34 - Die hölzerne Krone (1)

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Nach außen ließ sie sämtliche der neugierigen Blicke an sich abperlen. Sie würde ihnen nicht gestatten, sie zu verletzen. Nicht nach alldem, was sie bereits hatte ertragen müssen.

Die ersten fünfzehn Schritte war sie noch auf ihren eigenen Füßen gegangen, dann musste Boko sie auch schon wieder in die Höhe hieven, sie wie ein Kleinkind auf seinen Schultern platzieren, noch lange bevor sie beide die Palisaden ihrer Siedlung hinter sich lassen konnten.

Wenngleich ihr Tastsinn bislang nur in ihre Finger und Zehenspitzen zurückgekehrt war, glaubte sie doch zu spüren, wie sehnig und hart, ja wie unbequem, ihr Sitz hinter dem Kopf des Kaymo doch war.

Und doch musste sie lächeln. Sie spürte, wie sich ihre Lippen verformten und ihre Mundwinkel nach oben wanderten. Wie dämlich musste das nur aussehen, wie sie da grinsend hin und her schwankte?

Suki trug für den anstehenden Anlass keine festliche Kleidung. Zwar hatte ihre Tante Aneka das Gewand aus der roten Karmiry gewaschen und geflickt, mittlerweile jedoch war kaum noch etwas an ihr dran und so würde Suki in dem Stoff wohl aussehen, wie ein junges Mädchen, welches aus Neugierde in die schöne Kleidung seiner Mutter geschlüpft war, um sich ein wenig besser vorstellen zu können, wie es wohl sein würde, endlich erwachsen und ebenso schön zu sein.

Vielleicht sogar so schön, wie die echte Karmiry. Nur auf einen Zuma verzichtete letztlich dann doch eine jede gerne. Wer wollte auch schon für seine Schönheit sterben müssen?

Man hatte einen breiten Durchgang in das dichte Dickicht aus Zweigen und Dornen geschlagen, welches normalerweise den direkten Weg zu den grasbewachsenen Hügeln erschwerte. Ihrem Vater wäre derartiges niemals in den Sinn gekommen. Er pflegte zu sagen, dass man sich immer nur den Raum nehmen dürfe, den man auch benötige. Einige hundert eingesparte Schritte benötigte zwar kaum jemand, doch längst war ihr Onkel zum Oberhaupt der Buranier gewählt worden. Und der scherte sich weniger um solcherlei „Kleinigkeiten", wie er es wohl bezeichnen würde.

Auch wenn sie mittlerweile kaum mehr so schwer sein mochte, wie noch vor ihrem verheerenden Mahl, so durfte es dennoch ziemlich anstrengend für Boko sein, sie die endlosen Steigungen, die braunen Hügel hinauf, zu schleppen. Doch wie immer, ließ sich der Kaymo nichts anmerken. Nicht einmal ein angestrengter Schnaufer entwich seinem Mund. Nach einiger Weile schon erkannte sie die ersten Grasbüschel auf ihren Wegen und schon bald sollten die vereinzelt, grün gesprenkelten Flecken zu ihren Füßen durchgehend saftigen Wiesen weichen.

Sie waren am Ziel angekommen. Aus den anderen Siedlungen waren bereits zahlreiche Männer und Frauen, sowie deren Kinder erschienen, während ihre eigenen Leute erst nach und nach eintrafen.

Weitaus mehr Menschen, als bei der letzten, kurzfristig anberaumten, großen Verkündung ihres Vaters anwesend waren, wie sie bemerkte. Und da waren es schon viele gewesen.

Ein Großteil der fremden Buranier hatte bereits hier geruht und geschlafen, worauf die provisorisch errichteten Wäscheleinen, die kleinen Feuerstellen, die geflochtenen, mit Proviant befüllten Körbe und die ausgebreiteten Felldecken hinwiesen. Viele von ihnen mussten lange Wege zurücklegen, die selbst die härtesten Männer unterwegs zu mehreren Rasten zwangen. Viele der Fremden konnte Suki sofort richtig einordnen.

Da waren die mit Schmuck aus Tierknochen behangenen Bewohner des alten Bettes, die sich in großen Kreisen eingefunden hatten, wo sie angeregt miteinander erzählten und lachten und wo sie in ihrer Mitte zu ihrer eigenen Belustigung irrwitzig anmutende Tänze aufführten, welche nur noch mehr Gelächter hervorbrachten. Sie waren diejenigen von Außerhalb, die den kürzesten Weg hierher zu gehen hatten.

Zu ihnen hatten sich auch die gefleckten Felsenbewohner gesellt, denen man für gewöhnlich nachsagte, dass sie des Lachens gar nicht fähig wären. Angesichts ihrer, offensichtlich durch die Tänze ausgelösten, Erheiterung sollte sich diese Behauptung jedoch als unwahr herausstellen.

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