22 - Der Heimkehrer (3)

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Als junger Bursche galt der Hafen für ihn als ein Tabu, wenn es draußen zu dunkeln anfing. Sein Vater kannte kein Erbarmen darin, stets zu wiederholen und zu betonen, welch zwielichtige Gestalten um diese Zeit aus ihren Löchern gekrochen kämen und das sein Junge in jener Gesellschaft nichts zu suchen habe.

Zwar galt das Wort seines Vaters mit den Jahren immer weniger, hielten sich jedoch insbesondere diese Vorträge immer in seinem Hinterkopf und riefen sich gerade dann wieder in Erinnerung, wenn sein Weg ihn dann doch einmal bei Dunkelheit in die Nähe der großen Schutzmauer führte. Selbst wenn er seinen alten Herren und dessen Ratschläge und Weisungen gekonnt ignorierte, gab es doch genug andere Menschen, die dieselben Worte sprachen, wie er es tat.

Vom wahren Kern des Spruches „Alle Toten sind gute Schwimmer" konnte man sich zu mancher Zeit beinahe täglich im rinkischen Morgengrauen überzeugen. Waren die Einen arme Trunkenbolde, deren Verderben unverhofft im Hafenbecken wartete, so gab es auch die armen Schweine, die mit verdächtigen Wunden an ihren toten Körpern oder gar auch mal mit fehlenden Körperteilen aus dem Wasser gefischt wurden.

Die feuchte Spur seiner triefenden Kleidung, welche Pat hinter sich her zog, vermischte sich mit den schmutzig-feuchten Rückständen anderer Gäste, die wohl ebenfalls vor der Nässe hierher geflüchtet waren. Während er auf dem Weg zum Tresen zu seiner Rechten eine Menge augenscheinlicher Seemänner sitzen sah, blickte er zu seiner Linken in johlende Menschentrauben, die sich um zwei Personen versammelt hatten, von denen die fröhliche Musik ausging, die Pat an die Ohren drang. Ein junger Mann, der auf einer hölzernen Flöte musizierte und seine ebenso junge Begleiterin, die mit wunderschöner Stimme ihr heiteres Lied zum Besten gab.

Eine gesunge Erzählung über Ungeheuer, die in den dunklen Tiefen unter den Wassern lebten und dort auf unvorsichtige Seefahrer lauerten, um diese in ihr Unterwasserreich zu holen.

Die mutmaßliche Chefin des Hauses, ein kleines, aber schrankbreites Weibsbild deutete, noch bevor er diese ansprechen konnte, auf einen kleinen Tisch inmitten der wenig vertrauenserweckenden Gestalten zu Pats Rechten und forderte ihn auf seinen „verdammten Arsch" dort niederzupflanzen. Einer ihrer Jungs würde sich gleich um ihn kümmern und er solle gar nicht erst daran denken, ihr mit seinen Spinnereien von hoher See die Ohren zu befüllen.

Er hätte es durchaus als Beleidigung verstehen können, dass man ihn als einen dieser stinkenden Seemänner ansah, dann erinnerte er sich erst wieder daran, wie er wohl gerade aussehen musste, in seiner triefenden Kluft.

So bahnte er sich seinen Weg zu dem verwaisten Tischchen, musterte dabei argwöhnisch die umhersitzenden Männer, die nur vereinzelt daran interessiert waren, einen kurzen Blick auf ihn zu erhaschen. Die Meisten von ihnen waren schlichtweg zu betrunken um auch nur ihren Kopf anzuheben, wenn es sie denn überhaupt noch kümmerte, wer da an ihnen vorbeischlüpfte.

Pat hasste es, wenn er andere Menschen im Rücken sitzen hatte, denen er nicht trauen konnte. Es ließ sich jedoch kaum vermeiden, schließlich zog es ihn nicht wirklich noch einmal hinaus in den Regen, um sich eine weniger vollbesetzte Taverne auszusuchen. Wenn es diese überhaupt gab.

Niemand konnte und wollte bei einem solchen Wetter zur See hinausfahren und zog stattdessen eine warme, trockene Stube vor. Wenn einem dazu noch Bier, ein warmes Essen und auch noch Musik und Gesang geboten wurde, gab es erst recht keine Alternativen.

Sein Gepäck, welches er von der Satteltasche seines Pferdes in einen Sack umgepackt hatte, stellte er vor sich auf dem Boden ab und klemmte es zwischen seinen beiden Stiefeln fest. Den triefenden Kapuzenmantel hängte er über seine Stuhllehne, das Schwert und den Beutel mit dem Geld, beides am Gürtel angebracht, presste er unterdessen fest an seinen Körper. Der Gedanke von diesem ihn umringenden Gesindel bestohlen zu werden, bereite ihm wenig Freude.

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt