06 - Hinter schwarzen Mauern (2)

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Der wertvolle Besitz, den er gestohlen hatte. Das wäre die ganze Wahrheit gewesen. Joran Mohor hatte das Schwert seinem Sohn Tore vermacht. Selbst wenn sein Vater nicht mehr wäre, so hieße der rechtmäßige Besitzer der Klinge doch jetzt nicht mehr Pat, sondern Mak. Er hatte seines Bruders künftiges Schwert gestohlen.

Mak würde es niemals brauchen, hatte er sich tagelang eingeredet, als er auf Kunes Ladefläche gelegen und, zwischen dessen Monologen, die Zeit zum Nachdenken fand.

Mak war zehn Jahre alt und jetzt schon schlauer, da wissbegieriger, als sein großer Bruder in jenem Alter. Mak Mohor würde das Küferhandwerk ausüben, sich möglicherweise einen ebenso großen Namen machen und das Schwert seines Großvaters dabei weiterhin über dem Kamin hängen und Staub ansetzen lassen. Solange es ihn glücklich macht, solle er tun, was immer er wolle. Pat konnte nicht anders, als Mak nur alles Glück dieser Welt zu wünschen. Joran Mohors Schwert würde er dafür jedoch nicht benötigen.

„Hellman Karth ist nicht mein Großvater, Ben. Mein Großvater starb, bevor ich geboren wurde."

„Genug jetzt", verschaffte sich Lukwan Grauwasser nun wieder Gehör, „halte dein Schwert in Ehren, Pat Mohor, irgendwann wirst du es vielleicht für den Kampf benötigen. Nun aber sind euer aller Schwerter aus Holz und der echte Kampf fern. Wir machen weiter."

Das nächste Duell, welches er austragen ließ, fand zwischen Ben, den Grauwasser nur noch ‚Holzfäller' nannte und einem anderen, schmächtigen Kerlchen namens Marton Lommel statt, ebenfalls ein Rotschopf, jedoch mit schulterlanger, zotteliger Mähne. Müde dreinblickend, mit dunklen Augenringen, überließ er Ben den ersten Angriff, der laut scheppernd auf des Gegners Schild aufkrachte. Marton war ein vorsichtigerer Kämpfer als Bocus, parierte sämtliche Hiebe und befand sich, trotz seines träge wirkenden Äußeren, ständig in Bewegung. Ben, der tatsächlich wie ein Holzfäller agierte und seinen Gegner wohl mit einer Tanne zu verwechseln schien, wurde hingegen schnell müde, seine Bewegungen schwerfälliger. Zwar führte er seine Schläge noch immer mit einer brutalen Kraft aus, doch konnte er seinem wendigen Gegner nur noch mühsam folgen. Und da, als sein letzter Schlag schließlich ins Leere sauste, konnte Marton, nach einer raschen Drehung nach rechts, zum Schlag in Bens Rücken ausholen und traf.

Trotz seiner Niederlage, schien der Hüne jedoch Gefallen an seinem kleinen Übungskampf gefunden zu haben, lächelte er doch freudig und reichte dem Sieger gar die riesige Hand.

Als nächstes durfte der kleine Tesso in ihre Mitte treten. Als dessen Kontrahent wählte Grauwasser einen gewissen Gan. Ein schmächtiger, hellhäutiger Bursche, der beinahe etwas schüchtern wirkte, als er sein Schwert halbherzig anhob, um dem kleineren und jüngeren Tesso gegenüberzutreten.

„Los, Hüpfer. Jetzt haben wir endlich einen Kämpfer von deinem Format. Brust raus, Schild hoch", rief ihm der Ausbilder zu. Tesso war ebenfalls ohne jede Körperspannung in ihren Kreis getreten, doch angesichts seines Gegenübers, hatte sich sein Blick in Entschlossenheit gewandelt.

Nach kurzem, wie beidseitigem Verharren in der Defensive, war es schließlich Tesso, der sich hinter seinem Schild hervorwagte und seine Schwertspitze gegen Gans Schild stieß, welcher ängstlich zurückwich. Der kleine Welpe, wie Ben ihn nannte, führte sein Schwert tatsächlich wie einen Stock, als wäre er wieder in einem der Spiele seiner jüngeren Jahre und sein Gegner das ängstliche Kind, welches diese unerklärliche Angst vor blauen Flecken und aufgeschürfter Haut hatte und deshalb am liebsten nur den Zuschauer mimte. Tesso drängte Gan, unter Schwertstreichen, durch die ihre Reihen hinaus, bis dieser schließlich, gewollt oder ungewollt, zu Boden ging und sich ergab, was ihm einige Lacher, unter anderem auch von Temu und Ruker bescherte.

Grauwasser seufzte, fuhr sich genervt mit der rechten Hand durchs Gesicht und half dem Jungen wieder auf die Beine: „Hoch mit dir, Hüpfer. Wenn du nicht bald lernst, dein Schwert nicht nur festzuhalten, sondern es auch zu benutzen, dann habe ich hier keine Verwendung für dich."

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt