24 - Das Geschenk (1)

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Nicht ausschließlich verwundert, sondern auch von Scham erfüllt blickte er gen Boden. Er konnte ihre Entscheidung voll und ganz nachvollziehen, das sah sie ihm genau an. Halbherzig, da im Bewusstsein, dass sie ihren Beschluss nicht rückgängig machen würde, argumentierte er dagegen.

„Ich habe schon Eurem Vater treu und zu dessen vollster Zufriedenheit gedient", trug er mit brüchiger Stimme, ohne echte Überzeugung in seinem Tonfall, vor. Hatte er immerhin nicht Unrecht mit seiner Behauptung.

Tenth Barke war zum Hauptmann der Palastwache aufgestiegen, weil sein Vorgänger, der weiße Davek Burgos, aufgrund der Folgen eines Reitunfalls ums Leben kam und dessen designierter Nachfolger Frenk Schauer das Amt anschließend ablehnte.

Lena konnte sich an den stattlichen, ja durchaus ansehnlichen, Mann erinnern, welcher nach seinem feierlichen Antritt von Burgos' Nachfolge erhobenen Hauptes, mit seinem riesigen Schwert am Gürtel, durch den großen Ratssaal geschritten war, seinen roten Umhang hinter sich herwehend.

Als ambitionierter Bursche der Stadtwache, Schützling des hoch angesehenen Hauptmannes Girot Grauwasser, war er in die Palastwache aufgestiegen und hatte dort „seinen Weg gemacht", wie man so schön sagte.

In den folgenden zwölf Jahren seines Wirkens war aus dem respekteinflößenden Wachmann jedoch ein fleischgewordenes Fass auf Beinen geworden. Nicht umsonst lautete sein Spitzname, wenn auch hinter vorgehaltener Hand, ‚das wandelnde Bierfass'.

Hinzu kam, dass sich mittlerweile jede noch so kleine Anstrengung direkt in roter bis dunkelroter Farbe in seinem Gesicht niederschlug, was einen manchmal glatt den Eindruck gewinnen lassen könnte, der Hauptmann würde jeden Augenblick das Bewusstsein verlieren. Und das obwohl er sich heuer nur noch auf Wacheinteilungen und Auftritte bei großen Anlässen beschränkte.

Für ihn war es somit praktisch nicht möglich Fehler zu begehen. Dennoch hatte er nun doch gleich jenen großen Fehltritt hingelegt, welchen Lena nicht umhin kommen ließ, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Und endlich hatte sie auch den nötigen Mut dazu fassen können.

So war doch schließlich der Tod Perem Penthuys', verursacht durch einen vermeidbaren Unfall, der in Barkes Verantwortungsbereich fiel, der entscheidende Auslöser, der dessen Demission einleitete.

„Ihr habt meinem Vater und auch mir treu gedient, das sind wahre Worte, werter Barke, die niemand anzuzweifeln gedenkt", wählte sie genau die Formulierungen, die sie zuvor mit ihrem Berater Jessel Schooke und Kal Zigel besprochen und für angemessen, wie richtig befunden hatte.

„Für Eure Verdienste für die Palastwache der Hauptstadt sind wir Euch alle zu großem Dank verpflichtet. Doch die Zeiten ändern sich. Im Angesicht des drohenden Krieges, ist es meine Pflicht Entscheidungen für unser Venua zu treffen und diese sind mitnichten immer einfach und schon gar nicht für jedermann zufriedenstellend."

Da er ohnehin schon innerlich kapituliert zu haben schien, wie viel Wert legte er dann noch auf die Worte seiner Regentin?

Auch jetzt wieder rang er nach Luft, widerstand sichtbar der Versuchung sich auf der großen Tafel des Ratssaales abzustützen und bestärkte Lena somit nur in der Richtigkeit ihrer Entscheidung.

„Ich habe mich aber auch entschieden", fuhr sie fort, „Euch einem neuen Aufgabenbereich zuzuordnen. Durch die Desertation des Verräters Mendo Warigna benötigt die Stadtwache, auch angesichts der Masse an Rekruten, dringend kompetente Unterstützung und ich kann mir aktuell keinen kompetenteren Mann vorstellen, der sonst noch für diesen Posten infrage käme, außer Euch."

Die schmeichelnden Worte rangen Barke kein Lächeln ab. Er wusste schließlich, dass er nicht als neuer Hauptmann der Stadtwache fungieren, sondern Clewin Brock und Henslo Dreyman unterstellt sein würde, denn noch immer wählten die Hauptmänner ihre Brüder selbst aus. Die Rückkehr zu den Wurzeln seines militärischen Weges empfand er als genau das, was sich hinter den ausschmückenden Worten dann auch tatsächlich verbarg: Eine Degradierung.

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