13 - Blut des Kayken (2)

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Da fiel ihr ein, dass ihr Onkel davon erzählt hatte, dass, auf Befehl der Kaysus hin, alle Händler der Erdenläufer festgehalten werden sollen, um diesen eben jene Wahrheit zu entlocken, die sie noch nicht kannten. Suki zweifelte jedoch daran, dass eine solche Aktion zum Erfolg führen würde.

„Weißt du davon, ob irgendwo Erdenläufer festgehalten werden?"

Boko nickte sofort: „Die Tesekov haben einen gewissen Wenkat oder Wenkot gefangen genommen. Bislang haben sie aber noch nichts aus ihm herausholen können."

Suki seufzte laut und ließ sich auf einer, auf dem Boden ausgebreiteten, Decke nieder. Manchmal wirkte Boko auf sie, als würde er nie etwas hinterfragen. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass ihn noch nie das ausgezeichnet hatte, was in seinem Kopf war, sondern nur die Kraft in seinen Armen und Beinen sowie den Mut und die Loyalität in seinem Herzen.

„Natürlich wird er nichts sagen. Eben weil er nichts weiß. Es ist dumm, alle Erdenläufer unter Verdacht zu stellen."

Boko hatte ihr aufmerksam zugehört, zuckte allerdings auf ihre Worte hin nur mit den Schultern: „Wie sonst sollen wir die Wahrheit erfahren?"

„Indem wir damit beginnen, herauszufinden, wer der Mörder meines Vaters war, anstatt Unbeteiligte zu verhören", gab Suki zurück und hatte sich währenddessen wieder auf ihre Beine erhoben. Die Schmerzen in ihrem linken Fuß, den sie sich bei Bokos Rettungstat verdreht hatte, spürte sie kaum noch. Vielmehr spürte sie Entschlossenheit in sich. Sie würde sich selbst ein Bild von der Leiche des Mörders machen. Wem stand dieses Recht eher zu, als ihr, der Tochter des Ermordeten?

„Wenn die Erdenläufer nicht in die Tat verwickelt waren, weshalb haben sie dann meine Männer umgebracht?", entfuhr es Boko. In seiner Stimme schwang dezent eine Mischung aus Wut und Trauer mit.

„Das beweist keinen Zusammenhang", war die Antwort Sukis hierauf. Sie wusste, dass es widersprüchliche Augenzeugenberichte gab. Sie konnte sich jedoch nicht vorstellen, aus welchem Grund die treuen Männer Bokos auf die Erdenläufer hätten losgehen sollen, aber auch andersrum erschien es ihr absurd. Weshalb sollten die beiden bewaffneten Begleiter des Kal-Händlers ausgerechnet diejenigen töten, zu deren Schutz sie ursprünglich zu sorgen hatten? Das machte keinen Sinn. Ebenso wenig konnte sie einen Zusammenhang mit dem Mord an ihrem Vater herstellen. Um dies zu klären, musste man ihrer Meinung nach, die Identität des Mörders ihres Vaters aufdecken, da dies wohl das größte Fragezeichen in diesem undurchsichtigen Gewirr darstellte. Die Existenz eines Buraniers, den niemand zu kennen schien, hielt sie für lächerlich. Er könnte auch einfach aus einer der anderen Siedlungen stammen.

Boko folgte ihr nach draußen und lief die ersten paar Meter hinter ihr her. Erst als Suki ihn darauf hinwies, dass es ihr lieber wäre, er würde neben ihr laufen, löste er sich wieder aus seiner jahrelang gewohnten Rolle als Kaymo und begab sich an Sukis Seite. Er wirkte unsicher, ja beinahe verkrampft dabei, was Suki ein Lächeln auf die Lippen zauberte. Es würde dem alten Mann schwer fallen seine neue Rolle mit Sukis Lockerheit zu vereinbaren. Aber war es nicht ihr Vater, der ihr immer wieder gepredigt hatte, dass man nie aufhören sollte sich neuen Erfahrungen zu stellen?

Vater. Auch er war mit hoher Wahrscheinlichkeit gerade höchst amüsiert über Bokos Verhalten, sofern er ihnen denn gerade aus dem Nebel heraus zusah. Doch dürfte ihm sicherlich nicht entgangen sein, welche Pläne sein kleiner Bruder verfolgte. Wie er wohl darüber dachte? Ob er es für genauso falsch und verwerflich hielt, wie seine Tochter?

Suki bemerkte wieder den Gestank. Abstoßender, beißender Geruch, der sich vom großen Platz aus in alle Richtungen ausbreitete, setzte sich regelrecht in ihrer Nase fest und trieb ihr vereinzelt Tränen in die Augen. Der Tod stank außerhalb ihres Zuhauses noch viel schlimmer.

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