Kapitel 30

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Es dauerte lange, bis Marian und die Kinder sich beruhigt hatten und die Tränen versiegten.
Es war nicht verwunderlich, dass die Kleinen nun natürlich wissen wollten, wo ihre Eltern waren und wann sie diese wiedersehen würden.
Marian war sich zwar nicht sicher, ob sie ihr Versprechen würde halten können, doch sie versprach ihnen, dass sie, mit etwas Geduld, bald zu ihren Eltern zurückkonnten.
Bis es jedoch so weit war, sollten sie brav bleiben und ihren Mut nicht verlieren.
Die Kinder nickten und waren trotz ihres Heimwehs fröhlich gestimmt.
Marian lächelte und ihr entging nicht, dass sie alle gut gekleidet und wohlgenährt waren.
Ihre Sorgen waren unbegründet gewesen, denn man hatte sie gut behandelt.
Doch sie war sich auch bewusst, dass so manches Kind seinen Vater verloren hatte und vielleicht auch seine Mutter.
Mit Schmerz in ihrem Herzen dachte sie an ihre Heimat.
Was passierte dort gerade?
Lebten die gefangenen Männer noch?
Was war mit den Frauen passiert?
Rasch versuchte sie nicht jetzt, wo alle so glücklich waren, an dieses Grauen zu denken.
Doch es fiel ihr schwer, sehr sogar.
Die Kinder rissen sie aus diesem Trübsal hinaus, als sie mit ihr Fangen spielen wollten.
Marian hatte keine Wahl und ließ sich zu dem Spiel überreden.
Doch das ganze Rennen brachte sie schnell aus der Puste.
Völlig außer Atem, aber wieder glücklich, ließ sie die Kinder bald alleine Weiterspielen.
Als sie sich dem Haus näherte, sah sie Ragnar, der mit einem Lächeln nach draußen kam.
Bevor Marian sich versah, setzten sich ihre Beine in Bewegung.
Sie rannte auf ihn zu und fiel ihm so stürmisch in die Arme, dass er rückwärts taumelte und sich am Türrahmen festhalten musste, um nicht rücklings in das Haus zu stürzen.
"Ich danke dir", rief sie und presste ihre Lippen auf die seinen.
Nachdem Ragnar sein Gleichgewicht zurückerlangt hatte, schlang er einen Arm um sie und erwiderte ihren Kuss mit wildem Verlangen.
Erst als Marian der Atem ausging, löste sie sich von ihm.
Das gefiel Ragnar jedoch nicht, er knurrte leise und zog sie wieder zu sich.
Marian keuchte überrascht auf und konnte seinen hungrigen Lippen nicht entkommen.
Seine Leidenschaft schlug ohne Erbarmen über sie herein und es wurde ihr Schwindelig.
Doch da räusperte sich die alte Gadrun, die hinter Ragnar stand und verlegen auf sich Aufmerksam zu machen versuchte.
Sie wollte zu den Kindern, doch die Tür war ihr von den beiden Liebenden versperrt.
Ragnar ließ sich von der Alten nicht stören, sodass Marian eingreifen musste.
Rasch drehe sie ihren Kopf zur Seite, womit sie sich seinen Lippen entzog, nur, um ihn im nächsten Moment zur Seite zu schubsen, damit die Ältere vorbeikonnte.
"Tut mir leid", keuchte sie erschrocken, als Ragnar ihr einen entrüsteten Blick zuwarf.
Er grummelte etwas Unverständliches vor sich hin und nachdem Gadrun bei den Kindern war, zog er Marian schwungvoll in das Haus hinein.
Sie zuckte zusammen, als er die Tür wuchtig zuschlug.
Dann presste er sie gegen die Tür und nahm wieder von ihren Lippen Besitz.
Ragnar eroberte sie im Sturm und sie konnte nicht anders, als sein Verlangen zu erwidern.
Ihre beiden Herzen rasten.
Marian war glücklich, endlich ihren Sehnsüchten ohne Scheu nachgeben zu dürfen.
Sie genoss es in vollen Zügen und war sehr enttäuscht, als Ragnar sich von ihr löste.
"Wir sollten damit jetzt aufhören, sonst werde ich zum Tier", sagte er außer Atem, öffnete rasch die Tür und zog Marian wieder nach draußen.
Ihr ganzes Gesicht glühte und sie brauchte eine Weile, bis die frische Luft ihr half sich wieder zu beruhigen.
"Ich danke dir", sagte sie, während sie beobachtete, wie die Kinder die arme Gadrun über den Hof scheuchten und sie beim Versteckspielen ärgerten.
"Ich hatte niemals vor, mich an den Kindern zu vergreifen, Marian. Halvdan handelte in dieser Hinsicht selbstständig und gegen meinen Willen. Ich schickte eines meiner Schiffe hinterher und sie konnten die Kinder noch auf hoher See, vor einem grausigem Schicksal in Halvdans landen retten. Nach meiner Rückkehr, suchte ich nach ihnen und wie du sehen kannst, wurde dafür gesorgt, dass es ihnen gut geht", sagte Ragnar und Marian kamen fast die Tränen.
Sie schien ihm viel Unrecht getan zu haben.
"Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll", flüsterte sie und errötete, als er sie an sich zog.
"Sag mir, dass du mich liebst, das genügt", meinte er.
"Ich liebe dich", sagte sie und er lächelte.

