45 - Die Kinder (2)

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Terek schreckte auf, wie sein Begleiter seinen Speer gegen eine Person richtete, die sich offenbar gerade auf der Treppe befand. Er vernahm eine Frauenstimme und befahl seinem Mann, den Speer hochzunehmen.

Sie erschien wie die aufgehende Sonne am Rande des Horizonts.

„Du blutest", sagte sie, als sie seine aufgescheuerten und rotverschmierten Fingerknöchel sah.

Er war außer Stande etwas zu erwidern.

„Was tust du hier, Terek?", wollte sie wissen, „Überall wird gekämpft. Sie haben sogar meinen Wachmann getötet. Weshalb stehen unsere Tore offen?"

Er ignorierte ihre Frage, ging stattdessen auf sie zu und nahm sie bei ihrer Hand: „Ich möchte mich bei dir entschuldigen."

Ihre Augen waren so schön, wie eh und je, selbst jetzt wo er die Skepsis in ihnen lesen konnte.

„Ich hätte mir die Fäuste blutig schlagen sollen, als sie starb. Ich hätte für dich da sein sollen, als die Stunde am schwärzesten war. Stattdessen habe ich mich unter dem Rock der Mutter versteckt, weil ich ein Feigling war und bin. Schwaches Fleisch, welches versuchte zu überspielen, zu vergessen."

M'Kelyas Augen begannen zu glitzern, wie helles, braunes Glas. Es waren Tränen.

Er nahm ihre andere Hand ebenfalls in die seine und drückte sie fest: „Ihr Name war Arany. Du hast ihn ihr gegeben."

M'Kelya weinte. Salzige Bahnen zogen sich über ihre staubigen Wangen.

„Komm mit mir", forderte er sie auf, „wir gehen fort von hier. Lass uns unsere letzten Tage gemeinsam verbringen. Liebe meines Lebens, begleite mich, wir verlassen diese Stadt."

„Ich habe Pflichten", hauchte sie mit zittriger Stimme, „Die Kinder. Wir haben die Kinder in einer verborgenen Unterkellerung in Sicherheit gebracht. Ich muss zu ihnen. Ich muss meine Pflicht erfüllen."

Sie entwand sich seinem Griff und wischte sich die Augen trocken.

„Ich konnte nichts für unser kleines Mädchen tun, so wenig wie du es konntest, aber ich kann meine anderen Kinder beschützen. Die Mutter hat uns damals entzweit, weil sie unterschiedliche Pfade für uns beide vorgesehen hatte."

„Wir verlassen diese Pfade. Gemeinsam", versuchte er sie umzustimmen. Er konnte die aufkeimende Verzweiflung in seiner eigenen Stimme vernehmen.

„Wo willst du überhaupt hin? Deine eigenen Kinder brauchen dich. Du musst kämpfen. Du musst deine Truppen aussenden."

Emorhor war verloren. Sie würden die Tore nicht wieder schließen können. Er hatte sie öffnen lassen. Er hatte die Schwarzträne zur Plünderung der Hauptstadt eingeladen, den Weg bereitet. Es gab nichts, was er jetzt noch tun konnte. Das konnte oder wollte er sich jedoch nicht eingestehen. Zumindest nicht vor ihr.

„Es gibt geheime Tunnel, welche die alten Sonnenkönige haben anlegen lassen. Sie führen aus der Stadt. Wenn du mit mir kommst..."

„Und was sollen wir tun, wenn wir Emorhor verlassen haben? In der Ödnis da draußen verenden? Während unsere Kinder hier sterben?"

„Sie führen uns weit weg von hier. Bitte", er ging vor ihr auf die Knie, „wenn dir unsere Liebe etwas bedeutet, begleite mich. Bitte, M'Kelya, bitte!"

Als er ihren Blick sah, da wusste er, er war verloren.

„Unsere Liebe bedeutete mir einst alles. Doch wer bin ich nun, dass ich meine Pflicht vergesse? Wer bist du, wenn du einfach davonläufst?", antwortete sie. Sie beugte sich zu ihm herunter und drückte ihm einen langen Kuss auf die Stirn.

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt