Kapitel 92

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"So jetzt muss ich los zu meiner Schicht ins Krankenhaus.", sagte Steve, stand auf und gab Maggie einen kurzen Kuss auf die Stirn. "Fahr vorsichtig, Liebling.", flüsterte Maggie lächelnd. "Das werde ich, bis heute Abend.", verabschiedete sich Steve und ehe wir erwidert hatten, war Steve schon auf dem Flur. "Habt ihr Hunger?", fragte Maggie sich an uns wendend. Ich nickte und sah zu Jonathan herüber, doch dieser schien immer noch wütend zu sein. Ich verstand nicht, was gerade in ihm vorgehen musste, denn ich war eigentlich sehr erleichtert über den Ausgang des Gesprächs. Steve Brenigan hatte mich überrascht. Zuvor hätte ich ihn niemals als solch verständnisvoll eingeschätzt, noch dass er mir Obdach gewährt und auch noch Hilfe anbietet. Das war eine vollkommen fremde Seite, genauso wie die liebevolle Art wie er mit Maggie umging. In der Öffentlichkeit und im Krankenhaus wirkte er immer sehr unterkühlt, um es nett auszudrücken. "Wieso musste er unbedingt bei diesem Gespräch dabei sein?", fragte Jonathan nun seine Mom ernst. Maggie wirkte von der Frage überrascht. "Weil es auch sein Haus ist und er mein Mann ist.", antwortete sie sichtlich bemüht den mehr als deutlichen Zusammenhang hervorzuheben. Jonathan seufzte genervt. "Es ist weder für mich noch für Abby schön uns vor ihm rechtfertigen zu müssen.", versuchte er weiter zu erklären. "Jonathan bitte, es geht um Abbys Gesundheit und wie Abbys Leben weiter gehen soll. Es ging darum, ob sie hier bleiben kann. Das kann ich nicht allein entscheiden und das will ich auch nicht. Steve ist das Beste, was uns in dieser Situation passieren kann." Maggie war verständnislos für Jonathans Argumentation und ich konnte auch verstehen, warum Steve dabei war. Es ist nun mal sein Haus und sein Leben, was sich durch meinen Aufenthalt hier verändert. Natürlich hätte ich mir weniger Gedanken gemacht die ganze Nacht lang, wenn das Gespräch nur mit Maggie hätte stattfinden sollen, aber das wäre nicht richtig gewesen, weil es Steve nun mal auch betrifft. Jonathan verdrehte nur die Augen über Maggies Aussagen und sorgte dafür, dass nun auch in ihren Augen Wut aufleuchtete. "Steve hat die besten Verbindungen in der Stadt dadurch, dass er der Leiter des Krankenhauses ist. Er kann uns helfen einen guten Anwalt zu finden. Außerdem hat er ein gutes Ansehen in der Stadt, was uns auch beim Jugendamt helfen könnte. Hast du darüber schon einmal nachgedacht, Jonathan? Und wer soll bitte die Anwaltskosten tragen und vorleisten? Abby? Nichts für Ungut, Liebes, aber wir wissen alle hier am Tisch, dass Abby mit ihrem Ersparten und dem Erbe ihrer Eltern die Krankenhausrechnungen ihrer Mutter begleicht. Wir brauchen Steve, wir haben gar keine andere Wahl, Jonathan.", so machte Maggie eindeutig klar, dass es keine andere Möglichkeit gab, als Steve mit ins Boot zu holen und ich war sogar glücklich über seine Verbindungen und Beziehungen, denn mein Onkel war unberechenbar. Ohne einen guten Anwalt würde ich niemals den Prozess gewinnen, wenn es zu einem kommt. "Aber mit Geld gewinnt man nicht alles! Steve hat diese Beziehungen nur, weil er reich geboren wurde und noch immer reich ist.", spuckte Jonathan die Wörter vor lauter Wut förmlich aus. "Jonathan es reicht! Steve arbeitet sehr viel dafür, dass er so viel Geld hat und wir können dankbar sein, dass es uns allen gut geht. Und jetzt erkläre mir mal bitte, warum wir Steves Beziehungen nicht spielen lassen sollen, wenn wir schon über diese verfügen?", fragte Maggie Jonathan mittlerweile erbost. "Weil ich nichts von ihm annehmen will.", meinte Jonathan beleidigt. "Vielleicht du nicht, aber sollten wir das nicht lieber Abby fragen.", antwortete Maggie und brachte mich damit in eine äußerst unangenehme Situation. Jonathan sah mich an und ich wusste, ich würde ihn verletzen, wenn ich Maggies Seite einnehme, aber es wird für mich der richtige Weg sein Steves Hilfe anzunehmen. "Jonathan, bitte sei nicht böse, aber ich denke, es wäre richtig Steves Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mein Onkel ist korrupt und hinterlistig sowie zu allen Mitteln bereit. Ich würde ihm zutrauen, dass er mich umbringt, wenn ich ihn anzeige. Wir brauchen die beste Hilfe, die wir kriegen können.", stotterte ich nervös hervor. "Aber doch nicht von ihm.", meinte Jonathan enttäuscht. "V-von w-wem denn d-dann?", fragte ich unsicher. Er sah verzweifelt aus und stützte nun seinen Kopf auf seinen Händen. "Ich weiß es nicht, aber wir werden schon Hilfe finden, wenn wir danach suchen. Man muss ja nicht den einfachen Weg gehen.", sagte er entmutigt. "Aber warum nicht Jonathan? Wieso willst du den schweren Weg nehmen?", fragte Maggie verständnislos. Plötzlich ging die Tür auf und Cassandra kam glücklich herein. "Guten Morgen, ich weiß, ich sollte ja erst später zum Frühstück kommen, aber ich habe gesehen, dass Dad losgefahren ist zum Krankenhaus und ich habe so einen Hunger.", erzählte sie fröhlich und lief zum Kühlschrank. "Zum Glück haben euch Steve und Maggie jetzt auch die frohen Neuigkeiten erzählt. Ich hätte mich gestern schon fast verplappert. Und freut ihr euch auch so auf das Kind wie ich?", fragte sie aufgeregt. Maggie sah sie geschockt an. "Cassandra, darüber haben wir nicht geredet.", sagte Maggie schnell, aber mein Blick war sofort bei Jonathan. Dieser sah seine Mutter geschockt an. "Du bist schwanger?" Seine Frage war leise, aber jeder konnte sie hören. "Ja.", sagte Maggie ängstlich. Sie wusste genau wie ich, dass es jetzt der total falsche Zeitpunkt war, es Jonathan zu erzählen. Ohne einen Kommentar stand Jonathan auf, rannte aus der Küche und knallte die Tür zu. "Oh nein, das tut mir so leid.", sagte Cassandra bestürzt über die Situation. Ich sah Maggie an. Ihr standen Tränen in den Augen. "Wir wollten es gemeinsam sagen, aber Steve hatte sich bereits beim Flughafen verplappert, als wir dich abgeholt haben, Cassandra.", erklärte Maggie für mich die Situation. Mir stockte noch immer der Atem. "Ich werde mit Jonathan sprechen.", stotterte ich und stand auf. Maggie nickte mir zu und damit stürmte auch ich aus der Küche auf der Suche nach Jonathan. Schnell musste ich feststellen, dass er nicht in seinem Zimmer war. Ich durchsuchte auch den Rest des Hauses ohne auf Jonathan zu treffen. Die Sorge um ihn wurde mit jeder Minute größer, in der ich ihn nicht fand. Ich lief zurück zur Küche und öffnete die Tür. Cassandra und Maggie saßen zusammen am Tisch und redeten. Als ich herein kam, sahen beide sofort auf. "Ich kann ihn nicht finden.", stotterte ich. "Vielleicht ist er am See?", schlug Cassandra vor. "Ja, da wird er hingegangen sein.", sagte Maggie nachdenklich. "W-wie kann ich d-den See fin-finden?", fragte ich neugierig. "Wenn du zum Garten hinaus gehst, führt bei den zwei großen Bäumen ein kleiner Padd entlang, dem musst du nur ein paar Minuten folgen, dann bist du gleich am See.", erklärte mir Cassandra. "D-danke.", antwortet ich und schenkte Cassandra ein leichtes Lächeln, bevor ich schnell meine Schuhe und meine Jacke anzog, um mich schnurstracks auf den Weg zum See zu machen. Die beiden großen Bäume waren schnell gefunden und auch der kleine Pfad, der erst eine Wiese passierte und dann durch einen kleinen Wald zum See führte. Schon auf der Hälfte des Weges ärgerte ich mich, dass ich mich nicht dicker angezogen hatte, denn es war bitterkalt. Die Äste der Bäume waren mit weißem Frost überzogen. Würde ich nicht auf der Suche nach Jonathan sein, könnte ich die Schönheit der Natur wertschätzen, doch meine Gedanken waren allein bei ihm. Endlich konnte ich den See in der Ferne ausmachen und wurde automatisch schneller. Als ich näher heranschritt, kam ein Steg hinter ein paar Bäumen zum Vorschein, auf der ich eine Gestalt ausmachen konnte. Schnell wurde mir klar, dass mir der See bekannt vorkam. Es war der See auf einigen der Zeichnungen von Jonathan, die an den Wänden in seinem Zimmer hängen. Ich lief auf ihn zu und stand nun vor ihm. "Jonathan?", fragte ich vorsichtig, denn er hatte mich noch nicht bemerkt. Er schien total in seinen Gedanken vertieft zu sein, während er eine Zigarette rauchte. Nun drehte er sich schlagartig um. "Geh weg, Abby.", sagte er wütend und drehte sich zurück zum See. Ich blieb jedoch hinter ihm stehen. So schnell würde er mich nicht los werden. Ich wollte genauso für ihn da sein, wie er es immer für mich war. "Ich will allein sein.", betonte er jedes Wort, aber ich blieb stehen. "Abby, hau ab!", rief er wütend, stand auf und schaute mir mit glühenden Blick in meine Augen. "Nein!"

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