Kapitel 85

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Etwas überrascht erwiderte er den Kuss und zog mich noch enger an sich. Leidenschaftlich strichen unsere Lippen immer wieder übereinander. Mein Herz pochte stark gegen meine Brust und ich vergaß alles um mich herum. Das Dach, die Sterne, die Gala, all das war plötzlich so fern und es zählte nur noch Jonathan. Trotz das uns nur noch die Kleidung von einander trennte, fühlte ich mich ihm nicht nah genug. Da war plötzlich dieses Verlangen mich dem Moment komplett hinzugeben. Seine Lippen auf meinen fühlten sich so gut an und ließen meine Nerven kribbeln. Meine Hände fuhren in seine Haare und ich gewährte ihm Einlass, als er darum bat. Seine Hände wanderten herunter zu meinen Hüften und weiter zu meinen Oberschenkeln. Mit Schwung nahm er mich hoch. Überrascht klammerte ich mich an ihn, in dem ich meine Beine um seine Hüften schlang. Er ging mit mir ein paar Schritte bis mein Rücken plötzlich gegen die Wand gedrückt wurde. Meine Finger spielten mit seinen Haaren, während wir uns weiter küssten. Sein Körper drängte sich gegen den meinen. Es fühlte sich so gut, dass ich vergaß zu atmen. Ich ertrank in seinem Geruch und seinem Geschmack. Sein Herz hämmerte gegen seine Brust und ich spürte es gegen die meine. Plötzlich begann Jonathans Handy zu klingeln und wir lösten uns etwas erschrocken von einander. Wir brauchten beide ein paar Sekunden, um zu registrieren, dass das laute Geräusch von seinem Handy kam. Jonathan ließ mich vorsichtig herunter und nahm sein Handy aus der Tasche. "Da muss ich ran gehen.", seufzte Jonathan mürrisch. Ich nickte ihm zu. Er ging ein paar Schritte weg und nahm dann den Anruf an. Meine Lippen pochten von unserem leidenschaftlichen Kuss und meine Knie zitterten leicht. Was macht Jonathan nur mit mir? Wie kann er mich so gut fühlen lassen? Ich vertraue ihm so sehr, dass ich mich einfach gehen gelassen hatte. Aber ging das zu schnell? Es fühlte sich richtig an, dann kann es ja nicht falsch sein, oder? "Nein, ich bin noch auf der Gala.", sagte Jonathan genervt. "Ich rede gerade mit Abby. Wir sind nicht im Saal, damit wir etwas Ruhe haben." Mit wem er wohl gerade spricht? Bei welcher Person würde er mich bei meinem Vornamen nennen und bereitwillig zugeben, dass er freiwillig Zeit mit mir allein verbrachte? "Ja Mom, wir kommen, gib uns fünf Minuten.", seufzte er und griff sich durch sein Haar. Dann legte er auf ohne sich zu verabschieden, drehte sich um und kam zurück zu mir. Es war also Dr. Brenigan, eigentlich hätte ich es mir denken können. "Der Herr Webber, der unser Buch ersteigert hat, will mit uns sprechen und wartet am Tisch meiner Mom auf uns.", erklärte er das Anliegen des Telefonats. Ich konnte es nicht verhindern, dass mich ein gewisser Missmut umfing, bei dem Gedanken gleich nicht mehr allein mit Jonathan unter diesem wunderschönen Sternenhimmel zu sein. "Hey ich sehe dir an, dass du jetzt nicht gehen willst und glaub mir, dass möchte ich genauso wenig. Wir finden heute bestimmt noch einen Moment, um allein zu sein.", versuchte er mich zu überzeugen. "Dieser Abend ist begrenzt. Ich muss spätestens zwölf Uhr zurück sein.", gab ich preis. "Sonst?" "Sonst wird es Ärger geben.", stotterte ich gepeinigt. Es auszusprechen war noch viel schlimmer, als es zu wissen. Man ertrinkt förmlich in Scham. "Ich werde dafür sorgen, dass du sicher und pünktlich nach Hause kommst.", sagte er mit so einer Gewissheit und so einem Ernst, dass ich ihm glauben musste. "O-okay." Ein sanftes Lächeln bildete sich auf seinen Lippen. Vorsichtig legte er eine Strähne meines Haares hinter mein Ohr. "Du bist so wunderschön.", flüsterte er, während er mich mit leuchtenden Augen ansah. Ich schüttelte mit erröteten Wangen den Kopf. Er seufzte. "Abby, du bist jeden Tag wunderschön und heute, als du mir in die Arme gelaufen bist, hast du mir den Atem geraubt. Mach dich nicht immer so klein." Seine Hand hatte sich sanft an meine Wange gelegt und sein Daumen streichelte herüber. "Aber ich bin klein." Er begann zu schmunzeln und zauberte mir so auch ein Lächeln ins Gesicht. "Ja die Körpergröße betreffend, aber so kann ich dich gut umarmen und hochheben.", sagte er und zog mich in seine Arme. Mein Kopf lehnte sich an seine Brust und ich genoss jede Sekunde der Nähe, weil ich wusste, dass dieser Moment zerbrechlich und endlich war. Er gab ein Geräusch des Unmuts von sich, als er sich zaghaft von mir löste. "Wir müssen.", sagte er mürrisch und ergriff meine Hand, um mich erneut durch die Flure und die Treppen hinunter zu lotsen bis wir zurück im Ballsaal waren. Meine Gedanken waren noch immer ein reinstes Hin und Her. Ich fühlte mich so aufgewühlt durch diesen Kuss und als Jonathan meine Hand sofort los ließ, als wir den Saal betraten, fühlte ich mich plötzlich wieder so verlassen. All den Mut, den er mir auf dem Dach unter den Sternen zu gesprochen hatte, verfloss in dem Augenblick als meine Hand Kälte umfing und ich mir bewusst wurde, dass ich in der Öffentlichkeit nie diese Momente der Zweisamkeit mit ihm teilen würde können. Schnell liefen wir zum Tisch seiner Mom, wo der ältere Herr Webber bereits in einem Gespräch mit Steve Brenigan verwickelt war. "Da seid ihr beiden ja.", sagte Maggie Brenigan glücklich. Sofort wand sich Herr Webber an uns. Unsicher sah ich ihn an. Er trug einen edlen Smoking und einen gepflegten grauen Bart. Ich wusste nicht, wie ich es beschreiben sollte, aber er strahlte Macht und Respekt aus. "Ich möchte mich Ihnen beiden noch einmal vorstellen. Ich bin William Webber von den Webber und Webber Verlägen.", stellte er sich mit seiner tiefen Stimme vor. Ich konnte es nicht verhindern, dass mir der Schock ins Gesicht geschrieben war. Die Webber und Webber Verläge ist einer der größten Verlage des Landes. Sie verlegen alles, was es an Büchern gibt. Wieso sollte gerade dieser Herr unser Buch ersteigern und nun auch noch mit uns reden wollen? "Jonathan Parker und das ist Abby Trainer.", stellte uns Jonathan vor. Herr Webber nickte uns lächelnd zu. "Ich bin froh sie beide kennenlernen zu können, aber das ist nicht mein eigentliches Anliegen. Ich habe mir ihr Kinderbuch angeschaut und sehe darin ein großes Potenzial. Kommen Sie beide doch bitte am Montag zu mir in den Verlag. Ich werde mich morgen mit meinem Bruder unterhalten und dann sehen wir am Montag weiter." Ich schluckte. Sollte dies wirklich bedeuten, dass er es womöglich verlegen möchte? Da Jonathan und ich beide sprachlos da standen, fast wie versteinert, ergriff Maggie das Wort: "Das werden die beiden sehr gerne tun." Ich nickte schnell, um meine Zustimmung zu äußern. Nun wandte Herr Webber sich an Jonathan. "Ja, das kriegen wir hin.", sagte er lächelnd. Herr Webber bedankte sich und wünschte uns noch einen schönen Abend. "Oh mein Gott, was für eine Gelegenheit! Herr Webber möchte euer Buch verlegen! Wie wundervoll.", rief Maggie freudestrahlend und zog uns in eine enge Umarmung. "Ich bin so stolz auf euch." Ich konnte, die zuvor geschehenen Ereignisse noch nicht realisieren. Denn ich konnte mir einfach nicht eingestehen, dass dies wirklich passiert war. Ich bin schließlich keine Autorin und Jonathan kein Illustrator. Wir haben einfach nur ein Kinderbuch erstellt und es scheint wirklich angesehen zu sein. Maggie Brenigan löste sich von uns und lächelte uns an. Plötzlich spürte ich eine große Gestalt hinter mir. "Jonathan, wollen wir an die Bar.", fragte die tiefe Stimme von Chris. Jonathan stimmte zu und plötzlich war ich allein am Tisch der Brenigans. "Ich freue mich so für euch." Ich nickte Maggie nur zu, denn ich war viel zu sehr in Gedanken. "Freust du dich denn gar nicht?", fragte sie nun irritiert. "Doch doch.", stotterte ich. "Aber?" Sie wartete auf eine Antwort. "Oder hattet Jonathan und du Streit?", fragte sie besorgt. "N-nein, ganz im G-gegenteil. Wir k-konnten endlich alles k-klären.", gab ich preis. "Aber warum schaust du aus wie sieben Tage Regenwetter, Liebes?" "Er wird niemals in der Öffentlichkeit so nett zu mir sein, wir er es ist, wenn wir allein sind.", seufzte ich und schaute zu Jonathan, der mit Chris an der Bar saß. "Gib ihm Zeit, Abby. Er wird irgendwann verstehen, dass du wichtiger für ihn bist, als die Meinung seiner Freunde, glaub mir.", versicherte sie mir. "Aber was ist, wenn mir irgendwann zu spät ist?", nuschelte ich stotternd.

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