Auf dem letzten Stück Heimweg kommen wir an einem hässlichen teuren Neubau vorbei, den alle in unserer Straße hassen und der auch schon mit Farbbomben beworfen und mit Graffiti besprüht wurde. Ich sage, ich wollte da schon die ganze Zeit reingehen, und du sagst "Na dann.", und gehst rein. Es ist nicht sonderlich spannend, ich mache ein paar Bilder von dir, wie immer, und wir steigen mit einem Hüpfer und einem Humpler aus den niedrigen großen glaslosen Fenstern.
Im Bad küsst du mich und hebst mich auf die Waschmaschine. Ich stell den Wecker später als sonst. Ich schlaf mit dem Kitzeln vom Rythmus deiner Halsschlagader an meinen Lippen ein.
Wenn du eingeschlafen bist, hörst du manchmal plötzlich einfach so auf, zu atmen. Ich stups dich dann immer an und flüster dir zu, du wachst meistens nicht auf, doch nach ein paar Sekunden atmest du auch wieder, als wäre nichts gewesen, nichtmal nach Luft schnappst du.
Als wir gestern nach Hause liefen sagtest du es irgendwann. Dass die Sommersonnenwende dich traurig macht, weil sie zeigt, dass es danach wieder dunkler wird, die Tage kürzer und kälter. Dass es danach alles wieder weniger wird und irgendwie an der Stelle für dich der Sommer schon vorbei ist, weil er beginnt, zu enden. Ich sage dir, dass es doch gemütlich ist, dass wenn es eher dunkel ist man doch auch unter einer Straßenlaterne sitzen kann, und warm ist es ja immernoch. Zudem ist der Spätsommer wunderschön und der Sommer geht doch da erst richtig los.
Ich weiss nicht, ob ich dir Mut gemacht habe, oder ob ich dir einfach nur das Gefühl gegeben habe, dich nicht zu verstehen. Denn eigentlich verstehe ich dich.
Am nächsten Morgen gehen wir Kaffetrinken und danach zu Fuß zu unseren Fahrrädern. Sie sind nach der letzten Nacht die einzigen, die noch da sind. Sie lehnen zu zweit ganz abgeschieden und zufrieden an dem Baum und ansonsten lässt nichts darauf schließen, wie chaotisch zugestellt der Zaun dahinter gestern war. "Aww, guck mal wie die kuscheln." sagst du und ich lache. Deine Hand ist grad nicht in meiner, wie sonst fast immer eigentlich. Ich schließe das Schloss auf und schiebe mein Rad weg, dahinter steht deins, du nimmst es, es ist wieder frei. Wir schließen unsere Fahrräder meistens aneinander an und ich mag das. Niemals würde ich so ein kitschiges Schloss an eine Brücke hängen, doch würden wir unsere Fahrräder mal irgendwo vergessen, dann wäre das ein prächtiges Denkmal für uns.
Wir laufen bis zur Kreuzug, dann machst du dich wieder auf den Weg zur Uni, dein MacBook im Rucksack, den Kopf voller Dinge. So wie gestern bei der Party auch, und so sollte das auf Partys nicht sein. Ich schau dir nach, du drehst dich nicht um.
Gestern in der Bahn, als dir die Augen zugefallen sind, habe ich gesagt, das ist unser erster Sommer. Und wenn du Weihnachten wieder vom Auslandssemester kommst, ist das unser zweiter Winter. Du sagst nichts. Ich sage, und dazwischen wird das trotzdem irgendwie unser erster Herbst. Ich weiss nicht so ganz, warum ich das sage, denn eigentlich verstehe ich es ja.)
Was ich nicht so ganz verstehe: warum ist der Sommer nicht leicht? So ist doch eingentlich Sommer.
Was ich aber trotz allem verstehe, und ich hoffe und denke, du verstehst das auch: Dass ich dich lieb hab, egal was drumherum und zwischendurch los ist. Und zwar in einem festen ordentlichen Platz meines manchmal etwas chaotischen Herzens, und immer. Die anderen Feelings sind wie die Fahrräder am Zaun. Die für dich wie unsere Fahrräder am Baum am nächsten Morgen. Deshalb mach ich mir da keine Sorgen.