- Kapitel 29 -

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Wie zu erwarten habe ich eine zermürbende Nacht hinter mir. Wenn es gut kommt, habe ich vielleicht eine Stunde Schlaf zusammen gebracht. Immer wieder brach ich in Tränen aus, dann noch das gruselige Gewitter, dass beinahe die ganze Nacht angehalten hat, mich immer wieder erschreckt hat. Schloß ich meine Augen, so sah ich entweder Luke oder Jason vor mir. Auch mit geöffneten Augen hat es meine Fantasie immer wieder geschafft, mir einen fiesen Streich zu spielen. Immer wieder sah ich Jason in einer Ecke des Raumes, wo letztendlich niemand war. Ich versuchte Luke anzurufen, ein einziges Mal. Aber wie zu erwarten ging er nicht ran, er meldete sich auch nicht. Diese Nacht raubte mir beinahe den Verstand. Ich dachte, sie würde nie enden.

Doch bin ich ein bisschen erleichtert, als der Wecker mich um 7:00 Uhr aus meinem eh schon unerholsamen Schlaf reißt. Die Nacht lag nun hinter mir. Der Mond kehrt allmählich in sein Versteck zurück, widmet der Sonne den heiß begehrten Platz. Wie jeden Morgen hatten sie sich abgesprochen. Die Natur ist echt ein wahres Wunder. Manchmal habe ich das Gefühl, das in ihr alles geordneter, geregelter abläuft. Gefressen, oder gefressen werden. Und wenn du Pech hast, wirst du vom Blitz getroffen oder landest auf dem Teller einiger wilder Tiere. Wenige einfache Regeln, die über die Natur und ihre Schöpfungen regieren. Niemand ist in der Lage, die Natur zu durchschauen, sie gar zu überlisten. Und dann kommen wir, die Menschen. Die wohl merkwürdigste Spezies, die diese Erde wahrscheinlich je gesehen hat. Wir sind durchschaubar, lassen uns schnell täuschen, uns blenden. Das Wesentliche kehrt schnell in den Hintergrund. Viel mehr regiert ein Trugbild über uns. Und wir alleine sind die Verantwortlichen. Wären wir wilde Tiere, wäre es für die Natur ein Leichtes. Sie würde über uns lachen, uns verspotten. Uns zum Fraß vorführen.

Schon eine lustige Vorstellen. Mir würden einige meiner Mitmenschen einfallen, die ich gerne auf dem Servierteller sehen würde.

Nachdem ich mich gestreckt und einmal kräftig gegähnt habe stehe ich auf, ziehe den Vorhang auf Seite und öffne das Fenster. Wenigstens regnet es nicht mehr. Auch wenn ich den Regen garnicht mal verabscheue, durchnässt möchte ich trotzdem nicht in der Schule ankommen.

Was mich wohl heute dort erwartet? Tatsächlich stelle ich fest, das ich mich nach sehr langer Zeit mal wieder etwas auf die Schule freue. Naja, freuen ist vielleicht übertrieben. Aber Hauptsache, ich kann mich den Zwängen dieses Hauses mal für einige Stunden entziehen.

Das bedeutet aber auch, dass ich Luke wieder sehe. Wie er wohl reagiert? Ob er mit mir redet? Oder ob er mich eiskalt ignoriert?

Um halb 8 verlasse ich angezogen, mit meine Schultasche das Haus und höre auf dem Weg zur Schule wie immer etwas Musik. Meine Haare lasse ich offen über meine Schulter fallen. Meinen linken Unterarm, auf dem ich mir gestern Nacht neue Verletzungen zugezogen habe, ziert ein Verband. Darüber trage ich ein langärmliges Shirt und meine Sweatjacke. So kann ich sicher gehen, dass niemand etwas sieht. Die anderen würden sich nur wieder ihre Mäuler zerreißen. Auch Luke darf meine neuen Wunden nicht zu Gesicht bekommen. Er soll nicht wissen, wie schlecht es mir unter anderem wegen ihm geht. Nicht, das er Schuld daran trägt. Es sind einfach die Umstände. Luke, die Erinnerungen an Jason, dieses Haus, meine Einsamkeit, die mich letzte Nacht beinahe aufgefressen hat.

Das ist alles zu viel für mich. Noch eine Woche, bis Tamara Nachhause kommen würde. Wie soll ich diese Woche nur überstehen? Alleine, in diesem gruseligen, großen Haus. Wobei ich mir immer noch nicht sicher bin, wie alleine ich dort wirklich bin.

Gerade mal eine Nacht habe ich rum bekommen. Eine von..7?? Na das kann ja was werden.

Etwa zwanzig Minuten später komme ich an der Schule an, betrete das Gebäude, laufe den Gang entlang. Gottseidank ist Herr Maier schon da, so muss ich mir wenigstens die Warterei vor dem Klassenzimmer nicht antun. Kurz schweife ich in Gedanken ab, muss daran denken, wie Luke auf dem Gang meine Hand genommen hat. Wie er mir leise zugeflüstert hat Dich wird keiner dumm anmachen. Wie gerne würde ich jetzt seine Hand nehmen.

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