41 - Der Gerechte (2)

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„Sie alle werden meine Kinder sein", dachte er, als er die schwarzen Schatten sah, die durch einen Fluss aus Blut und Feuer wateten. Dann erblickte er einen Mann mit goldener Maske, der aus der Menge der Königskinder herausragte. Terek wusste sofort, wer er war. Das brennende Schwert in der Hand ging er dort nieder, wo Schwarzträne stand und stumm seine Kinder aufpeitschte, gegen den anrückenden Feind zu stehen und zu kämpfen.

Seine Erscheinung war beeindruckend. Er überragte Terek an Größe, was nur wenige taten. Seine Schultern waren so breit wie die von Herzfresser und zwei blaue Vögel saßen jeweils darauf und plusterten sich bedrohlich auf, als sie das brennende Schwert Tereks erblickten. Hinter der goldenen Maske blitzten rotleuchtende Augen hervor und Tränen, so schwarz wie die Nacht, rannen seine Wangen hinunter, verloren sich in einem Dickicht eines schwarzen Bartes. Der vermeintliche König der Krysari trug keine Waffe bei sich.

„Komm und sieh", ertönte seine Stimme, die Terek noch nie gehört hatte, welche ihm jedoch merkwürdig vertraut vorkam.

„Ich gebe dir, was du verlangst. Gebe dir, was die Mutter dir genommen hat", erklärte er mit ruhiger Stimme. Terek senkte sein Schwert und die Flammen erloschen.

Als der König zur Seite trat, erschien ihm M'Kelya in einem hellen Licht. Der Krieg war vorbei, die Flammen erloschen. Himmelblau umhüllte sie und der Sonnengott brachte ihm wieder die Wärme, die er kannte. Verlorene Kraft und vergessene Gefühle durchströmten ihn, während vergangene Gerüche in Tereks Nase stiegen.

Er näherte sich seiner Liebsten und erkannte rasch, was hier vor sich ging.

„Sie ist ein Geschenk", strahlte sie erschöpft, doch voller Freude und Zufriedenheit.

Er konnte es nicht fassen, war völlig durcheinander, als er sich neben sie niederkniete.

Sie hatte die gleichen Augen wie ihre Mutter. Braun und tief und wunderschön. Sie weinte nicht. Ihr gemeinsames Mädchen hatte nie geweint.

„Sie ist etwas ganz besonderes. Komm und sieh", sagte M'Kelya mit brüchiger Stimme und überreichte dem Vater das Kind.

Während er sie lange in seinen Armen wog, betrachtete er sie konzentriert und bestimmt.

„Wer hätte gedacht", begann er zu sinnieren, „dass das größte Glück einmal das Schwert sein würde, welches uns zerteilt?"

„Ich verstehe nicht", wirkte M'Kelya überrascht von seinen Worten.

„Sie war niemals schön, niemals lebendig. Sie war eine Missgeburt", realisierte Terek, was wirklich geschehen war.

Er spürte den Blick in seinem Rücken und er wusste, zu wem er gehörte.

„Die Mutter zeigt mir den Pfad, den ich beschreite", rief er entschlossen und als er erneut seine Klinge packte und sich herumwandte, stieß er diese nicht in den falschen König, sondern sich selbst in eine tiefe, endlose Dunkelheit und schlug auf dem harten Boden neben seinem Bett auf.

Sein Hemd war von Schweiß durchtränkt und als er endlich realisiert hatte, was geschehen war, fing er an, seine Tränen wegzuwischen. Die Vergangenheit war beides: Wunderschön und furchtbar grausam zugleich. Und doch hatte sie ihn auf seinen gegenwärtigen Pfad geführt, ihn zu dem Mann gemacht, der er war. Terek Nam'Atamai, Nachfolger von Sande Hoers'Mosmumtu, Hohepriester der Mutter. Wer sich ihm in den Weg stellte, den würde er vernichten. Genauso wie er Schwarzträne vernichten würde. Jetzt erst recht.

Er hörte die leisen Schritte eines seiner stummen Diener vor der Zimmertüre.

„Mir geht es gut", verhinderte er dessen Eintreten. Ein alter Mann, der aus seinem eigenen Bett fällt, diesen Eindruck wollte er keineswegs erwecken. Terek wusch sich das müde, schweiß- wie tränennasse Gesicht und dachte erneut nach. An Quensy und Surme und ihren Beitrag zu jenem Krieg. Er ersann ein Gespräch zwischen seiner rechten Hand und Geoyi Jun'Ilie im weißen Garten.

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