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Wie du Fahrrad fährst Teil 2, aber auch noch andere Sachen.

(Es macht mich glücklich, unsere Fahrräder zusammen anzuschließen. Vielleicht einen Ticken zu glücklich, dafür, dass es so eine Kleinigkeit ist. Sie stehen gerade an einem Baum neben dem Spielplatz, weil der Zaun am Spielplatz komplett zugestellt und zugestapelt ist, total chaotisch. Ein Fahrradhaufen, wo sonst nie einer ist, denn heute ist Musik am Fluss. Und weil wir keinen Platz finden, stehen sie nun an dem Baum.

Bühnen, Musik, bebende, wankende, hüpfende Menschen. Aufgedreht, auf Drogen, ausgelassen, Ausschau haltend. Du schaust hin, aber du gehst nicht hin. Ich verstehe es. Wir laufen über die Wiese, ich humpel noch ein bisschen, weil ich vor ein paar Tagen in Socken aus einem Fenster im Erdgeschoss gesprungen bin und nicht genug in die Knie gegangen bin. Darum lauf ich auf der Wiese und du auf dem Asphalt. Ich hakel mich bei dir ein und schaue beim Laufen auf den Boden und zu dir, und du schaust die ganze Zeit um dich. Ein bisschen fasziniert, aber auch ein bisschen, als hättest du Angst etwas zu verpassen. Junikäfer klatschen gegen uns, du schlägst sie weg. Ich beginne sie zu fangen, und freu mich, als ich einen hab. Ich will ihn dir zeigen doch du stehst schon viel weiter hinten und siehst mich nur an und wartest auf mich. Ich renn-humpel zu dir und wir gehen weiter. Du erzählst mir, dass du die Junikäfer hasst. Ich lass dir deinen Hass, wenn er gerade nur auf Junikäfer abzielt, ist es ok.

(Eigentlich weiß ich, dass es so nicht ist. Sondern dass du gerade nur die Junikäfer benutzt, um an ihnen einen Teil dessen auszulassen, was ganz anders und von ganz anderem Umfang ist.)

Wir wollen auf die andere Seite des Flusses zu den anderen Bühnen. Dass die Brücke gerade neu gebaut und gestrichen wird ist uns egal, wir klettern über den Bauzaun und balancieren über die Stahlträger. Vor uns und hinter uns andere Menschen, die das auch tun, jeder auf seine Art, manche vorsichtig am Rand, manche ziemlich angetrunken, andere schnell und mutig barfuß in der Mitte. Du bist einer von den Mutigen, die Birkenstocks in der Hand. Als wir auf der anderen Seite sind, sehen wir von oben Menschen die Bierball spielen und auf einmal wild auf uns zurennen, denn da ist gerade das Ordnungsamt, sie rufen wir sollen schnell hier herunterklettern, fragen ob sie uns den Rucksack abnehmen sollen, ob wir es hinkriegen.

Das mag ich so sehr an Scheiße bauen, in der Gemeinschaft anderer, die auch Scheiße bauen. Man ist eine Familie in der Nacht, dieses Gefühl und diese Nähe sind so selbstverständlich und immer da, und man mag sich und vertraut sich in wenigen Sekunden.

Auf der anderen Seite finden wir am letzten Rand des Geländes eine Bühne, auf der Menschen mit Klassik- und Jazzinstrumenten Techno spielen, es ist das Coolste was wir finden konnten. Sowas hab ich noch nie gehört sag ich, und erwachst aus deinem Schweigen und sagst: ich auch nicht. Mein Mitbewohner arbietet hier und steht an einer Bar aus Paletten, er lächelt mich breit an und hebt die Hand und fragt, was wir trinken wollen und ob wir die Musik nicht auch so toll finden wie er. Ich nicke wild, kaufe uns Limo und wir setzen uns unter Lichterketten. Wenn das Leben immer und für jeden so wäre, wäre es wohl eins der Schönsten. Ich wünsch es allen, wirklich allen, und dass es oft so ist.

Menschen tanzen so schön wie die Musik, ich treffe einen Kommolitonen, er umarmt mich und wir sagen uns, wie toll wir es hier finden, dann geht er zurück zur tanzenden Menge, doch ich sehe ihn immernoch und er sieht sehr glücklich aus. Du nippst an der Johannisbeer Limo und ich trink Orange, dann tauschen wir, wir tauschen fast immer irgendwann. Du schaust die Bühne, die Lichter und die Menschen an .Ich schau dich an. Ich weiss, dass du nicht tanzen willst. Ich bleibe neben dir sitzen, den Arm um dich, schubs dich nur ein bisschen zum Takt an. In deinem Rucksack ist dein MacBook dem nichts passieren darf, und deshalb musst du sitzen. Der Rucksack ist die Metapher und deine Schultern nicht nur von ihm schwer.

Du bist müde und wir gehen früh. Das Ordnungsamt steht diesmal genau vor der Brücke und fängt da die Leute ab, wir müssen einen Umweg lange am Fluss entlang, du läufst, ich humpel, bis wir schließlich die Straßenbahn nehmen. Wir fahren nach Hause, du liegst in meinen Armen, und dir fallen fast die Augen zu.


Dinge, die ich an dir liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt