Habe den Mut

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Kapitel 58: Habe den Mut

Wie sollte er am wohl am besten anfangen? Sollte er es kurz und schmerzlos handhaben oder sich doch lieber an das Thema herantasten? Am liebsten würde er es einfach völlig ignorieren, wenn es nicht seine Vergangenheit wäre und somit zu ihm gehörte. Schon in der Nacht, als er gedankenverloren durch die Gänge irrte und letztendlich bei Lio gelandet war, hatte er die Möglichkeit, ergriffen jedoch nicht. Er würde wohl lieber eine Woche freiwillig hungern und das Deck schrubben, um niemanden davon zu erzählen und dabei musste er es im Eigentlichen nicht einmal preisgeben. Niemand fragte, niemand kümmerte sich darum. Man ließ ihm in diesen Bereich absolute Privatsphäre und doch fand er selbst es als einen egoistischen Akt, sich nicht preiszugeben, zumindest vor seinem Vater und auch Lio.

Seit dem „Gespräch" mit der Rothaarigen war gerademal eine Nacht und ein Tag vergangen und mit jeder weiteren Stunde wurde dem Rookie immer mulmiger zumute. Von der Piratin hatte er so vieles erfahren dürfen. Von Beginn hatte sie berichtet, bis zu ihrem Eintritt in die Bande und dabei hatte sie als Kind bereits so vieles erleben müssen. Die Art der Marine, wie man sie behandelt hatte und das allein ihrer Herkunft wegen. Sie hatte genau das erleben müssen, wovor er die größte Angst hatte. Ja, auch ein Pirat, wie er es einer war, hatte Ängste. Eine davon war es, dass man ihn wegen seiner Herkunft verurteilen würde. Dass er einfach alles verlieren würde, wenn sie wussten, wessen Blut in ihm floss. Dabei konnte er doch nichts dafür!

Es war bereits Abend, als Ace beschlossen hatte, endlich mit Lio zu sprechen. Da sie vorher noch im Training mit Marco und der restlichen Division war, hoffte er, dass er die Rothaarige an Deck finden konnte. Gerade als er die letzten Stufen der Treppe erklomm und die Tür zum Deck öffnete, erhellte ein riesiger Blitz den Himmel und ein lautes Donnern war zu hören. Die Stimmung auf der Moby Dick schwang so schnell um wie das Wetter, welches vor wenigen Minuten noch völlig ruhig gewesen war. Anweisungen der Kommandanten waren zu hören und umgehend machte Ace es sich zur Aufgabe zu helfen. Für diesen Moment war das kommende Gespräch mit Lio erneut verdrängt, auch wenn er sich fragte, wo sie gerade steckte. Als er Marco in seiner Nähe stehen sah, rief der Schwarzhaarige seinem Nakama zu: „Wo ist Lio?" Durch das Gewitter war es recht schwierig sich zu verstehen, dennoch hatte der Blonde verstanden und gab als Gegenfrage: „Ist sie etwa nicht in ihrer Kajüte?" Verwunderung machte sich in dem ersten Kommandanten breit. Normalerweise war sie bei solchen Stürmen nicht mehr an Deck, wogegen er selbst nichts einzuwenden hatte. Dass die Feuerfaust nun gefragt hatte, wo die Rothaarige steckte, ließ ihn daher nachdenken. Müsste er nicht als ihr Freund wissen wo sie war?

Verstehend nickte Ace und half noch eines der Taue zu befestigen, ehe er sich unter Deck begab, um nach Lio zu suchen. Auf dem Weg zu ihrer Kajüte fragte er sich, weshalb sie nicht mit oben war, obwohl doch ihre gesamte Division sich dort versammelt hatte. Ging es ihr vielleicht nicht gut? Die Frage wollte er schnellstmöglich beantwortet haben, so erhöhte er sein Tempo auf den letzten Metern und klopfte schließlich an ihre Tür. Von innen war jedoch nichts zu hören, weshalb Ace zaghaft die Tür öffnete und einen Blick hineinwarf. Auf dem Bett erkannte er die Rothaarige, wie sie am Kopfende saß, mit den Beinen angezogen und die Arme um die Knie geschlungen. Ihren Gesichtsausdruck konnte er nicht deuten. Es war fast so, als würde sie tief in Gedanken stecken. Ein seltsamer Anblick, den er von ihr zuvor noch nie gesehen hatte. Was hatte sie denn?

„Ist alles in Ordnung?", fragte er mit ruhiger Stimme und trat näher zum Bett. Überrascht hob sie ihren Kopf und ihr Blick begann sich zu klären. „Ace..", stellte sie erstaunt fest und zwang sich zu einem schwachen Lächeln. „Was machst du denn hier?", kam es von ihr und sie richtete sich ein wenig auf. Sie begab sich in eine entspannte Haltung und lächelte nun etwas mehr, da sie den besorgten Blick ihres Freundes sah. Ohne Umschweife setzte der Schwarzhaarige sich zu ihr und erklärte: „Ich hab dich gesucht. Ich war etwas verwirrt, als du nicht mit oben warst." Unsicher nickte sie. Ja, dass sie nicht mit oben war, hatte einen guten Grund. Dennoch.. „Du hast mich gesucht?", fragte sie neugierig und sofort wandte er seinen Blick von ihr ab. Auch wenn der Beschluss feststand, es fiel ihm nach wie vor schwer darüber zu sprechen. „Naja, ich wollte nach dir sehen", versuchte er sich herauszureden. Und obwohl sie wusste, dass das nicht ganz stimmte, bohrte sie nicht nach.

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