Doch nicht so selbstverliebt und egoistisch

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26. Doch nicht so selbstverliebt und egoistisch

Konnte diese Frau nicht einfach aufhören zu reden? Sonst war sie doch auch eher still und jetzt hatte sie ganz plötzlich den Drang von jeder noch so unbedeutende Begegnung zu sprechen. Und diese Hitze erst, was war denn nur heute los?

Ich hatte meine Augen geschlossen, den Kopf nach vorne gebeugt, die Haare fielen mir wie ein Vorhang um das Gesicht. Immerhin störte Trudy es offensichtlich nicht, wenn ich ihr einfach nicht zuhörte, na Gott sei Dank.

„Oh! Sieh nur, wen haben wir denn da!", rief die Alte laut und ich hörte das Rascheln ihrer Kleidung, sie war aufgestanden. Wen hatte sie denn da schon wieder getroffen, dass sie so übermotiviert aufgestanden war? Ich seufzte und beließ es dabei, sollte sie doch denken, ich hätte es nicht mitbekommen. Ich hörte, wie jemand einige Schritt näher trat und stehen blieb. Ich hatte immer noch nicht das Bedürfnis meine Augen zu öffnen, auch wenn man meinen sollte, dass es unhöflich war.

Trudy räusperte sich „Ich möchte dir jemanden vorstellen", sagte sie zu der angekommenen Person. Ihre Stimme klang freudig und sie trällerte „Shanks, das ist Lio. Lio, das ist Shanks."

Vor Schock zuckte ich zusammen und riss meine Augen auf. Hatte sie gerade 'Shanks' gesagt? Unmöglich! Ich hob meinen Kopf und starrte mit geweiteten Augen den Mann, der vor mir stand, an. Er sah der Person aus meinen Erinnerungen vollkommen ähnlich, bis auf den kleinen Altersunterschied war keine Abweichung zu sehen.

Mein Blick musste seinem ziemlich ähnlich sehen. Er war einen Schritt zurückgewichen, seine schwarzen Augen starrten die meinen ebenso schwarzen Iriden an. Sein Mund war ein wenig geöffnet, doch kein Wort entwich seinen Lippen. Ich atmete die eingezogene Luft aus, hatte gar nicht mitbekommen, wie ich die Luft angehalten hatte.

Der Rothaarige mir gegenüber blinzelte einige Male, plötzlich wurde sein Blick so weich und er lächelte. Er überwand die letzten Schritte und zog mich von der Bank hoch. Der Mann hatte seinen rechten Arm um mich gelegt und zog mich fest an sich. Dies geschah so schnell, dass ich gar nicht handeln konnte und schon befand ich mich in einer Umarmung mit dem Piratenkaiser. Der Rothaarige war so groß, dass ich kaum den Boden unter meinen Füßen spürte, so fest hielt er mich im Griff.

Ich bekam kaum Luft und spürte ein Ziehen in meiner linken Schulter. Diese Position war alles andere als günstig. Ich fuchtelte mit meinem gesunden Arm und versuchte mich halbwegs aus der Umarmung zu lösen, doch scheiterte mein Versuch kläglich. Noch immer schwebte ich halb über dem Boden, versuchte endlich gescheit Luft zu kriegen, doch irgendwie hatte ich das schlechte Gefühl, dass er mich nicht loslassen würde, wenn ich nicht endlich etwas sagen würde.

Ich sammelte meine ganze Kraft und brachte keuchend ein „Zu..fest" hervor. Sofort löste sich der Druck und ich spürte den Boden immer näher kommen, ganz wacklig stand ich auf den Beinen, gestützt von dem Rothaarigen, der mich eben beinahe erdrückt hätte. Der Größenunterschied war ziemlich enorm, er musste fast zwei Köpfe größer sein als ich. Ich hob meinen Kopf und sah nur die Umrisse seines Kopfes, die Sonne blendete ungemein. Ich spürte seine große Hand auf meiner Schulter, sie drückte mich mit sanfter Gewalt zurück auf die Bank und ich war froh, endlich wieder sitzen zu können.

Er ging vor mir in die Hocke, ich sah in das Gesicht des Mannes, besorgt schaute er mich an. „Ist alles in Ordnung?", fragte er voller Sorge und ich winkte mit meiner gesunden Hand ab „Bestens, wäre nur fast erstickt", gab ich zurück und schloss für einen kurzen Moment die Augen. Die ganze Situation war völlig surreal. Ich treffe meinen Vater wieder und das Erste, was er macht, ist mich zu zerquetschen.

Ich öffnete wieder die Augen und sah meinen Gegenüber an, er sah immer noch besorgt aus. Trudy meldete sich endlich zu Wort, sie hatte bis dahin das Schauspiel in Ruhe beobachtet „Sagt mal, kennt ihr euch?", Shanks wandte sich zu ihr und grinste „Aber natürlich doch, sie ist schließlich meine Tochter!", mein Blick glitt langsam zu der Alten, welche geschockt die Augen aufriss. Sie hatte scharf die Luft eingezogen und hielt sich die Hand vor den Mund „Deine Tochter?!", er nickte und drehte sich wieder zu mir. Ein herzliches Lächeln strahlte mir entgegen „Es ist so wundervoll, dich wiederzusehen!", er erhob sich aus der Hocke und umarmte mich erneut, dieses mal allerdings vorsichtiger, dennoch tat meine Schulter weh und ich verzog den Mund.

Immer der Freiheit entgegenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt