48 - Der Fuhrmann und der Streuner (2)

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Je weiter nördlich sie mit ihrem Karren gelangten, desto mehr wandelte sich das Wetter. Der Himmel wurde bewölkter, die Wolken zusehends grauer. Der Wind blies heftiger und ließ Di, gerade in den Abendstunden, das ein ums andere Mal frösteln.

„Westländische Küsse", frohlockte Kune, als die ersten Tropfen, an einem grauen Nachmittag, auf sie niederzuprasseln begannen, kurz bevor sie den Moteem überqueren und somit die Mittlande verlassen sollten.

Sie verbrachten die folgende Nacht in einem trockenen, aber muffigen Pferdestall. Ein Plätzchen, welches ihnen der mürrische Besitzer gegen zwei Kupferstücke überlassen hatte.

In feuchtem Nebel setzten sie am folgenden Tag mit einer riesigen Lastenfähre in die Westlande über. Zum ersten Mal in seinem Leben verließ Di somit die Mittlande. Trotzdessen fühlte es sich unscheinbar an, beinahe wie etwas Alltägliches. Die Tage blieben auch auf der anderen Seite des Moteems, in den Landen von Millot Menk, grau und verregnet

Rinken war, obwohl die reichste Stadt des Triports, nicht sonderlich ansehnlich. Ihre braun-gelblichen Mauern waren zwar hoch, wirkten aber auf Di wenig erhaben. Vom Regen glänzend erschienen sie ihm sogar eher schmutzig. Dort erfuhren sie neue Nachrichten von ihrem ersten Kunden. Bei einem reichen Küfer entluden sie das Holz, welches Kune in Venuris geladen hatte.

"Mittländische Eiche, wie bestellt, so geliefert", präsentierte Kune seine Ware wie einen Goldschatz, als er vor den Augen des Küfermeisters die große Plane entfernte.

Ihr Kunde beäugte die Ware aus seinen strengen, grau-grünen Augen. Kein Wort des Dankes kam über seine Lippen, stattdessen fuhr er sich durch sein braun-gelocktes Haar, welche mit grauen Sprenkeln durchsetzt war, und deutete dem Fuhrmann den Weg in seine Werkstatt. Di packte mit an. Zu Anfang waren die Bretter ein wenig unhandlich, doch nicht allzu schwer. Bis sie ihren Wagen jedoch vollständig entladen und die Ware fein säuberlich aufeinandergestapelt an ihren Platz verbracht hatten, da schmerzten ihm nicht nur Finger, Hände und die Arme, bis hinauf in die Schultern, nein, sogar seine Kniewaren weich wie Haferbrei.

"Das gibt Muskeln, Streuner", lachte Kune und klopfte ihm auf die pochende rechte Schulter.

Während Kune und der Küfer geschäftliche Dinge unter vier Augen beredeten, lernte Di den Sohn des Meisters kennen.

"Ich bin Mak", stellte er sich Di vor. Er mochte vielleicht in Dis Alter sein, war jedoch etwas größer und obwohl er ein junges Ebenbild seines Vaters darstellte, wirkte er doch fröhlich und gutgelaunt und keineswegs so wortkarg wie sein alter Herr.

"Bist du der Lehrjunge vom alten Kune?", wollte Mak von ihm wissen.

Di verneinte.

"Ist ja auch egal", meinte Mak, "kommst du aus den Mittlanden?"

"Ja, aus Klupingen", erzählte Di, "aber zuletzt arbeitete ich als Schreiber für einen alten Gelehrten in Venuris."

"Oh, du warst also in der Hauptstadt? Mein großer Bruder war ebenfalls in der Hauptstadt. Der alte Kune hat ihn dorthin gebracht. Vermutlich ist er aber jetzt gerade in Venhaven, von wo aus die Regentin mit ihrer Armee in den Krieg ziehen möchte."

„Du meinst, von wo aus ihr Heer aufbrechen möchte?"

„Nein. Ich meine es, wie ich es gesagt habe. Angeblich marschiert die Regentin vorneweg mit einem goldenen Schwert in der Hand."

Das konnte sich Di überhaupt nicht vorstellen. Das Mädchen, das vor seinen Augen geweint hatte, an der Spitze eines Heeres? Nein, das stimmte sicherlich nicht. Das würden ihre Berater gar nicht zulassen. Er tat es als Gerede ab und entschloss sich, das Thema zu wechseln.

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