26 - Schatten und Sonnenschein (2)

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Noch einmal suchten sie Schutz hinter einer säuberlich gestutzten Hecke, um weitere Männer passieren zu lassen, ehe Dis Finger erstmals die Stadtmauer berührten, an der sich wilde Kletterranken emporarbeiteten und deren Grundfeste an jener Stelle von einem dicken Moosbezug verziert wurde. Im Schatten der meterhohen Steinwände mussten sie nun zumindest nicht mehr fürchten von den Mauerläufern, wie Salli die Patrouillengänger auf den Mauern nannte, entdeckt zu werden.

„Jetzt haben wir es fast geschafft", wirkte das Mädchen erleichtert und wischte sich, trotz allem mit fröhlicher Miene, den Schweiß von der Stirn. Wenigstens jetzt ließ Fuchs ihr eine kurze Verschnaufspause, ehe sie ihren Weg fortsetzten.

Sie waren den schwarzen Mauern der Kaserne bereits so nahe, dass man, jetzt wo sie endlich in Stille verharrten, auch wahrnehmen und sich dementsprechend vorstellen konnte, was dahinter vor sich gehen musste. Menschliches Stimmenwirrwarr vermischt mit singenden Schwertern, sowie anderer Krach, zu dem sich in Dis Kopf keine Bilder malen ließen, drang an seine Ohren.

An der Mauer entlang führte es sie schließlich in eine enge, schmale Sackgasse zwischen jener Grenze der Stadt und der der Kaserne. Ein unbefestigter, dunkler Flecken Venuris', an den sich wohl noch nie zuvor ein Sonnenstrahl verirrt hatte. Der Boden war feucht und glitschig und es roch nicht gerade nach Blumen.

Zu beiden Seiten waren die Mauern von einem Vorhang grünen Efeus überzogen. Deren Auswüchse konnten entlang des schwarzen Steins sogar noch wesentlich höher gen Himmel klettern, thronte doch ein hölzerner Turm über ihnen, der wohl schon bessere Tage gesehen hatte. Nicht nur, dass er fast vollständig von grünen Blättern überzogen war. Das Dach mit den roten Ziegeln, das konnte Di bereits aus der Entfernung erkennen, war teilweise eingestürzt und es machte den Anschein, als wäre dies schon vor langer Zeit passiert. Warum die Stadtwache ihn augenscheinlich zerfallen ließ, konnte er sich nicht erklären.

Fuchs schien aufmerksam seine Schritte zu zählen, als er weiter in das kleine Gässchen vordrang, bis er plötzlich stehen blieb, auf die Knie ging und mit seinen Händen die bedeckte Mauer abzutasten begann.

Lächelnd wandte er sich nun wieder an Di und Salli und winkte beide energisch zu sich herbei.

Bei genauerem Hinsehen konnte man einen schmalen Spalt erkennen, der in das Innere des Gebäudes führte. Der erste Gedanke, der Di durch den Kopf schoss und welchen er auch sogleich aussprach, war: „Da passe ich niemals durch."

„Den hier einziehen", lachte Salli und schlug ihm sanft mit der flachen Hand gegen den Bauch, ehe sie, ihre beiden Füßen voraus, elegant durch die Öffnung glitt und in der gähnenden Dunkelheit verschwand. Sie hatte leicht reden, dachte sich Di, war sie doch beinahe so dürr wie eine Bohnenstange. Fuchs, der ebenfalls etwas kleiner und schmäler als er selbst war, passte auch nahezu mühelos durch den fensterartigen Spalt, wenngleich er es nicht mit der Leichtigkeit der kleinen Salli bewerkstelligte.

Er war nun an der Reihe. Langsam ging er zunächst in die Hocke und ließ sich anschließend auf seinen Hintern nieder, um seine beiden Füßen voran in die Dunkelheit zu hängen. Ein modriger Schwall, aus jener Öffnung kommend, stieg ihm in die Nase und ließ ihn kurz erschaudern. Jetzt wusste er auch, weshalb die Luft in der kleinen Gasse so unangenehm roch. Langsam schob er sich vorwärts, sodass er schon bald auf der Kante angelangte. Seine Beine hatte er nun komplett in der Dunkelheit versenkt. Schon jetzt spürte er, dass es dort unten kühler war, als er es sich vorgestellt hatte. Und dann noch dieser Gestank.

Er schob sich weiter vorwärts, seine Beine baumelten derweil ohne jeden Halt im leeren Raum. Ein an der Oberkante eingearbeiteter eiserner Rahmen erschwerte es ihm zusätzlich voranzukommen. Sein Brustkorb war fast etwas zu breit, um hindurchzupassen und da er seine Hände nicht anwinkeln, sondern über seinen Kopf und von sich weg strecken musste, blieb ihm nur noch sich an der Mauer abzustoßen, was ihm erst beim dritten Versuch gelang. Den Kopf zur Seite gedreht, schaffte auch er es letzten Endes in den schwarzen Raum. Etwa zwei Meter tief ging es für ihn nach unten, eher er auf allen Vieren auf dem Boden landete. Nachdem er sich aufgerappelt hatte, hieß es zunächst innehalten, um seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Was genau war das hier? Eine Art Lagerraum?

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