Marian fühlte sich von den ganzen Glücksgefühlen wie berauscht, als sie eine Stunde später mit Ragnar das Haus von Gadrun verließ.
Mit einem Lächeln folgte sie dem Mann, den sie liebte, zu seinem Pferd, das brav gewartet hatte und von Ragnar mit einem Kraulen belohnt wurde.
Dann hob er Marian in den Sattel und stieg hinter ihr auf.
Die Dorfbewohner winkten ihnen hinterher, als sie das Dorf verließen und in den Wald zurückkehrten.
Recht schnell begann es Marian zu frösteln, doch das verging, als Ragnar ihr Haar zur Seite strich und ihren Hals liebkoste.
Die Hitze die dadurch in ihr aufstieg, war nur schwer zu ertragen.
"Ich kann es noch immer kaum glauben, dass du mir gehörst", hörte sie ihn flüstern.
Marian lächelte und fragte sich, seit wann ihr das Herz dieses Mannes gehörte.
Etwas verlegen wagte sie es, ihn danach zu fragen.
"Vom ersten Augenblick an", flüsterte er und sie erschauderte, als seine Küsse zu ihrem Ohr wanderten und er ihr dort sanft in das Ohrläppchen biss.
Marian keuchte, denn dies erfüllte sie mit brennendem Begehren.
Dieser Mann machte sie Wahnsinnig.
"Wirklich?", fragte sie und versuchte sich zu Kontrollieren.
"Bewusst wurde es mir bei unserem zusammentreffen mit den Wölfen, aber ja, wenn ich genauer darüber Nachdenke, war ich dir von Anfang an verfallen", sagte er und legte sein Kinn auf ihren Schultern ab.
"Und du?".
Marian dachte nach.
Sie wusste es nicht.
Bewusst geworden war sie es sich, nachdem Vorfall in seiner Kajüte, als er ... Marian dachte nicht weiter und schlug sich beschämt die Hände vor das Gesicht.
Um Himmelswillen, das konnte sie ihm nicht sagen.
"Ich weiß es nicht genau", meinte sie hastig und zu ihrem Glück hinterfragte er dies nicht.
Mit einem seufzen ließ sie ihre Hände wieder sinken und versuchte nicht daran zu denken, was er damals mit ihren Brüsten getan hatte.
Doch das war gar nicht so leicht und sie wedelte sich rasch etwas Luft zu.
Sie hörte, wie Ragnar lachte, ehe er seinem Hengst in die Flanke trat.
Marian keuchte erschrocken auf, als das Tier in einem atemberaubenden Tempo durch den Wald preschte und die Bäume dabei geschickt umging.
Sowohl Ragnar als auch das Pferd, kannten diesen Ort in- und auswendig.
Marian verlor dadurch schnell ihren Schrecken und genoss den Wind, der ihr die Hitze aus dem Gesicht trieb.

Laut gackernd sprangen die Hühner den Hufen aus dem Weg, als der schwarze Hengst auf das Burggelände preschte.
Marian versuchte hastig, sich ihre Haare, die vom Wind zerzaust waren, zu richten, nachdem Ragnar das Tier zum Halten gebracht hatte.
Der junge Bursche, der nun herbeigeeilt kam, sah nur noch, wie sein Herr vom Sattel stieg, Marian herunterhob und mit ihr hastig in der Burg verschwand.
Marian hatte Mühe, seinem Tempo zu folgen, da er sie an der Hand hielt.
Wie sie bemerkte, steuerte er die Treppe an.
Sie glaubte zu wissen, warum er es so eilig hatte.
Doch Lucian machte ihm einen Strich durch die Rechnung.
Der rothaarige stellte sich ihnen in den Weg.
"Was sehen meine Äuglein denn da?", rief er und betrachtete die ineinander verschlungenen Hände der beiden mit großer Begeisterung.
Er erkannte sofort, dass die besagten Worte gefallen waren.
"Aus dem Weg", fauchte Ragnar ihn an.
Doch Lucian hatte wohl vor, seinen ungeduldigen Freund zu ärgern, denn er stieß Ragnar ziemlich schwungvoll davon, ehe er sich bei der verblüfften Marian einhakte.
"Schon als ich euch das erste Mal zusammen sah, wusste ich, ihr gehört zusammen", zwitscherte Lucian fröhlich und führte Marian davon.
Sie hatte keine Wahl als ihm zu folgen und als sie mit großen Augen zurücksah, erkannte sie, dass Ragnar ihnen mit finsterer Miene folgte.
"Bist du lebensmüde?", fragte sie den rothaarigen.
Lucian lachte schallend und wurde sogleich etwas schneller, als er hinter sich sah.
Geschwind führte er Marian in die Speisehalle, wo Fjorleif saß.
"Sieh dir mal unsere beiden Turteltauben hier an", brüllte Lucian los und Fjorleif machte große Augen als hinter ihm Ragnar auftauchte und dem rothaarigen einen gewaltigen Hieb auf den Hinterkopf verpasste.
Marian keuchte, als Lucian einige Schritte nach vorne taumelte und sie gleichzeitig von Ragnar an sich gezogen wurde.
"Manchmal könnte ich dich echt erwürgen", knurrte Ragnar, während Lucian lachend seinen Hinterkopf rieb.
Fjorleif erhob sich nun und kam zu ihnen.
Mit einem Lächeln bedachte sie ihren Sohn und Marian.
"Ich sehe schon, was du mir zeigen wolltest, Lucian", meinte sie.
Sofort war Lucian neben ihr.
"Man kann in ihren Augen schon die Herzchen sehen", flüsterte er ihr zu und während Ragnar knurrte, wurde Marian ganz verlegen.
"Hör auf, die beiden zu Ärgern", mahnte Fjorleif mit sichtlicher Belustigung.
"Ihr seid doch beide verrückt geworden", grummelte Ragnar, nahm Marian an die Hand und zog sie mit sich davon.





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