25 - Welke Blüten (2)

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„Ich sehe, Ihr habt keine Mühen gescheut um die bestmögliche Verteidigung unserer Stadt zu gewährleisten", lobte Terek, ohne dabei allzu überschwänglich zu klingen.

Ihm gefiel, was er sah, doch niemand sollte deshalb nachlässig werden. Zuviel Stolz und Selbstzufriedenheit strahlten die beiden Männer vor ihm aus.

„Es ist richtig, dass wir unser Haupt erheben, anstatt es zu senken", fügte Terek an, „doch der Grund hierfür darf nicht Hochmut sein. Es steht jedem frei, Verachtung für den Feind zu haben, aber ich fordere dennoch Respekt vor ihm ein. Wenn wir die Bedrohung nicht ernstnehmen, uns voreilig in Fantasien eines Sieges flüchten, werden wir diesen Krieg verlieren. Wir müssen daher noch besser werden."

Während Hernak nur nickte und offenbar mit Tereks Darstellung konform ging, konnte Yilbert nicht verbergen, dass er mit einer anderen Erwartungshaltung an diese Sache herangegangen war und sich demnach auch ein anderes Fazit erhofft hatte.

So gerne er ihnen etwas anderes erzählt hätte, es würde nicht genug sein, wenn sie nicht noch mehr unternahmen, um Emorhor vor Schwarzträne zu schützen.

Vier seiner treuen Wachen begleiteten ihn bei seinem Weg zurück in den kühlen Schatten der Pyramide. Seit seiner letzten Unterhaltung mit Herzfresser, bewegte er sich nicht mehr alleine durch die Stadt. Alles, tief in ihm drinnen, sträubte sich gegen seine Eskorte, die mit Doppelspeer bewaffnet, stumm an seiner Seite marschierte. Es war das Eingeständnis, dass er sich alleine nicht mehr sicher fühlte. Er war es gewesen, der den Blutkrähen die Tore geöffnet hatte, der sie zum Schutze aller Bürger Emorhors in die Stadt holte. Und nun waren es leise Bedenken, die ihn peinigten. Eher konnte man es als ein kleines, unheilvolles Pflänzchen bezeichnen, welches aus einer dunklen Ecke heraus den Weg ins Licht suchte, wo der Glaube daran, das richtige getan zu haben, allgegenwärtig war.

Seine Überzeugung, den richtigen Pfad zu beschreiten, den die Mutter ihm aufgezeigt hatte, duldete jedoch keine Bedenken. Und dennoch, da liefen sie im Gleichschritt, ihre Gesichter ausdruckslos, doch entschlossen, neben ihm her. Eine kurze Intervention und sie würden innehalten, ihn alleine weiterziehen lassen. Doch blieb diese aus.

Das letzte Mal, als er die Gedanken in seinem Kopf nicht geordnet bekam, führte sein Weg ihn zu einem alten Freund. Ob es ihm auch dieses Mal helfen würde, wieder klar zu sehen? Das ließe sich nur herausfinden, indem er diesen Freund erneut aufsuchte, erneut das Gespräch mit ihm anstrebte.

Auch wenn derartige Unterhaltungen mit den Jahren mehr und mehr von Zynismus durchtränkt waren, so galt Zetamyanku Mors'Daneku, genannt Zet, noch immer als einer der weisesten Köpfe Namuns, der ein Leben im Dienst der Mutter verbracht und Tereks Vorgänger Sande Hoers'Mosmumtu einst als rechte Hand gedient hatte.

Und selbst wenn es ihm keine neuen Erkenntnisse liefern sollte, so hätte er immerhin einem alten Freund einen Besuch abgestattet, den er in diesen komplizierten Zeiten zuletzt stark vernachlässigt hatte.

Das prunklose Armenhaus, eines von vielen in Emorhor, doch das einzige auf der östlichen Seite des Kaposiqis, strahlte bereits von Weitem eine pessimistische Aura aus. Das Elend aus dessen Inneren, bahnte sich auch seinen Weg auf die Straßen der Stadt, griff nach jedem, der sich ihm näherte, war am Ende glücklicherweise doch nicht stark genug irgendjemanden mit einem festen Griff zu packen und festzuhalten. Im Gegensatz zu jenem unsichtbaren Nebel des Schwermutes, war der Geruch, der aus dem Gebäude strömte jedoch greifbar, schließlich peinigte er sämtliche Nasen in die er einzudringen vermochte. Nicht wenige Menschen, die Terek in all den Jahren beobachten konnte, huschten hastig, die Lungen mit Luft vollgesaugt, an dem Armenhaus vorbei, um ja nicht mit seinen Ausdünstungen in Berührung zu geraten. Terek hingegen empfand keinerlei Ekel. Wieso sollte er auch? Die Mutter, die Schöpferin, hatte alle ihre Kinder gleich erschaffen. Wenn sie gewollt hätte, dass es keine Gebrechen des Alters, keine Krankheiten und keinen Tod gäbe, wenn sie nicht allesamt gleichermaßen verwelken würden, wie auch die Früchte und die Blumen, so wäre ihr Schoß heute leer und ihre Welt überfüllt.

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