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Die Nacht hindurch hatten sie es irgendwie geschafft ein paar Stunden zu schlafen. Erstens, weil sie von dem vielen Weinen und Schreien viel zu erschöpft waren, um länger die Augen offen halten zu können, also hatten sie sich in den Schlaf geweint. Zweitens, hatten sie gehofft, dass alles ein schrecklicher Albtraum war, aus dem sie erwachen würden, soweit sie das nächste Mal die Augen aufschlugen. Alles wäre wie immer. Sie würden in ihren Betten im Lotuspier liegen. Park Joongki würde sein Schwert im Haupthof hin- und herschwingen. Madam Han wäre wieder wütend und würde sich über Taehyung beschweren, der schelmisch zwinkern und sich mit Jimin davonmachen würde. Jin würde in der Küche sein und darüber nachdenken, was er heute kochen sollte. Ihre jüngeren Schüler würden sich weigern zu dem morgendlichen Unterricht zu gehen und durch die Gegend rennen.

Aber ein Wunsch wurde nicht einfach wahr, wenn man es sich bloß sehnlichst wünschte.

Taehyung und Jimin wachten nicht in ihren Betten auf. Und Jimins Eltern würden sie auch nie wiedersehen, genauso wie alle anderen Park Clan Mitglieder, die in der Nacht ums Leben gekommen waren.

Es fühlte sich immer noch wie ein Albtraum an. Doch dieser Albtraum war die brutale Realität.

Als Taehyung in dem hohen Gras wach wurde und sich aufsetzte, die getrockneten Überreste seiner Tränen aus dem Gesicht wischend, war Jimin schon wach gewesen und saß wie eine leere Hülle da.

Er war der Erste von beiden, der sich bewegte. Taehyung, seine Hände an seinen Oberschenkeln, schaffte es sich aufzurichten und sprach mit heiser Stimme: „Lass uns gehen."

Jimin bewegte sich keinen Millimeter, also beugte er sich zu ihm herunter, legte seine Hand in seine und hielt sie fest. Aber Jimin zog sich nicht an ihm hoch. Seine Hand hing ohne jegliche Spannung herunter und glitt zurück nach unten.

„Wo...W-Wohin gehen?", hauchte dieser schwach.

„Vergiss nicht, dass Jin Hyung...immer noch im Wald auf uns wartet."

Erst dann setzte Jimin sich in Bewegung, erhob sich und stapfte abwesend los. Taehyung sah ihm für einen Moment bedrückt nach, ehe auch er in langsamen Schritten hinterherschwankte. Wie zwei seelenlose Gestalten liefen sie zurück zu dem Waldstück, wo sie Jin zurückgelassen hatten.

Als sie bei ihm ankamen, saß dieser frierend auf einem Stein, die Hände um den Familienanhänger mit der Lotusblume.

„Hyung."

Jin stand auf und sah Taehyung völlig hoffnungsvoll an. „Und?"

Taehyung biss sich auf die Lippen, Tränen sammelten sich automatisch in seinen Augen, weshalb er sich wortlos wegdrehte. Und als er dann auch noch Jimins leblose Miene sah, wurde ihm alles klar.

Jin kniff die Augen zusammen und schluckte hart, bevor er mit ganzer Willenskraft sagte: „Taehyung. Los, s-sag es."

Dessen Mund öffnete sich, Worte strömten heraus und gingen unter dem lauten Donner des Gewitters unter, das über ihnen wütete. Aus dem Nichts hatte sich der Himmel verdunkelt, Blitze jagten durch den Himmel und dicke, düstere Wolken schütten Strömen an Regen auf sie herab.

Jin begann bei den Worten endgültig zu weinen, seine Hand umklammerte noch fester den Anhänger, der in der Nacht zuvor auf den Boden gefallen und zersplittert war, als hätte es das böse Ohmen bereits gespürt. Die zerbrochene Jade bohrte sich in seine Hand, das Blut tropfte zu Boden.

Tränen, Blut und Regen vermischten sich.

Der Älteste ließ sich an dem Baumstamm heruntergleiten, die anderen beiden weinten bitterlich. Leidendes Weinen erfüllte den Wald, dass selbst das Unwetter ihre kläglichen Laute nicht abdämpfen konnte.

The Untamed ᵛᵏᵒᵒᵏ [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt