37 - Der goldene Fuchs (1)

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Als kleiner Junge hatte er hunderte, wenn nicht tausende Male, den Sprung in die kalte See Rinkens getan, war dort mit den anderen Kindern seines Alters um die Wette geschwommen und getaucht. Selbst an den sommerlichsten Tagen war das Wasser in seiner Heimat eher kühl und rau gewesen. Nicht so diese warme Brühe, in der er an jenem Tage eintauchen durfte, als Rekard Amwaldt die restlichen Söhne aus ihrem steinernen Gefängnis geholt und eine der endlosen, steilen Treppen hinunter in die weißen Häfen geführt hatte.

So wie sich die klaren Fluten des neunzehnten Hafens vor Surme auf Pats Haut anfühlten, war das einzigartig, erfrischend, erleichternd - ungekannt. Dreck und Schweiß und Gestank der letzten, allzu langen Tage verloren sich in der salzigen See. Er konnte gar nicht mehr sagen, wie viele Tage genau sie in der weißen Stadt verbracht hatten, aber war es auch egal, welche Zahl da am Ende stehen würde, es wäre ihm doch mindestens wie das fünffache derer vorgekommen.

Eigentlich stellte der sogenannte ‚Krabbenpol' nur eine erbärmliche Anlegestelle dar, welche von den Krabbenfischern genutzt wurde, die manchmal fässerweise die kleinen Tierchen aus den ertragreichen Wassern holten. Die meisten Fischer waren zottelige Männer, hagere, drahtige Kerle, die allesamt nach Fisch stanken und sich in ihrer elenden Kötersprache gegenseitig anbellten. Ein ebenso ungepflegter, brauner Kerl mit langen, schwarzen Haaren, die selbst manchem Esel wie eine Beleidigung vorkommen mussten, entpuppte sich als Amwaldts besagter Kontaktmann.

Während ihr Hauptmann sein Bad beendete, um sich Rekards Konversation mit dem Krabbenfischer anzuschließen, blieben Jullen, der rote Odo und er noch einen Augenblick länger im warmen Wasser.

„Was, wenn die beiden uns lediglich irgendwo in den Fluten versenken wollen?", äußerte Jullen erneut seine erheblichen Zweifel an Amwaldts Integrität. Pat wusste genauso gut wie er, dass der alte, ehemalige Söldner eigentlich andere Pläne verfolgte.

‚Scheiss auf Venua! Nur hier sind wir frei' und ‚Eines Tages kehre ich heim' waren Sätze, die tief aus dem Herzen ihres Kameraden kamen, da war er sich sicher.

Wer wusste schon, wie lange Amwaldts Gewissen ihn noch ihren Reihen hielt.

„Rekard ist einer von uns. Er wird uns an unser Ziel führen", versprühte Odo Lanzkamp beinahe so etwas wie Optimismus, wo doch sonst nur Nüchternheit dominierte.

„Du meinst, dass er uns in die Hauptstadt führt?", mischte Pat etwas Anklagendes in seine Stimme. Immerhin hatte auch Lanzkamp bezüglich ihres Zieles beharrlich geschwiegen, nicht einmal eine Andeutung in jene Richtung gemacht.

Odos Blick wanderte in seine Richtung, doch seine Augen verrieten nicht das Geringste über das, was in seinem Inneren gerade vor sich ging. Pats Vorwurf schien keinerlei Wirkung zu erzielen, weshalb dieser nachhakte: „Warum hast du nichts gesagt, Odo? Warum hast du uns im Dunkeln gelassen?"

„Mein Hauptmann hat es mir befohlen."

„Hat er gesagt warum?"

„Ich habe nicht gefragt."

Mehr hatte Odo nicht zu sagen. Die salzigen Wassertropfen rannen aus seinem, sich mittlerweile wieder leicht rötlich verfärbenden, Bart, als er sich aufrichtete und, ein leises Lied pfeifend, zurück ans Ufer watete. Ihre echten Haarfarben drängten sich mittlerweile wieder, unter dem schwarzen Überzug, zurück ans Licht und das Meerwasser tat sein Übriges diesen Teil ihres ‚namunschen Aussehens' verblassen zu lassen.

Die wenigen Fischer, die noch nicht mit ihren Booten abgelegt hatten, beäugten die fünf Männer, die nicht so recht in den Krabbenpol passten, wohl auch aus diesem Grund mit aufmerksamen, wie missmutigen Mienen.

„Ob Odo uns auch ersäufen würde, wenn sein Hauptmann es ihm befiehlt?", knurrte Jullen ihm leise zu. Wie sein Freund da im Wasser trieb, wirkte er immer noch schwach und trotz seiner dunklen Sonnenbräune, erschien er blass und vor allem kränklich.

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