Kapitel 3

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Mit einem leisen Wimmern, richtete sich Marian in eine sitzende Position auf. Ihr ganzer Körper schien zu schmerzen und doch war die nagende Angst in ihr deutlich schlimmer. Wie hatte sie so etwas Dummes nur tun können? Am ganzen Leibe zitternd spürte sie die Blicke aller auf sich. Nichts lieber hätte sie getan, als sich selber zu Ohrfeigen. Viel zu oft hatte sich ihr Vater schon darüber beschwert, dass sie unbedacht handelte, wenn die Wut in ihr brannte. Nun sah sie ein, dass er damit recht hatte. Eisern versuchte sie Ruhe zu bewahren, ehe sie zu Halvdan sah.
Doch kaum, dass sie ihn erblickt hatte, sah sie rasch wieder woanders hin. Der Ekel brachte sie zum Erschaudern, denn sie war zu ihrem Schrecken davon Zeuge geworden, wie er seinen 'Freund' in der Hose verstaute. Es war ein schwacher Trost zu erkennen, dass sie ihr Ziel erreicht und er das Interesse an seinem vorigen Opfer verloren hatte. Doch was würde nun mit ihr selbst geschehen? Sie würde gewiss nicht Unbestraft bleiben. Schwer musste Marian schlucken, ehe sie wieder zu Halvdan sah und seinem kühlen Blick begegnete. Er schien zu überlegen, was er nun mit ihr machen sollte. Ein unheimliches Lächeln formte seine Lippen, als er zu seinen Männern blickte, die ihn abwartend ansahen. In aller Ruhe ließ er sich dann auf den Thron nieder.
"Lehrt sie, welche Rolle sie in Zukunft für uns zu spielen hat", befahl er und den anderen Frauen im Saal entfuhr ein Schrei, als sich mehrere Männer gleichzeitig auf Marian stürzten. Sie hatte keine Chance. Die Männer schubsten sie zwischen sich hin und her, während ihre gierigen Hände an ihrem Kleid zerrten. Es konnte dem Ansturm nicht lange standhalten und riss zu einer Seite von unten, bis hinauf zu ihren Hüften ein. Marian schrie und schlug verzweifelt um sich, während die Männer weiter an ihrer Kleidung zogen. Sicher war sie sich, dass sie in wenigen Augenblicken geschändet und gedemütigt am Boden läge.
Doch im nächsten Moment flog die Tür zum Saal unter lautem Krachen auf und wer auch immer dort gerade eintrat, war ihr unbewusst zur Hilfe gekommen. Denn ihre Peiniger ließen nun von ihr ab und wichen rasch zurück. Erleichtert sackte Marian in die Knie und ein leises Schluchzen entfloh ihr. Als schwere Schritte hinter ihr nahten, entging ihr nicht, dass der Neuankömmling für große Unruhe sorgte und ihre Peiniger schienen ihn zu fürchten. Halvdan sah dem nahenden mit deutlichem Hass entgegen.
"Auch endlich hier, Ragan?", fragte er. Marian erschrak. Bedeutete das, der andere Clan war auch gekommen? Wie viel Unglück konnte ihr Heim eigentlich noch ertragen? Die Schritte verstummten nun genau neben ihr. Waren die Ragan genauso furchteinflößend wie die Thorvaldsson? Sie zitterte am ganzen Leibe, ehe sie einen prüfenden Blick zur Seite warf. Die Schuhe des Mannes, waren ganz schmutzig und hatten ihre beste Zeit wohl schon hinter sich. Die Hose, die er trug, war nicht in der Lage seine erstaunliche Beinmuskulatur zu kaschieren. Als ihre Musterung zu seinen Hüften gelangte, entdeckte sie dort einen Gürtel, an dem ein Dolch hing, sowie zwei kleine lederne Beutelchen. Ihr Puls beschleunigte sich, als sie erkannte, dass er keine Oberbekleidung trug und seinen stählernen Körper zur Schau stellte. Er schien jemand zu sein, der viel Zeit in der Natur verbrachte, denn die Sonne hatte seine Haut sichtlich gebräunt. Marian entdeckte einige Narben, die seinen Körper jedoch nicht schändeten. Sie passten zu ihm. Ein lederner Gurt lag um seinen Oberkörper und daran war an seinem Rücken ein Schwert befestigt. Seine bloße Anwesenheit war mächtig genug, um die anderen Männer einzuschüchtern. Marian zögerte sichtlich, ehe sie ihre Musterung fortsetzte und ihm in das Gesicht sah. Ungern musste sie sich sogleich eingestehen, dass er gut aussah. Seine vollen Lippen lösten eine verwirrende Unruhe in ihr aus und auch wenn seine Mimik gerade wie in Stein gemeißelt wirkte, verrieten zwei Grübchen, dass er jemand war, der durchaus gerne Lachte. Sein schwarzes Haar hatte wohl schon länger keine Bürste mehr gesehen und doch stand ihm dies erschreckend gut. An seinem rechten Ohr funkelte ein goldener Ohrring. Marian realisierte, dass ihr der Mund vor Staunen offen stand. Erschrocken schloss sie ihn und rief sich in Erinnerung, dass er ein Ragan war. Sie legte all ihren Hass in ihren Blick, doch davon bemerkte er nichts, da seine Aufmerksamkeit auf Halvdan ruhte.
"Du hast dich nicht an den Plan gehalten", stellte der Ragan mit wütender Stimme fest und Marian erschauderte als den Worten ein Knurren folgte, das mehr zu einem wilden Tier gepasst hätte.
"Weil dein Plan lächerlich und langweilig war. Sieh dich um, mein Plan hat uns schneller an unser Ziel gebracht", erwiderte Halvdan und es war offensichtlich, dass die beiden sich nicht mochten.
"Du irrst dich, dank dir, haben wir uns von unserem Ziel mehr entfernt als zuvor. Wie willst du Callahan noch zum Reden bringen, nachdem du sein Land in Blut getränkt hast?", fragte der Ragan und während Halvdan nun etwas Unverständliches grummelte, erkannte Marian, dass ihr Vater für diese Männer scheinbar unentbehrlich war. Das war gut, denn es sicherte fürs Erste sein Leben. Doch was hatte er, was diese Männer haben wollten? Das Land selbst konnte es nicht sein, denn dieses hatten sie bereits in ihren Besitz gebracht. Marian hörte dem Gespräch der beiden nicht länger zu und spähte zur Tür, sich fragend, ob sie es riskieren könnte, sich aus dem Saal zu entfernen. Wie sie nun jedoch bemerkte, war der Mann nicht alleine gekommen. An der Tür standen zehn Männer. Sie wirkten nicht sonderlich zufrieden mit dem, was sie sahen und blickten grimmig umher. Marian erschauderte, den der Clan der Ragan war eindeutig genau wie die Thorvaldsson. Sie alle wirkten riesig und diese ganzen Muskeln waren sehr erschreckend. Selbst wenn sich ihre Hoffnung erfüllte und Huxley ihnen bald zur Hilfe käme, ahnte sie bereits, dass es ein harter Kampf werden würde.
Vorsichtig bewegte sie sich und das hatte zur Folge, dass der Mann neben ihr, zu ihr nieder blickte. Marian vergaß beinahe, wie das Atmen funktionierte, als sie in seine grünen Augen sah. Es entging ihr, dass auch ihm kurzzeitig der Atem zu fehlen schien. Ihr Herz raste nun so schnell dahin, dass sie fürchtete, es könnte sich überschlagen. Im Saal herrschte ein eisiges Schweigen, während die beiden nicht in der Lage schienen, ihren Blickkontakt zu beenden. Doch schließlich gab sich der Mann einen Ruck und ließ von ihren strahlend blauen Augen ab, aber nur um den Rest von ihr zu betrachten. Erschrocken versuchte Marian ihr Bein zu bedecken, das durch den Riss an der Seite komplett entblößt war. Doch es wollte ihr nicht gelingen und der Mann bekam mehr von ihr zu sehen als ihr lieb war. Seine Blicke drohten, sie zu verschlingen. Doch zu ihrem Glück erschien nun ein rothaariger Mann neben ihm. Er war so groß wie ein Bär und sein Bart schimmerte ebenfalls rötlich. Mit einem lauten Räuspern machte er sich bemerkbar und der andere schreckte sichtlich auf. Er wirkte ein wenig verwirrt als er sich von ihr abwandte und raschen Schrittes zu Halvdan lief. Der Rothaarige folgte ihm mit einem schiefen Grinsen. Marian sah ihnen nach und sah mit Staunen, wie ein Kopfnicken von dem Mann genügte und Halvdan tatsächlich den Thron ihres Vaters räumte. Der Fremde ließ sich nun darin nieder, während Halvdan grummelnd mit ihrem deutlich kleineren Thron vorliebnehmen musste. Während sich der rothaarige neben den Mann aufstellte wie ein Wachhund, war es unverkennbar, dass Halvdan die niedere Position hatte.
Eine unerträgliche Stille beherrschte nun den Saal und erst als der Ragan verlangte, dass die Männer weiterfeiern sollten, löste sich die Anspannung. Sofort brüllten die Männer nach den Frauen und hielten ihre Becher empor. Während den rüden Bitten erschrocken gehorsam entgegen gebracht wurde, erhob sich Marian so langsam wie möglich, um keine weitere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Etwas wackelig auf den Beinen, kehrte sie zu jener Ecke zurück, wo Liane auf sie wartete. Diese konnte nicht anders, als ihr eine Predigt darüber zu halten, wie verrückt sie sei und wie gefährlich das ganze gewesen war. Laut ihr, konnten sie alle von Glück reden, dass ihr Angriff auf Halvdan durch das Auftauchen der Ragan in Vergessenheit geraten zu sein schien. Marian schluckte schwer und hoffte, dass ihre Bestrafung wirklich vergessen worden war.
"Am besten geht ihr nun in die Küche", schlug Liane vor und Marian lief mit einem Nicken davon.

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt