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Das Erste was ich sah, war eine schief aufgesetzte Mütze, so leicht diagonal über die Stirn. Und Augen über einer FFP2 Maske, die mich ganz kurz ansahen. Die Mütze war pastelllila. Das Zweite was mir auffiel, und was ich noch cooler fand als die Mütze, waren die hellblauen Schuhe. Hellblau ist eine seltene Farbe für Schuhe, und normalerweise ist der Himmel ja oben, und so ist er am Boden, und irgendwie ist das interessant. Und das Dritte was ich sah, und wobei ich mir eingestehen muss, dass das vielleicht der Auslöser für alles war, war das Skateboard in der Hand. 

Ich schaute wie sich der Typ mit dem Rücken zu mir hinsetzte, sein Skateboard zwischen die Knie lehnte und sein Handy herauskramte. Dann erinnerte ich mich daran, dass meine Freundin (genau die Freundin mit dem verletzenden Kumpel) ihren Freund gefunden hatte, indem sie ihm ihre Nummer in den Geigenkasten geworfen hatte, als er Straßenmusik gemacht hatte. Und die beiden waren toll zusammen. Und dann dachte ich mir: vielleicht funktioniert das Leben ja so. Und ich hab gerade völlig aus dem Nichts (oder vielleicht auch wegen einem Skateboard, einer Schuhfarbe und der Schieflage der Mütze) jedenfalls habe ich gerade die Idee, diesem Typen meine Nummer zu geben. Vielleicht um mich gleich in die nächste oberflächliche Scheiße zu stürzen (aber dann wenigstens voll im echten Leben!) aber vielleicht ja auch für etwas ganz anderes.

Also kramte ich einen Kassenzettel und einen Edding aus meinem Rucksack. Und schrieb meine Nummer drauf. Drunter schrieb ich "ich wollte mal etwas Mutiges machen. Wenn du nicht magst, ist auch okay" und drüber schieb ich dann noch: "Hi Fremder," und dann rollte ich den Zettel nervös zwischen meinen Fingern, wie eine Kippe. Ich dachte mir: wenn er diese komischen Sätze nicht cool findet, dann finden wir beide uns eh nicht cool. Aber wenn doch, dann passt es. Also: no risk, no fun. Alles oder Nichts. Auf gehts. Nun klopfte mein Herz noch mehr. Vielleicht fast so sehr, wie wenn man nach einer langen Zeit wieder nach Hause kommt, nachdem man weggerannt ist. Aber nur fast. Aber trotzdem sehr dolle.

Ich dachte mir: wenn er vor mir aussteigt, dann mache ich das nicht. Diesen nervösen Gedanken hatte ich nur zwei Stationen lang, trotzdem fühlte er sich sehr lang an. Und dann: meine Station! Und er saß noch da. Also stand ich auf und bemerkte, wie ich tatsächlich auf ihn zuging, ihn kurz von hinten anschaute, und antippte. Zwei erschrockene Augen sahen mich von unten an und ich war irgendwie fast beruhigt, dass ich nicht die einzige war, die gerade so überrascht von der ganzen Situation war. Ich sagte: "Ist ein bisschen random: hier!", und streckte ihm mit diesen Worten den eingerollten Zettel hin, welchen er verwirrt nahm. Ohne einen zweiten Blickkontakt stieg ich schnurstracks aus der Bahn und schaute extra dolle weg, bis sie endgültig an mir vorbeifahren war. Und dann schlenderte ich unbeschwert nach Hause. Und es ist schon komisch, das Leben. Denn ich wusste einfach, das Richtige getan zu haben. Ich wusste es so sehr, dass ich nicht einmal mein Handy laden und ungeduldig auf seine Nachricht warten musste. Ich wusste, dass er mir schreiben würde, und zögerte es geduldig noch etwas heraus, das erste Zeichen. Ich las dann ein paar Stunden später seine ersten Worte. Und ich wusste, dass es gut werden würde. 

Ich wusste es so sehr, dass ich mich nicht von dem etwas schleppenden Gespräch bei unserem ersten Spaziergang entmutigen ließ. Ich wusste es so sehr, dass ich ihn noch am selben Abend schon in meine Wg zum Abendessen einlud. Ich wusste es so sehr, dass ich seinen Wunsch, erst einmal Freunde zu bleiben, einfach annahm. Ich wusste es so sehr, dass ich irgendwann trotzdem ab und zu einfach nach seiner Hand griff. Und ich weiß es immer noch so sehr, ich weiß es genug, um all das was seitdem passiert, nicht aufzugeben.

Ich Wechsel jetzt wieder vom "er" ins "du". Denn du bist jetzt hier.

Vielleicht wusstest du es auch. So, dass auch du beim ersten Spaziergang nicht den Mut verloren hast, spontan die Einladung in die Wg angenommen hast, die Freundschaft gehalten hast, dann die Liebe zugelassen hast. Und weiter an allem festhältst.

Irgendwie tut es immer ein bisschen weh, an den Anfang zu denken. Ich kann mich noch gut an vieles erinnern, du vielleicht ein bisschen weniger, weil du so etwas lieber vergisst. Ich bin an erster Stelle gut im Romantisieren, deshalb präge ich mir den Schmerz ein, in all seinen Details. Ich bin aber an zweiter Stelle auch gut im Reflektieren. Es hat so vieles wehgetan. Aber an einen Satz muss ich dann denken, den du gesagt hast, als wir Nachts auf ein Dach geklettert sind. Da meintest du plötzlich: "Ich mag Dächer. Auf Dächern kann man so gut Scheiße bauen.", und da hast du gelächelt.

Wir müssen mal wieder auf Dächer. 

Dinge, die ich an dir liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt