06 - Hinter schwarzen Mauern (3)

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In dieser Nacht träumte er von seinen Kämpfen des Tages. Ihm war es, als führe er alle seine Bewegungen im Schlaf noch einmal aus. Hier schlug er Marton Lommel in den Dreck, dort narrte er Bocus, der ebenfalls zu Boden ging, so wie er es jedes Mal tat, wenn er gegen Pat antreten musste.

Der Feldhase mochte ihn deswegen nicht. In seinen Augen loderte stets der Zorn, wenn er es wieder einmal nicht geschafft hatte, ein Duell mit Pat für sich zu entscheiden.

Er konnte nicht genau sagen, weshalb er aus seinem Traum aufwachte. Womöglich war auch einfach nur seine volle Blase dafür verantwortlich. So rappelte er sich auf, zog sich seine braune Wollhose und das braune Wollwams über, welches jeder von ihnen bekommen hatte und tastete sich aus der Zelle heraus. In der Dunkelheit war er anfangs oftmals über die Beine von Rott oder Temu gestolpert, mittlerweile wusste er jedoch, wie er, ohne jemand anderes zu berühren, aus ihrer Unterkunft schleichen konnte.

Er bog in dem dunklen Gang um die Ecke, hinter der er den schwachen Schein des Kohlenbeckens erkennen konnte, welches durchgängig hier brannte, dafür sorgten die Burschen Conreth Kressens. Er nahm eine der Fackeln, die fein säuberlich daneben aufgestapelt lagen und entzündete sie in der Glut, ehe er sich nach draußen aufmachte. Die schwarzen Wände glitzerten im Feuerschein wie dunkle Diamanten, was schön anzusehen war, doch alles was die Kaserne ihm zu bieten hatte, konnte nicht im Ansatz mit der Schönheit einer Frau mithalten.

Gerade in den Momenten nach dem Aufwachen sehnte er sich nach der Wärme eines schönen, weichen, wohlgeformten Körpers und dem lieblichen Duft, der ihnen gewöhnlich anhaftete.

Wenn er seinen Eid gesprochen und somit zu einem waschechten Soldaten der venurischen Armee geworden wäre, das hatten er und die beiden Zwillinge sich zumindest fest vorgenommen, stünde der Besuch eines Freudenhauses auf dem Plan. Es gab Zeiten, da hatte er anders darüber gedacht, doch wann war er jemals zuvor derart ausgehungert wie jetzt?

Die kühle Nachtluft umgarnte ihn, kaum das er unter die pechschwarze Himmelsdecke trat. Weder Mond noch Sterne spendeten ihr fahles Licht, einzig die Fackel in seiner Hand und die Dutzenden, die in der Ferne brannten und somit lediglich kleine, feurige Punkte in der finsteren Nacht darstellten.

Pats Weg führte ihn keineswegs in die übelriechende Mannschaftslatrine, sondern an den nächstgelegenen Baum. Wenn er nur pissen musste, nahm ihm das von den nächtlichen Wachposten auch niemand übel. Er legte seine Fackel in einem nahegelegenen Feuerkorb ab und begann ein paar Schritte weiter, mit einem erleichtert klingenden Seufzer, seine Blase an dem großen Baum zu entleeren. Dessen Blätter rauschten im Wind, der sanft aus Norden herangeweht wurde. Pat schüttelte die letzten Tropfen ab, knotete sich die Hose wieder zu und fuhr herum, als ihn ein Schlag ins Gesicht rückwärts gegen den dicken Stamm des Baumes taumeln ließ. Für einen kurzen Augenblick blitzten hunderte Sterne vor seinen Augen auf, bis er den Umriss des Feldhasen erkannte. Bocus hatte sich an ihn herangeschlichen. Am Rande des Lichtscheines des Feuerkorbs erkannte Pat zwei weitere Schatten.

„So ganz alleine in der Nacht, reicher Junge?", ertönte diese, vor Dummheit strotzende Stimme, die er von den täglichen Übungskämpfen her nur zu gut kannte.

„Was willst du von mir, du hässliche Mistsau?", giftete Pat zurück, „Reicht dir die Prügel, die ich dir tagtäglich im Training verpasse nicht aus?"

Auf keinen Fall Respekt zeigen, nicht einen Hauch von Furcht. Er bemerkte den Schmerz, der in seinem Kopf wütete, doch er hatte keine Zeit nachzudenken, musste er sich doch rasch wegducken.

Als Bocus Faust gegen den Baumstamm donnerte und dieser anschließend unter Schmerzen aufheulte, tauchte der erste der beiden Schatten vor Pat auf. Die zottelige Mähne gehörte zweifelsohne zu Marton, dem er rechtzeitig einen Tritt in die Magengrube verpassen konnte, ehe dieser in sich zusammensackte. Ein Lichtschein im Augenwinkel verriet den zweiten Angreifer und Pat konnte sich gerade noch rechtzeitig zur Seite flüchten, als eine brennende Fackel nach ihm schlug. Er konnte deren Hitze auf seinem Gesicht spüren.

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