- Kapitel 51 -

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Da wir heute nicht viele Hausaufgaben bekommen haben war ich damit schnell fertig. Auf Luke's Bett liegend scrolle ich etwas durch mein Instagram. Aber auch das wird irgendwann zu einer langweiligen Beschäftigung. Umso erleichterter bin ich, als ich endlich höre wie Luke die Haustür hinter sich schließt und die Treppe nach oben joggt. Ein Blick auf die Uhrzeit verrät mir das wir schon 17 Uhr haben. Ich lege mein Handy weg, setze mich auf und schaue gespannt zur Tür, die Luke wenige Augenblicke später aufstößt.

„Hey", lächle ich und mustere ihn. Dabei muss ich feststellen, das er ganz schön abgehetzt und fertig aussieht. Als sein Blick auf mich trifft wirkt er garnicht überrascht, eher als hätte er schon mit mir gerechnet. Naja, wahrscheinlich hat er meine Jacke und meine Schuhe im Flur gesehen. „Du bist hier?", fragt er atemlos und geht neben dem Bett in die Hocke, um etwas unter seinem Bett hervor zu holen. Er bedient sich an dem Schuhkarton in dem alle seine Rauschmittel samt Zubehör drinnen sind. Die Kiste, die für mich verboten ist, wie er es immer sagt.

„Ja, wie du siehst bin ich hier. Du siehst fertig aus, wo warst du?" frage ich und folge seiner Bewegung mit meinen Augen. Er geht mit einem kleinen Plastiktütchen in der Hand zu seinem Schreibtisch, setzt sich auf seinen Stuhl und öffnet den Verschluss. „Wo bist du? Wo warst du? Was hast du gemacht? Was ist los? Fuck, kannst du mir einmal Luft zum atmen geben?!", fragt er genervt, worauf ich erschrocken zusammenzucke. Ist es etwa so verwerflich, das ich mir einfach nur Sorgen mache?

Seufzend klemme ich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr und schaue zu, wie er das weiße Pulver zu einer kleinen Line formt. „Ich..aber..ich mache mir do" „Du machst dir Sorgen, ich weiß!" Luke kramt einen zehn Euro Schein aus seinem Portemonnaie und formt ihn zu einem kleinen Röhrchen. „Kannst du dich bitte wegdrehen?", verlangt er, doch ich diesmal entscheide ich mich dazu nicht darauf zu reagieren. Nur weil ich es nicht sehe macht es das nicht ungeschehen oder besser. Oder weniger gefährlich.

„Amalia wie oft hatten wir das Thema?! Ach, scheiß drauf! Und weißt du wieso? Weil ich verdammt nochmal kaputt bin! Das alles hat doch keinen Sinn!" Verstimmt presse ich meine Lippen aufeinander und sehe zu ihm. Wieso ist er so gereizt und macht sich selbst so fertig? Was ist passiert, das er diese Stimmung mit sich trägt? Ich schaue zu, wie er mit seiner zitternden Hand das kleine Röhrchen hält, das er erst zu dem Pulver führt und dann seinen Kopf darauf herabsenkt. Dann schnieft er einmal und die Line verschwindet vom Tisch und bahnt sich wahrscheinlich gerade den Weg durch seine Nasenschleimhaut in sein Blut.

„Fuck..", mit geschlossenen Augen legt er den Kopf in den Nacken und lässt sich in den Stuhl hinein sinken. Verblüfft beobachte ich, wie die Droge ihre Wirkung entfaltet und was sie mit ihm macht. Seine eben noch zitternden Hände liegen ruhig auf seinen Oberschenkeln. Er wirkt auf einmal tiefenentspannt, obwohl er gerade noch wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Tür gekommen ist. Seine Reaktion ist faszinierend und beängstigend zugleich. Jetzt habe ich also das erste Mal gesehen, wie er Heroin nimmt. Zumindest wie er es durch die Nase schnieft. Einmal habe ich ihn ja schon mit einer Nadel im Arm erwischt.

„Geht es dir gut?" frage ich vorsichtig nach minutenlanger Stille, in der Luke nicht einmal die Augen geöffnet hat. „Es könnte nicht besser sein..", murmelt er und öffnet langsam die Augen. Dann schaut er zu mir und sein Blick ist auf einmal vom einem sanften Schleier durchtränkt. Seine Lippen verformen sich zu einem leichten Lächeln. Gerade wirkt er so wie er sonst immer ist. Nicht so erschöpft und gereizt wie vorhin. Er ist einfach Luke, vielleicht eine Portion verträumter aber er ist Luke. Es mag paradox klingen, weil er gerade eigentlich nicht wie immer ist. Er ist high und gerade begreife ich zum ersten Mal, das Luke ohne die Droge ein komplett anderer Mensch ist. Das er sich komplett anders verhält und andere Dinge sagt. Trotzdem ist das kein Grund für mich, mich von ihm zu trennen. Ich liebe Luke und ich brauche ihn. Und er arbeitet an sich, er versucht das alles hinter sich zu lassen. Das hat er in letzter Zeit so oft betont. Seine Alpträume und die darauffolgenden Panikattacken sind auch deutlicher weniger geworden, das passierte in den letzten Wochen vielleicht gerade mal einmal täglich. Als ich Luke kennen gelernt habe meinte er, er hat jede Nacht diese Träume, deswegen bleibt er lieber wach. Irgendwann werden wir ein normales Leben führen, nachdem wir beide unsere Hürden überwunden haben. Im Moment weiß ich zwar noch nicht wie wir das hinbekommen sollen, aber so wird es kommen.

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