29 - Der Zorn Venuas (3)

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War sie denn nur noch von Schlechtem umgeben?

Und vor Allem: Lag es an ihr, dass sich die Welt von Tag zu Tag ein wenig mehr gegen sie wendete?

Ihr Vater galt als der Verwalter und Bewahrer des Friedens.

Doch selbst dieser schien zu bröckeln, seit sie dessen Aufgaben übernommen hatte. Sie rief sich Hennis Krugs unvollendete Ausführungen über Prediger ins Gedächtnis, die in den Straßen ihrer Stadt gegen ihre Person hetzten. Sie würde mit Krug sprechen müssen. Sie musste wissen, welchen Schmutz diese Männer über sie verbreiteten. Und sie würde Kal Zigel befehlen, dass die Soldaten der Stadtwache mit aller Härte gegen diese Ratten vorgehen sollen.

Ob wohl der Hohepriester oder der Tränenkönig ihr diese Plage geschickt hatte?

Nein, denn dann hätte Fisi ihr bereits davon erzählt. Sie musste sich eingestehen, dass sie dem Herren der Ostlande das größte Vertrauen schenkte, was den Feind über dem Wasser betraf. Seine Seeblockade hätte verhindert, dass auch nur ein Namuner sich hätte unter sie mischen können. Und überhaupt war diese Idee abwegig. Weshalb sollten diese sich, selbst wenn sie unter ihnen wandeln würden, als Männer des einen Gottes ausgeben und in dessen Namen ihre Lügen verbreiten?

Was sagte Sira doch gleich über ihren geliebten Ben? Es gäbe für ihn und seine Kameraden keine größere Ehre, als erhobenen Schwertes in den Krieg zu ziehen? Wie gut, dass sie sich zumindest keine Sorgen über die Loyalität ihrer Soldaten machen musste. Der immerhin einzig beruhigende Gedanke, der ihr gerade durch den Kopf schoss, während sie realisierte, welchen Eindruck sie wohl auf die jungen Burschen und Mädchen machen musste, die gerade die Speisen, sowie Besteck und Geschirr von dem langen Tisch abräumten.

Dadurch dass sie sich auf ihrem Stuhl von der gedeckten Tafel abwendete, signalisierte sie ihren Bediensteten stumm, dass sie nicht gedachte noch weiteres Essen zu sich zu nehmen.

Doch so schlaff und zusammengesackt, wie sie nun da saß, vermittelte sie wohl einen völlig falschen Eindruck, sodass sie sich rasch erhob und aufrechten Ganges, sowie erhobenen Hauptes, den Saal wieder verließ. Linhard und Frix eilten dabei wieder einmal sofort zu ihrer Seite, um ihr wortlos des Weges zu folgen. Auch auf diese beiden, ja auf all ihre Männer der Palastwache, konnte sie zählen.

Sie fand Jessel Schooke nicht in, sondern vor der Türe seiner Schreibstube, wo er eilig das Gespräch mit einem Wachmann unterbrach, um Lena anschließend aufgeregt einige Schritte entgegenzukommen: „Meine Regentin, es freut mich sehr, dass Ihr die Zeit gefunden habt, mich anzuhören. Wollen wir uns dazu nicht auf meine Stube begeben?"

Lena nickte und folgte dem Palastverwalter schweigend in dessen kleine Kammer, die so vollgestellt war, dass man darin kaum genug Platz fand, um sich zu bewegen, weshalb ihre Leibwachen auch vor der Tür warten mussten. Von den Wänden war hier drinnen beinahe nichts mehr zu sehen, da sich ein Holzregal an das andere reihte. Allesamt waren sie vollgestopft mit Pergamentrollen, losen Blättern, auf denen Briefbeschwerer thronten, sowie unzähligen Büchern, deren bunte Buchrücken den Raum mit ein wenig Farbe erhellten. Ansonsten fiel noch ausreichend Licht durch das trübe, ebenfalls von passgenauen Regalen umrahmte, Bleiglasfenster, welches eine Bemalung in Form der drei venuarischen Schwerter trug. Das Wappen ihres Reiches war ohnehin allgegenwärtig. Der große Schreibtisch, wie der letzte Tisch, an dem sie niedersaß, aus Titanfaustholz bestehend und einen nicht unerheblichen Teil der begrenzten Raumfläche einnehmend, besaß ebenfalls viele Verzierungen und Schnitzereien in Form der drei Schwerter. Auch auf dessen Arbeitsfläche häuften sich, neben Papier und Büchern, unzählige abgebrochene und intakte Federkiele samt Tintenfässchen, abgebrannte und unbenutzte Kerzen, sowie ein silberner Kelch, in dem Lena einen letzten Schluck roten Weines erspähen konnte.

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