02 - Depression (3)

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Und wo war besagter Auftraggeber? Noch bevor Lena den Gedanken zu Ende denken konnte, sprach ihr Vater auch schon die daraus resultierende Frage nach dem Verbleib von Kal Brahmen aus.

„Es gab ein Attentat auf den Anführer der Wilden. Daraufhin ist ein Aufstand ausgebrochen, wobei sowohl Euer Gesandter, als auch unser Auftraggeber getötet wurde. Wir hatten Glück und konnten das Getümmel zur Flucht nutzen."

Die anderen Männer nickten zustimmend. Lena bemerkte, wie sich ein Anflug von Resignation in die Miene ihres Vaters mischte. Mit einem leisen Zischen, ließ er die Luft zwischen seinen Zähnen entweichen und entgegnete in einem wahrhaft enttäuschten Tonfall: „Es scheint mir, als ob Kal Brahmen, wie auch ich, die falsche Wahl getroffen haben. Barke, informiert meine Bediensteten, sie sollen den Männern eine Unterkunft im Gasthaus ‚Zur schwarzen Katze' beschaffen. Sie sollen gut und reichlich speisen, ein Bad nehmen, eine Nacht in einem Bett verbringen, Ruhe nach ihrer strapaziösen Reise genießen. Wir werden die Einzelheiten dieser Tragödie morgen früh, zusammen mit all meinen Beratern, besprechen. Informiert zudem umgehend, dass die Eingangswächter des Zugangs in die Zweitwelt verdoppelt werden sollen. Ab sofort werden keine Händler mehr hineingelassen. Ich kann nicht noch mehr Tote verantworten."

Palu Venua wandte sich ab und verließ die Halle schlurfenden Schrittes, das Haupt gesenkt, die Arme lose am Körper baumelnd. Lenas Blicke wanderten ihm besorgt hinterher.

Nach der Überbringung der Nachricht durch Tenth Barke, umgab ihn für einen kurzen Augenblick wieder die alte Aura dieses einst starken Mannes, doch schon kurz darauf verwandelte sich der winzige Keimling des Zornes in ihm in blanke Enttäuschung. Seine körperliche Erschöpfung ließ ihn wieder zu diesem Schatten seiner selbst zusammenschrumpeln.

Weshalb auch immer er Elisus Hofken, nur von einem Händler und diesen vier Männern begleitet, in die Zweitwelt geschickt, was auch immer er sich davon erhofft hatte, war soeben vor seinen Augen zerschlagen worden.

Und dieser Junge mit den leeren blauen Augen hatte sie auch noch begleitet? Welcher Vater würde seinen Sohn einer solchen Gefahr aussetzen? Nun hatte er seinen alten Herren verloren.

Der blasse Mann mit dem Namen Bauwer unterhielt sich leise mit dem, der Gorke hieß. Lena konnte ihre Worte nicht verstehen. Die beiden anderen Männer hingegen wirkten, als gehören sie nicht dazu. Während der alte Mann, Grün, wortlos vor sich hindöste, blickte Draben weiterhin beunruhigt durch die Gegend und schwitzte dabei heftig.

Einzig der kleine Junge stand nun etwas abseits der Truppe, den Blick unentwegt zu Boden gerichtet. Seine Traurigkeit trieb Lena ein Frösteln über den ganzen Körper. Niemand der Männer schien ihn so recht zu beachten.

„Sira", rief sie nach der jungen, blondschöpfigen Bediensteten, die gerade, auf Ruf von Tenth Barke, zusammen mit Martyka und Buthegor herbeigeeilt kam. Mit der Rechten verdeckte sie ihre schiefen Zähne, die sich bei ihrem Lächeln zeigten, und erkundigte sich nach Lenas Wunsch.

„Richtet bitte das ehemalige Zimmer meines Kindermädchens wieder her, sodass es umgehend bezogen werden kann", antwortete sie.

„Sehr gerne, meine Dame. Für wen darf ich es herrichten, wenn ich fragen darf?"

„Für Dieke Brahmen", gab Lena umgehend zurück und der kleine Junge, der gerade im Begriff war Buthegor, und Martyka zu folgen, die die restlichen Männer in das Gasthaus ‚Zur schwarzen Katze' zu führen gedachten, hielt wie versteinert inne.

Dieke Brahmen sprach kein einziges Wort. Er hatte das ehemalige Bedienstetenzimmer Helas bezogen, das sie einst zusammen mit ihrem Mann Ruker bewohnte. Es war spärlich und rustikal eingerichtet und besaß nur ein kleines, rundes Fenster, durch das ein wenig Licht in den Raum fiel. Dadurch wirkte das Zimmer zwar etwas düster, doch das mittlerweile knisternde Feuer im Kamin, strahlte neben Wärme auch Gemütlichkeit aus. Der Junge hatte sich unter mehreren Wolldecken in dem knarrenden Holzbett mit der weichen, wenn auch etwas durchgelegenen, mit Rosshaar befüllten, Matratze verkrochen. Neben einer kleinen Kommode, die sich an der Wand gegenüber dem Bettende befand, stand ein leicht beschlagener Spiegel. Der große hölzerne Schrank daneben hätte Platz für seine Kleider geboten, doch war er nur mit dem, was er am Leibe trug, im Palast von Venuris angekommen.

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt