24 - Das Geschenk (3)

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Einzig das Schwert der Westlande, Millot Menk, fehlte in ihrer Runde. Da dieser ohnehin bald wieder die Heimreise anzutreten gedachte, könnte seine letzte Teilnahme vermutlich auch schon hinter ihnen liegen. So genau konnte man dies, angesichts seines gesundheitlichen Zustandes, derzeit kaum sagen. Ben Lewel beehrte sie an seiner statt mit seiner Anwesenheit.

Garns brachte zunächst die Beschwerde vor, dass die Hurerei in der Stadt allmählich überhand nehme. Wie eine Krankheit würde diese sich aus dem südöstlichen Problembereich in die anderen Stadtteile ausbreiten. Zigel versicherte daraufhin, dass er mit Dreyman und Brock sprechen werde, damit diese ihre Präsenz in den betroffenen Bereichen verstärken, doch dieser Vorschlag erzürnte Garns lediglich: „Die Stadtwache ist doch ein Teil des Problems, mein lieber Kal. Am Ende schlagt Ihr noch vor, wir sollen Beutelschneider zur Steuereintreibung einsetzen."

„Ihr schert Euch ernsthaft um die Hurerei, werter Garns?", warf Fisi ein, der wieder einmal an einer Spitze seines Schnauzbartes herumzupfte, während er es nicht für nötig hielt zu verbergen, wie sehr ihn das Thema, selbst nach den wenigen gesprochenen Sätzen, bereits zu langweilen schien.

„Sie ist ein Frevel im Angesicht des einen Gottes. Ihr solltet das wissen. Habt Ihr nicht großspurig erklärt, dass Ihr nun unserem Glauben anhängt?", ging der Angesprochene den Handelsherren anschließend barsch an.

Garns hatte die Peinlichkeit, die ihm Fisi schon zu Beginn seines Hauptstadtaufenthaltes bereitet hatte, nicht vergessen. Als dieser erklärte, dass Garns' Netz von Spionen nichts tauge, da es sich mit den Informationen der Männer der Ostlande eindeckte, war der Bär kreidebleich angelaufen. Und zu Recht waren Lena in jenem Momente, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, Zweifel hinsichtlich seiner weiteren Nützlichkeit gekommen. Garns verfügte als ‚Stimme des Volkes' jedoch über eine gute Beziehung zu den Bürgern und war, auch ohne seine Spione in Namun, am Ende von einer gewissen Bedeutung für sie.

Ein amüsiertes Aufstöhnen erklang als Antwort aus dem Rachen des Handelsherrn, der sich auf seinem Stuhl reckte und streckte, als wäre er gerade erst aus dem Schlaf erwacht.

Erst im Anschluss nahm er eine angemessene aufrechte Haltung ein und lächelte den Bären an: „Wollt Ihr den Unmut der Männer auf Euch lenken, werter Freund?"

Garns öffnete den Mund, als wolle er dagegen protestieren, dass der Handelsherr soeben eine Freundschaft zwischen ihnen angedeutet hatte, doch er ließ es bleiben, lauschte den weiteren Worten, die der Ostländische hervorbrachte.

„In jedem Mann wohnt ein Tier, das es stets zu besänftigen gilt. Nur Wenige besitzen die besondere Fähigkeit, dieses Tier dauerhaft nur mit bloßer Willenskraft zu bändigen. Die Huren sind daher ein Geschenk für den kleinen Mann. Ihr versteht das. Oder habt Ihr etwa keinen Schwanz?"

Mit einem Male sauste Ullmer Garns von seinem Platz hoch, schlug mit beiden Handflächen auf den Tisch. Sein Kopf war beinahe so rot, wie der samtene Mantel Krugs, und er hob drohend seinen Zeigefinger gegen den Tai: „Wagt es Euch noch einmal so mit mir zu sprechen!"

„Sonst was?", gab Fisi mit ruhiger Stimme zurück. Er schien der Einzige an diesem Tisch zu sein, den dieser Wutausbruch nicht scherte. Selbst Lenas Herz hatte sich erschrocken und klopfte nervös gegen ihre Brust.

„Ich lasse mich von einem Köter wie Euch sicherlich nicht beleidigen."

„Wo habe ich Euch beleidigt? Sagt, meine Regentin, habe ich dem ehrenwerten Garns denn nicht einfach nur eine Frage gestellt?"

Die Blicke richteten sich auf Lena. Erst jetzt brachte sie es fertig ihren Mund zu schließen. Für einen kurzen Moment blickte sie beinahe hilfesuchend in die Runde, ehe sie sich innerlich kurz schüttelt, sich zusammenriss und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Der erste, der ihr in den Kopf schoss, war ein Satz des Tais.

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