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Wie wir manchmal nicht weiterwissen und trotzdem weitermachen.

(Manchmal zerquetsch ich dein Gesicht in meinen Händen oder will dich in einer Umarmung am liebsten erdrücken, und schubs dich dann weg. Sowas ist nichts besonderes oder komisches, vielen Menschen geht es so, und mann nennt es "cute agression" und "love bites". Leute fühlen es bei Babytieren und  Babymenschen und Menschen die sie lieben. Und so ich eben bei dir mein Spatz. Wie gesagt ist es nichts Merkwürdiges, nur vielleicht, dass wir beide es in der Öffentlichkeit nicht unterdrücken. Oder ich zumindest nicht (will dich da jetzt in nichts reinziehen).

Das worüber ich aber eigentlich gerade erzählen will, ist, was dann verbal manchmal noch Witziges bei rumkommt. Neben Bissen in den Nacken weiß ich manchmal nicht wohin mit meiner Liebesenergie, und auch nicht wie raus mit den Worten. Da sind schon Sachen passiert wie: "Mein Lieblingsmax!". Ja. Und es passiert immer wieder.

Einmal ging's dir anscheinend genauso. Du gucktest mich an. Überlegtest. Riefst:  "Mein schönes...!". Und dann überlegtest du noch mehr, denn irgendwas musste noch hinter das Adjektiv. Ich lachte. "Mein Liebes!", rief ich zurück, und so hatten wirs einfach substantiviert.

Andere Sache: Mir ist aufgefallen: wir sind nicht gut im Selfies machen. Und auch wenn wir uns fotografiert wissen und versuchen zu posieren, kommt oft nicht das beste heraus, wenn wir uns gegenseitig ablichten. Aber die Bilder, auf denen du nichts ahntest oder auch ich dein Knipsen nicht bemerkte: die sind richtig schön. Irgendwie mag ich das und es zeigt, dass das Ungezwungene, Unüberdachte und Unbewusste: dass das halt einfach das Beste ist. Oder sein kann.

Und noch etwas fand ich letztens belustigend an unserem Alltag. Es war wieder so ein morgen wo man aufpassen musste dass nicht nur das Porridge aufm Herd nicht überkocht oder gar anbrennt. (Ich weise leise darauf hin dass ich mich hierbei auf das vorhergehende Kapitel beziehe, und belasse es dabei.) Und manchmal überlegt man, ob man den Mund aufmachen soll, oder lieber einfach das Radio oder den Streamingdienst als Ventil aufdreht. Ich suchte an diesem Morgen fieberhaft nach der Rettung durch den Algorithmus. Dazu kommt jetzt Lyrik, Achtung:

Meist tippte ich 

auf "Fröhlicher Mix", 

aber was mache ich, wenn 

der nicht genug ist?

Und triefdrin nostalgisch und

irgendwo trist.

Dir ist auch schon aufgefallen dass ich oft einfach auf "fröhlicher Mix" tippe. Du selbst machst selten und ungern deine Musik an, aber jetzt ergriffst du plötzlich die Initiative. Und an diesem Morgen hörten wir erst "Guten Morgen Sonnenschein.", und dann österreichischen Schlager. Als mein Mitbewohner aufstand und in die Küche kam runzelte er die Stirn und wir kicherten ertappt. 

Abends hörten wir Country.)

Manchmal wussten wir Abends nicht, was wir machen sollen. Früher mochtest du kein Cornern, weil du meintest dabei fühle man sich ein bisschen wie ein Obdachloser. Jetzt ist das anders. Die letzten beiden Abende haben wir entspannt mit einem Radler auf einem breiten Fensterbrett verbracht. Breite Fensterbretter sind ziemlich cool. Auch das vom FDP Wahlbüro. Wir lehnten uns an Christian Linders Dauergrinsen an, ich pfiff eine Melodie und du rülpstest am Ende des Liedes. Dann hoben wir ohne uns anzusehen gleichzeitig die Flaschen und tranken ein paar gluckernde Schlucke. Mehr mussten wir nicht reden. Fühlte sich an, als wären wir schon 40 Jahre verheiratet.

Dinge, die ich an dir liebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt