslöste. Unsicher zog ich seinen warmen Pullover über und hatte Sorge mich umzudrehen. Wie würde er mich jetzt ansehen? Würde er das, was er gerade getan hatte, bereuen? Sollte ich ihn fragen, was das alles zu bedeuten hatte? Ängstlich drehte ich mich um und sah in sein Gesicht. Jonathan sah nicht gerade glücklich aus und dass ließ mir Wort wörtlich mein Herz in meine Hose rutschen. "Tut mir leid, ich hätte nicht... ich wollte... ich weiß nicht, wieso...", begann er zu erklären, doch scheinbar wusste er selbst nicht, was in ihn gefahren war. "E-Es ist in O-ordnung." Meine Stimme war ganz leise, doch er hatte sie trotzdem vernommen. Verwirrt sah er mich an und kam wieder einen Schritt näher auf mich zu. "Es tut mir leid, wenn dir das ungenehm war, wenn ich zu weit gegangen bin...", sagte er ernst und unsicher zugleich. Ich nickte ihm zu, denn ich wusste nicht, wie ich das, was ich alles empfunden hatte und empfinde in Worte fassen sollte. Nervös kratzte er sich am Nacken. "Es war mir nicht unangenehm. Ähm, es war nur, es war nur neu für mich.", gab ich stotternd zu und konnte ihm dabei vor Scham nicht in die Augen sehen. "Aber es, es w-war schön." Wie schon so oft legte sich sein Finger sanft unter mein Kinn und hob es vorsichtig an. Er schenkte mir ein wunderschönes Lächeln und legte zärtlich seine Hand an meine Wange. "Was machst du nur mit mir, Abby?", flüsterte er leise. Plötzlich knurrte mein Magen ziemlich laut und zerstörte so die romantische und intime Atmosphäre zwischen uns. Sofort lief ich rot an und Jonathan begann zu lachen. Schließlich musste ich selbst lachen, denn es war wirklich eine komische Situation. Als wir uns beide beruhigt hatten, ergriff Jonathan das Wort. "Ich bin gleich wieder da." Ohne mich antworten zu lassen, verschwand er so gleich im Krankenhausflur und ließ mich verwirrt zurück. Also setzte ich mich zurück auf meinen Stuhl und wartete. In Anbetracht der Tatsache, dass das, was auch immer es war, vor Mom geschehen war, musste ich schwer schlucken. Ich hatte sie sowie alles um mich herum für den Moment vergessen. Rückblickend schießt die Röte in meine Wangen, wenn ich daran denke, dass er mich vor Mom so geküsst hatte. Bei der Erinnerung klopfte mir mein Herz bis zum Hals und ich empfand mich plötzlich mehr als unschuldig. In meinen Gedanken kam mir das Geschehen so skandalös vor, dabei würde ein Zuschauer vermutlich denken, es sei nichts aufregendes passiert. Also versuchte ich mich zu beruhigen und meine wirren Gedanken zu ordnen. Es dauerte nicht lange, da kam Jonathan zurück mit zwei Bechern in der Hand und zwei Muffins, die er auf seinen Armen balancierte. Sofort stand ich auf, um ihm zu helfen. Dankend lächelte er mich an und überließ mir die Muffins. Dann setzten wir uns. "Beide Muffins sind mit Schokolade. Ich habe gedacht, jeder mag Schokolade und so du sicher auch. Hier ist noch ein Tee, weil du ihn Sonntag beim Frühstück bevorzugt hast. Ich gehe mal davon aus, dass du kein Kaffee trinkst?" Er reichte mir den Becher Tee und ich gab ihm einen Muffin. Auf meinen Lippen hatte sich ein riesiges Lächeln gelegt. "Danke, tatsächlich mag ich sehr gerne Schokolade und mit der Vermutung über Kaffee hast du recht. Den mag ich nicht.", offenbarte ich stotternd. "Dann hatte ich wohl den richtigen Riecher.", sagte er amüsiert und biss direkt in seinen Muffin. "Guten Appetit.", wünschte ich ihm amüsiert. Er hielt in seiner Bewegung inne. "Dir auch.", sagte er dann plötzlich mit vollem Mund und brachte mich so zum Lachen. Wir aßen daraufhin still unsere Muffins. Erst als wir den Getränken Aufmerksamkeit schenkten, begann wieder ein Gespräch zwischen uns, bis Dr. Brenigan zur Tür herein kam. "Jonathan? Magst du nochmal mitkommen? Wir waren ja noch nicht fertig." Genervt verdrehte er die Augen und seufzte. Dann schaute er zu mir. "Ich bringe dich nachher nach Hause." Ich nickte ihm zu und so gleich stand er mürrisch auf. Er folgte seiner Mom nach draußen und ließ mich allein zurück. In unserem Gespräch erzählte er mir von der neuen CD seiner Lieblingsband, die er heute noch bestellen müsse und bei der er glaubt, dass sie mir auch gefallen könnte. Außerdem hatte er mir weiter von seiner Idee erzählt Musik zu studieren. Diesmal konnte ich heraus hören, dass er Kunst als Zweitfach nehmen würde. Das war auch das Mindeste bei seinem Talent. Er konnte einfach wunderschön zeichnen und malen. In der nächsten Stunde genoss ich die Zeit mit Mom und machte meine Hausaufgaben. Wieder fand ich mich in der Situation, dass ich mir wünschte, Mom könnte mir bei meinen Problemen helfen und mir mit Rat und Tat beiseite stehen. Doch ich blieb allein mit meinen Gedanken und Problemen. Als sich das Ende unserer gemeinsamen Zeit näherte, prüfte ich meine Kleidung. Sie war schon etwas getrocknet, weshalb ich sie wechselte, bevor ich mich von Mom verabschiedete und nach draußen lief, um nach Jonathan zu suchen. Dieser stand wiederum lächelnd an der Wand angelehnt vor dem Krankenhaus und rauchte. "H-hey.", sagte ich leise und stellte mich vor ihn. "Hey.", erwiderte er und warf seine Zigarette zu Boden, um diese zu zertreten. "Wollen wir?", fragte er lächelnd. Ich nickte ihm zu und schaute kurz auf die erloschene Zigarette. "Warum rauchst du?", fragte ich neugierig und stotternd. Ohne zu antworten, begann er zu seinem Auto zu laufen. Etwas verwirrt lief ich ihm nach. Er öffnete den Wagen und stieg ein. Was hatte ich gemacht? Konnte ihn wirklich diese simple Frage erbost haben? Ich seufzte, bevor ich ebenfalls einstieg. Schnell schnallte ich mich an, denn er startete bereits den Wagen. "Es beruhigt mich.", sagte er plötzlich, als er vom Parkplatz herunter fuhr. "Gibt es nicht andere Möglichkeiten, um dich zu beruhigen?", versuchte ich mutig zu fragen, doch durch mein Stottern hörte man meine Unsicherheit. "Manchmal nicht.", seufzte er und griff sich durch die Haare. "Ich wusste, dass du so ein Mädchen bist, die das nicht gut findet." Verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und spielte nervös mit meinen Fingern. "W-Wie m-meinst du d-das?" Meine Stimme war sehr leise, aber ich war mir sicher, dass er mich verstanden hatte. Es blieb kurz still und für einen kurzen Moment hatte ich die Befürchtung, er würde gar nicht mehr antworten. "Abby, du bist nun mal so ein Mädchen, dass nicht so wirkt, als würde sie rauchen gut finden. Du wirkst halt eher unschuldig und..." Er schien mit sich zu rangen, um die richtigen Worte zu finden. Doch seine Aussagen verletzten mich trotzdem etwas. "Und naiv? Willst du das damit sagen?", stotterte ich aufgewühlt. "Nein, Abby, ich weiß doch auch nicht, wie ich das erklären soll. Du bist gut, du bist so verdammt gut." Ich verstand ihn noch immer nicht. "Wie m-meinst d-du das?" Er wurde langsamer und fuhr in eine Parklücke. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass wir schon da waren. "Du gibst mir eine Chance, obwohl ich dir Monate lang das Leben zur Hölle gemacht habe. Obwohl dich alle schlecht behandeln, behandelst du sie nicht schlecht. Du bist immer gütig, herzlich und rücksichtsvoll sogar zu einem Idioten wie mir. Du bist gut in der Schule. Du verzichtest auf alles, nur um deiner Mom zu helfen. Siehst du nicht, wie gut du bist. Ich bin schlecht und ich bin schlecht für dich. Du hast mich gar nicht verdient, du verdienst etwas besseres als mich Abby."

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