16 - Maus aus den Gassen (3)

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Während ein junger Mann gerade Dis Kelch mit Apfelsaft befüllte, schob sich eine riesenhafte Gestalt an ihm vorbei und ein ebenso gewaltiger Hintern plumpste neben Gunnet Bohns nieder, sodass ihre Bank wackelte. Die monströse Frau, zu welcher der Hintern gehörte, war in Begleitung von Gurravo Shrink erschienen. Sie hatte noch kein Wort gesprochen, da erkannte der alte Mann sie bereits und knurrte mit unerfreut klingender Stimme: „Eine Mischung aus Rosenwasser und Verderbtheit. Ich bin froh, dass ich dich nur noch riechen muss, Almuth."

„Du solltest froh sein, dass du dein Spiegelbild nicht mehr sehen musst. Du würdest erschrocken zurückweichen, ob dieser hässlichen, faltigen Gestalt, die du geworden bist, mein Guter", trug die Riesin mit tiefer, brummender Stimme vor.

Zu Dis Überraschung fielen sich die beiden, nach kurzer Pause, lachend in die Arme.

Bis zu diesem Zeitpunkt war er der festen Überzeugung gewesen, dass Gunnet Bohns zu einem derartigen Gefühlsausbruch gar nicht in der Lage sei, doch da schien er sich wohl getäuscht zu haben.

„Almuth Stein, die tödlichsten Titten Venuas", lachte der Blinde. Und während besagte Almuth dem alten Bekannten während ihrer Umarmung mehrfach über den Rücken strich, bemerkte Di erst ihre beinahe tellergroßen Hände.

Ihr Erscheinungsbild entsprach nicht gerade dem, was man als ansehnlich, oder auch nur im Entferntesten als weiblich betiteln würde.

Ihr Lachen offenbarte ihre schiefen Zähne. Die kleinen, engstehenden Augen hätten genauso gut zu einem Schwein gehören können, während über ihnen beinahe borstig erscheinende, dichte blonde Augenbrauen thronten. Ihr Kinn war fleischig und rund, mit einem weiteren Kinn darunter, ihre Pausbacken so rot, wie ein Apfel und über ihren wulstigen Lippen schimmerte, wie Pfirsichflaum, ein kaum sichtbarer Schnauzbart. Ihre großen Ohren verdeckten zwei geflochtene Zöpfe, die so dick wie Taue waren. Almuth Stein war nicht nur größer, sondern auch breiter, als die beiden Männer am Tisch. In ihrem braunen Wams hätten Shrink und Bohns wohl problemlos zusammen Platz gefunden.

„Wie kann es sein, dass du nicht alterst, Almuth? Du scheinst noch immer in der Lage mir sämtliche Knochen zu brechen", scherzte Bohns, hinsichtlich ihrer Umarmung.

Die große Frau hatte mittlerweile wieder von ihm abgelassen und zog sich ihr Wams zurecht, welches über ihren Bauchansatz gerutscht war und kurz ihren bleichen Wanst entblößt zeigte.

„Jeder Halbling könnte deine morschen Knochen brechen, mein Guter. Im Gegensatz zu dir, sitze ich auch nicht den ganzen Tag auf meinem Arsch, sondern bewege meine Knochen. Deswegen bist du gefühlte hundert Jahre älter als ich, obwohl es in Wahrheit nur um die Dreißig sein können. Anstatt auf einen gnädigen Tod, freue ich mich noch auf die neuen Aufgaben, die da kommen. Wenn etwa endlich die Kaserne in Willenfurt steht, wird es mir ein Vergnügen sein den jungen Burschen dort das Kämpfen beizubringen."

Der letzte Satz ließ Di aufhorchen. Eine Frau, die mit dem Schwert kämpfte? Das klang beinahe schon etwas verrückt. Sicher, sie war da keineswegs die Einzige ihrer Art.

Die Berühmteste unter ihnen, die Jungfrau Nara, musste niemand mehr erwähnen, aber auch unter die roten Rebellen, die sich größtenteils aus Bauernvolk zusammensetzten, hatten sich einige Kämpferinnen gemischt, auch wenn sie in den Geschichten, wie auch die allermeisten Männer, namenlos blieben. Ihnen allen blieb eine Gemeinsamkeit. Sie alle hatten erst aus einer Not heraus zur Waffe gegriffen. Almuth Stein nicht. Welch eine ungewöhnliche Frau.

„Wird dich Millot denn von seiner Seite weichen lassen?", fragte Gurravo Shrink, der sich zu Steins Linker niedergelassen hatte.

„Was gibt es denn für ihn schon zu fürchten? Selbst ohne mich, hat er ja immer noch den guten, alten Ludvek als Leibwache. Außerdem ja noch seinen ältesten Sohn. Oh, Palu ist ein Prachtbursche, der beste Schwertkämpfer und zugleich der intelligenteste Junge seines Alters, der mir je untergekommen ist. Er hat ihn erstmals als seinen Stellvertreter an der Furt zurückgelassen. Ich freue mich auf seine Zeit als das Schwert der Regentin."

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt