16 - Maus aus den Gassen (1)

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Paky kam nicht wieder zurück.

Seit dem Morgen, an dem er unter kuriosen Umständen verschwand, blieb er wie vom Erdboden verschluckt. Di war immer noch schockiert darüber, dass sein Freund dem alten Gunnet Bohns zuvor eine große Platzwunde an dessen Stirn verpasst hatte.

Zwar hatte weder Bohns, noch seine beiden Leibwachen Rekard und Mulwig je auch nur ein Wort über den genauen Ablauf des vermeintlichen Angriffs verloren, doch war es eindeutig, wem der alte Mann die Schuld für seine Verletzung in die Schuhe schob. Unmittelbar nach Dis Rückkehr vom Markt, als das Chaos noch ganz frisch war, hatte er Paky als einen „kahlköpfigen Hurensohn" bezeichnet.

Im Anschluss an jene Äußerung, die ihm wohl in seinem Ärger herausgerutscht war, erwähnte er seinen ehemaligen Burschen mit keiner Silbe mehr. Darauf angesprochen, erzählte er lediglich der Regentin und den anderen Männern aus ihrem Beraterstab, in ihrer großen Runde, dass er wieder nach einem zweiten Auge Ausschau halte, da erneut einer, dem Anschein nach, genug Geld in seinem armseligen Leben gescheffelt und anschließend das Weite gesucht habe. War dies die Wahrheit? Di konnte sich zumindest nicht vorstellen, dass sein Freund so etwas getan hätte. Sicher, Paky konnte den blinden Gelehrten nicht ausstehen, doch hatte er auch immer wieder Di gegenüber betont, dass er das Geld dringend für seine jüngeren Geschwister und seine kranke Mutter benötige.

Im Bezug auf den riesigen Verband an seinem Kopf, welcher Di dem alten Mann angelegt hatte und der eine unschöne Wunde verbarg, erklärte dieser nur, dass es ein Unfall gewesen sei, welcher aus eigener Überheblichkeit resultierte.

Auch wenn Bohns dies stets mit sauertöpfischer Miene vortrug, wann immer man ihn darauf ansprach, es war auf jeden Fall eine Lüge.

Paky hatte wenig besessen und doch alles, in seiner Eile, zurückgelassen. Di hatte dessen Besitztümer an Rekard aushändigen müssen, der damit, weiß der eine Gott was, anstellte. Ein löchriges, da von Motten angefressenes, Unterhemd, eine Baumwollunterhose, ein purpurfarbenes, zerfleddertes Taschentuch und einige, wenige Münzen, die er in einem Lederbeutel unter seinem Kopfkissen aufbewahrt hatte.

Die Münzen, zumindest die Münzen hätte er doch mitgenommen.

Je länger er darüber nachdachte, desto mehr glaubte Di auch daran, dass dies alles mit dem gestohlenen Brief zu tun haben musste.

Er hatte seinen Freund noch aufgefordert das Stück Pergament in den Saum von Bohns Mantel zurückzustecken, doch Paky formulierte stattdessen lieber offen seine Idee, sich den Inhalt des Briefes zu Nutze zu machen. Dabei wussten sie beide nicht einmal, was auf dem Fetzen geschrieben stand. Denn weder Paky, da des Lesens nicht mächtig, noch Di, der die fremde Schrift nicht zu entziffern vermochte, hatten eine Ahnung, was sie da überhaupt in Händen hielten. Womöglich war es wirklich nur ein harmloser, alter Liebesbrief, wie Di zuerst vermutet hatte. Mittlerweile war er sich da aber nicht mehr so sicher.

Dennoch würde er schweigen und weder den Brief, noch Pakys Verschwinden in irgendeiner Weise zum Gesprächsthema machen. Auf keinen Fall sollte man ihn verdächtigen, etwas davon gewusst zu haben.

Nachdem der kahlköpfige Bursche verschwunden war, wurde sein Alltag umgehend grauer. Ohne das Schandmaul seines liebgewonnenen Freundes, zogen sich die Tage in die Länge. Seine Tätigkeiten langweilten ihn sehr und Grund zum Lachen bestand rein gar nicht mehr.

Weder Rekard noch Mulwig ließen sich dazu herab, mit Di zu sprechen. Sein Geldgeber, noch immer mieser Laune, beschränkte sich nur auf seinen Befehlston, redete den ganzen Tag ohnehin genug mit Anderen. Das einzig Interessante, das er Di zu sagen hatte, war, dass dieser schon bald einen neuen Zimmergenossen bekomme, was ihn in seiner Arbeit auch wieder entlasten würde.

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt