20 - Der Mann in Lumpen (3)

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Und da traute er plötzlich seinen Augen nicht, als er diesen einen Mann mit dem strohblonden Bart-, und Haupthaar erspähte, der sich hinter nahegelegenen, mannshoch aufgetürmten und halb verrotteten Holzfässern vor den Soldaten versteckte, welche damit begonnen hatten gnadenlos mit ihren Holzknüppeln auf die letzten verbliebenen, am Boden liegenden Teilnehmer des Tumults einzuschlagen, ohne dabei einen großen Unterschied zwischen Mann und Frau zu machen.

Rekard! Was machte ausgerechnet er hier?

Eines war klar: Wenn er Di hier erspähen sollte, würde er es dem alten Bohns erzählen und ihm damit vermutlich großen Ärger einhandeln. Auch wenn der blinde Gelehrte nie ausdrücklich verboten hatte, bestimmte Teile der Stadt zu betreten, so wollte Di dennoch nicht herausfinden, ob das, was sich ihm bisher hier geboten hatte, unter ‚verbotene Dinge' fallen würde.

Zu seinem Glück nahmen weder die Männer der Stadtwache, noch der in seinem Versteck hockende, äußerst amüsiert dreinschauende, Söldner von ihm Notiz, während er, übersät von Dreck, dort am Boden kauerte und hoffte, dass dieser Alptraum schnellstmöglich wieder vorübergehen würde.

Bald ließen die letzten sechs Männer von den wehrlosen Bürgern ab.

Ein kräftiger Kerl der Wache, leichter Bauchansatz, dichter Vollbart, trat nach einem der regungslosen Männer und erwischte ihn mit der Stiefelspitze am Hintern: „Verdammte Brut. Das wird euch lehren, eure Ohren nicht diesen Unruhestiftern zu leihen", brüllte er, während seine Kameraden lachend und feixend zusammenstanden und ihre Knüppel wieder zurücksteckten.

Di zitterte am ganzen Körper, wie er nun bemerkte.

Die Stadtwache erhält den städtischen Frieden, wusste er. Dass sie es auf diese Weise tat, schockierte ihn. Jammernd und winselnd ließen sie die armen Hunde zurück und trotteten gemächlich von dannen.

Rasch vergrub er sein Gesicht zwischen den Händen, als er Rekard aus seinem Versteck kriechen sah. Das berühmte, dümmliche Grinsen im Gesicht, stolzierte er durch die am Boden liegende Meute, drehte einen der abwesenden Männer mit dem Fuß auf den Rücken und löste dessen Gürtel vom Leib, den er kurzerhand an sich nahm und ihn sich selbst umschnallte. Di war erstaunt, wie unbekümmert er hierbei zur Sache ging.

Vorsichtig hielt Rekard Ausschau nach den Männern der Stadtwache und folgte anschließend demselben Weg, den auch sie gegangen waren.

Von der Neugierde getrieben, rappelte Di sich vom Boden hoch, klopfte sich den Schmutz, so gut es ging aus der Kleidung und nahm die Verfolgung auf.

Wie er durch Paky wusste, verbrachte Rekard seine freie Zeit am Liebsten in den Tavernen dieser Stadt. Berichte über eine Taverne hinter aufgetürmten Fässern waren ihm bislang noch nicht zu Ohren gekommen und, das war so sicher wie die Barmherzigkeit des einen Gottes, war er auch gerade eben nicht Zeuge der ersten Taverne hinter aufgetürmten Fässern geworden.

Zudem war Rekard wohl kaum hierhergekommen, um sich Worte über den einen Gott anzuhören. Sicher war er sogar zu dumm, um davon überhaupt auch nur Etwas zu verstehen. Wahrscheinlicher erschien es Di deshalb, dass er, ebenso wie er selbst, nur zufällig an jenem Ort zugegen gewesen war und eigentlich etwas ganz anderes zum Ziel hatte.

Stets genügend Abstand haltend, schlich er Rekard durch unzählige Gassen hinterher. Während der Söldner mit seinem Schwert am Gürtel baumelnd durch die Straßen spazierte, fiel Di auf, dass die Menschen am Straßenrand auffallend oft zur Seite oder zu Boden schauten, wenn er sie passierte.

Als Di allein unterwegs war, war das zuvor noch ganz anders gewesen, nun aber beachteten sie ihn weitaus weniger als noch zu Anfang.

Ein fröhliches Lied auf den Lippen, welches er jedoch genau so schrecklich dahersummte, wie man es von ihm erwarten würde, wirbelte Rekard hier um eine Ecke, zog dort durch eine enge Gasse hindurch und verfolgte stur den, ihm offenbar bestens bekannten, Weg.

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt