40 - Wölfe im Fuchspelz (1)

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Sie waren gerade aufgebrochen. Die Sonne berührte erst leicht den Horizont, da kam ihre Kolonne auch schon wieder zum Stehen. Jullen war aus dem Sattel auf die dreckige Straße gefallen. Die Wunde an seinem Arm begann erneut zu bluten, wie sich an dem, sich stark verfärbenden, Tuchverband deutlich zeigte. Pferd kam Pat sogleich zur Hilfe und auch Odo war von seinem dürren Wüstengaul abgestiegen, um nach dem Rechten zu sehen.

„Es kann nicht sein, dass es immer noch blutet", schimpfte Pat, auch wenn er wusste, dass er seinem Freund deswegen keinen Vorwurf machen konnte. Jullen war so blass im Gesicht, das man annehmen konnte, er sei schwer krank.

„Es geht schon, ich war nur kurz nicht bei der Sache", versuchte er seinen offensichtlich schlechten Zustand zu verschleiern.

„Du kannst nicht wieder auf das Pferd steigen, Jullen", appellierte Pat an dessen Vernunft.

„Wir sollten die Wunde ausbrennen", merkte Odo an.

„Du kannst dir deinen Arsch ausbrennen, Odo", reagierte Jullen erneut gereizt auf jenen Vorschlag, während er sich, von Pat und Pferd gestützt, wieder aufrappelte.

„Wir haben sie ausgewaschen. Es geht schon wieder", fügte er an, während er mit schmerzverzerrtem Gesicht versuchte sich mithilfe des verwundeten Armes aufzurichten.

Laut fluchend kam in einer Staubwolke der Kolonnenführer angaloppiert, um den Grund des unplanmäßigen Stillstands herauszufinden. Kohar, man nannte ihn auch den blauen Kohar, war ein Vetter des Hautptmannes der Wüstenfüchse und kein besonders geduldiger Mensch.

Seine vollständig blaue Haarpracht bestand aus etlichen kleinen Zöpfen, die wie blaue Tannenzapfen an seinem großen, breiten Kopf herunterhingen. Sein Barthaar hatte er kunstvoll in seine Kopfbehaarung verflochten. Manche mochten Kohar prächtig nennen. Pat hingegen hielt ihn für einen arroganten Köter, dessen scheußliches Haar ihm zudem eine außerordentliche Hässlichkeit verlieh.

Odo übersetzte sein Bellen so gut er konnte: „Er meint, dass wir ihn wieder auf sein Pferd setzen sollen, weil er ihn sonst ertränken würde in...in..."

„Im Kaposiqi", ergänzte Amwaldt, der von weiter vorne aus der Kolonne angeritten kam. Er deutete auf den Fluss, der sich in weiter Ferne um die großen Sandhügel schlängelte und sie, soviel wusste Pat mittlerweile, zur Hauptstadt Emorhor führen sollte.

„Ich glaube kaum, dass er sich dieses Mal auf seinem Klepper halten wird. Legt ihn auf einen der Wägen. Den da hinten."

Amwaldt deutete auf einen Ochsenkarren, auf dem ein alter ausgemergelter Mann saß, ein weiterer Freiwilliger. Amwaldt rief ihm einige Worte auf hündisch zu.

Bereitwillig stieg dieser anschließend von seinem Bock, um Platz auf seiner Ladefläche zu schaffen.

„Ich kann reiten, lasst mich bitte reiten", wehrte sich Jullen gegen die Unterbringung auf der Tragfläche des Ochsenkarrens.

Odo gab ihm etwas Wasser aus seinem Trinkschlauch und versuchte ihn zu beschwichtigen.

„Du hast Kohar gehört. Hier kannst du dich ausruhen, ein wenig schlafen. Es ist das Beste, das du jetzt tun kannst."

„Ich pisse auf Kohar und sein dreckiges Maul. Pat, bitte. Du weißt, dass ich reiten kann."

„Nicht in dem Zustand", merkte er an und legte Jullen die Hand auf die Schulter.

„Hör auf Odo und schlaf einfach, bevor ich es mir anders überlege und mich an deiner Stelle dort ausbreite. Ich habe nämlich keine Lust mir den Sack auf diesen knochigen Viechern wund zu reiten."

Endlich konnte Pat wieder ein Lächeln unter Jullens drahtigem Bart erkennen. Er willigte nun tatsächlich in seinen neuen Platz in ihrer Kolonne ein.

SchöpferzornWo Geschichten leben. Entdecke jetzt