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Ehe Taehyung sich versah, gingen ganze drei Jahre vorbei.

Das Trio lebte noch immer zusammen in Sargstadt und ging manchmal in die nahegelegenen Dörfer, um Lebensmittel zu kaufen. Sie waren mittlerweile eine bekannte Gruppe, die zur Lachnummer aller Bewohner wurde.

Zwei Blinde, ein Kultivierender und ein junges Mädchen, und ein Verkrüppelter.

Wooyoung und Ryujin ignorierten das Getuschel, aber San grinste jedes Mal böse, wenn die Leute wieder über sie lachten und mit ihrem Finger auf sie zeigten, als hätte er in Gedanken bereits geplant, wie er sich rächen würde. Irgendwie hatten einige von ihnen es auch verdient, denn selbst im alltäglichen Leben wurden sie mit Diskriminierung konfrontiert.

Eigentlich wollte Wooyoung nur ein paar Kartoffeln und etwas Gemüse von einem Händler kaufen, aber der Mann hatte ihn abwertend weggescheucht. So sanftmütig wie der Weißgekleidete nun mal war, legte er die Kartoffeln in seiner Hand wortlos wieder auf den Tisch und lief mit seinem Korb weg.

San allerdings fand das gar nicht lustig. Er funkelte den Verkäufer wütend an, holte ein Messer hervor und legte es bedrohlich an den Hals des Mannes, der ihn ängstlich anblinzelte.

„Wooyoung, komm her."

Als er San hörte, drehte er sich wieder um und lief zurück.

Dort spürte er nach einer Weile plötzlich, wie sein Korb schwerer wurde. Er musste wohl glauben, dass sein Freund den Händler doch noch überzeugen konnte, ihnen etwas zu verkaufen.

Wooyoung lächelte glücklich, der nicht sehen konnte, in welcher Situation sich der bedrohte Händler befand.

Vieles war einfacher geworden, seitdem San bei ihnen war. Wooyoung wusste zwar nicht genau, wie der andere es schaffte, aber die Leute schienen sie ernster zu nehmen. Er war dankbar und freute sich, dass er ihn damals gefunden hatte. Obwohl er seinen Namen noch immer nicht wusste, erwischte sich der junge Kultivierende, wie sehr er dessen Gesellschaft mochte.

Wooyoung war zu gutmütig. San hatte ihn wirklich um den Finger gewickelt.

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Ryujin lief mit federnden Schritt fröhlich in Richtung Sargstadt und warf dabei einen Beutel Geld in die Luft, den sie immer wieder erfolgreich auffing. Sie war dermaßen in Gedanken gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie jemand hinter ihr erschien und sie beobachtete.

„Fräulein."

Sie zuckte etwas zusammen und umfasste ihren Stab fester, bereit ihren blinden Akt wieder aufzusetzen. Mit San bei ihnen war sie mittlerweile sehr geübt, vorzutäuschen, dass sie blind sei.

„Wenn du wirklich nichts sehen kannst, solltest du nicht so schnell gehen", sagte die unbekannte Stimme.

Yeosang! Und seine Augen waren wieder geheilt. Hatte Wooyoung etwa seine Meisterin gebeten, seine eigenen Augen an Yeosang zu geben, damit dieser wieder sehen konnte? War das der Grund, weshalb Wooyoung blind geworden war?

Zu viel dazu, dass sie gut darin war, vorzutäuschen, dass sie blind sei. Sie hatte sich einfach so von einem Fremden erwischen lassen. Es gab keinen Zweifel, dass er wusste, dass sie sehen konnte, immerhin hatte sie den Geldbeutel auf und ab geworfen.

Sie nickte langsam und sah ihn ertappt an. Solange er sie nicht verriet, konnte nichts passieren.

„Fräulein?"

„Ja?"

Yeosang blickte sie hoffnungsvoll an, als er fragte: „Hast du einen weißen, blinden Kultivierenden mit einem Schwert gesehen?"

The Untamed ᵛᵏᵒᵒᵏ [✔]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt