45 - Die Kinder (3)

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„Die Verräter strömen durch die Straßen, um Euch und Eure loyal ergebenen Diener zu töten", erklärte ihm Alvion, seinen Säbel, jederzeit zum Kampf bereit, fest umklammert. Man hatte in kürzester Zeit Barrikaden aus Holz und Stein und Gerümpel errichtet, so hoch wie Häuser und in ihnen hatten sie Scharten für Speere gelassen. Auf den Dächern waren Bogenschützen platziert worden und in den umliegenden Häusern versteckten sich weitere Soldaten. Die Straßen hatten sich rot eingefärbt, vom Blut toter Krähen und Füchse, doch fanden sich auch vereinzelte Leichen von Schwertern der Mutter darunter. Pfeile hatten die Toten durchlöchert, Schwerter sie aufgeschlitzt. Die leblosen Körper von Freund und Feind hatte man ebenfalls zu Wällen aufgetürmt, um das Vorrücken der gegnerischen Truppen zu erschweren.

„Hurion scheint wirklich entschlossen, bis zum letzten Mann zu kämpfen, selbst wenn er dann nichts mehr von all den Münzen hat", dachte Terek und musste beinahe lachen. Warum wusste er selbst nicht so genau. Einer der Verteidiger hatte sie erspäht und winkte sie energisch herbei. Sie betraten gemeinsam das kleine, verlassene Gebäude an der Straßenecke. In dem kleinen Räumchen im Eingangsbereich lauerten drei weitere Kämpfer, zwei Söldner und ein leicht verwundeter Mann Hernaks, der einen frischen Tuchverband am linken Unterarm trug. Sie staunten nicht schlecht, als sie einen Blick auf den Hohepriester werfen durften, sagten jedoch kein Wort. Auf dem, mit Stroh bedeckten, Boden standen noch drei halbvolle Holzschalen, gefüllt mit Früchten und Nüssen. Nicht einmal für ihre Mahlzeit war den ehemaligen Bewohnern noch Zeit geblieben.

Man führte sie in einen kleinen Hinterhof, wo man Leitern aufgestellt hatte, um über die Dächer der angrenzenden, leeren Stallungen in die blockierte Hyänengasse zu gelangen. Lose verstreut, teilweise zu kleinen Haufen aufgeschichtet, lagen Pfeile, Speere, Schwerter, Harnische und Halbhelme, Säcke mit Nahrung und Getreide, sowie Stoff und Tuch in dem Hof verstreut. Man hatte auf die Schnelle wohl alles zusammengetragen, was irgendwie möglich gewesen war. Terek erkannte einige Dienerinnen der Mutter, die sich hier um Verwundete kümmerten. Unter ihnen erkannte er auch Habiba mit ihren kurzen, schwarzen Haaren, in schmutziges rosa Tuch gehüllt, unter dem ihre dunkle Haut noch besser zum Vorschein kam. Als sie Terek erspähte, kam sie, schnellen Schrittes, auf ihn zu und schlug ihn unvermittelt mit der flachen Hand auf die linke Wange. Sofort waren Chadil und Sym zur Stelle, um die aufgebrachte Frau von dem Hohepriester wegzuzerren.

„Das ist Euer Krieg", fauchte sie ihm entgegen. In ihren Augen blitzte Zorn.

„Ihr habt uns alle hier eingesperrt und dem Feind die Tore geöffnet. Ihr habt Emorhor in ein Schlachthaus verwandelt. Dafür sollt Ihr in der Hölle des Vaters brennen. Lasst mich los!"

Habiba riss sich von den beiden Schwertern der Mutter los, warf dem Hohepriester einen verachtenden Blick zu, spuckte aus, wandte sich ab und widmete sich erneut dem Verband eines verwundeten Söldners.

Die Blicke der anderen Männer und Frauen in der Enge des Hinterhofs, Verwundete, Schutzsuchende, Diener der Mutter und Krieger, sie alle ruhten auf Terek, doch niemand sonst sprach auch nur ein Wort. Der Hohepriester erkannte ihr Schweigen als Zustimmung. Er hatte ihren Zorn verdient. Selbst wenn er tat, was er nun zu tun gedachte, würde dies nichts ändern. Aber es ging hier auch nicht um seine Person.

„Wartet hier, Eure Erhabenheit, ich hole Meister Hurion", sprach Alvion und erklomm eine der Leitern, ging einige Schritte über das Dach der leerstehenden Stallungen und blieb, den Blick gen Oststadt gerichtet, wie versteinert stehen.
„Feind, Feind", schrien die Bogenschützen beinahe im Chor, legten ihre Pfeile auf und schossen hektisch in die Ferne.

Ein langgezogenes, gebrülltes „Aaaaachtung", erschallte und gerade als Enis und Sym, sowie weitere Männer, ebenfalls die Leitern erklimmen wollten, begann es zu regnen. Pfeile. Es regnete brennende Pfeile auf sie hernieder und sie schlugen unbarmherzig und tödlich, um Terek herum, ein. Sym stürzte, getroffen in der Schulter, von der Leiter und riss den nachfolgenden Enis mit sich. Einer der Bogenschützen stürzte vom Dach und landete in einem Haufen Stroh, welcher sofort Feuer fing. Ein weiterer Mann Hurions wurde am Oberschenkel getroffen, ein anderer zwischen die Schulterblätter. Einer Dienerin der Mutter bohrte sich der Pfeil in den Bauch, da sie rücklings auf ihren Hintern gefallen war. Ein Geschoss war, der Mutter sei Dank, nur etwa eine Handbreit neben Tereks rechtem Fuß gelandet. Als er sich panisch umdrehte, erblickte er, den zusammengesunkenen Chadil neben sich. Unter ihm breitete sich eine Blutlache aus.

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