Epilog

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Sechs Jahre später konnte es Henry Callahan kaum erwarten, sein Schiff zu verlassen und das Land der Ragans zu betreten. Es überraschte ihn immer wieder auf ein Neues, wie sehr er diese Ländereien und auch die Menschen liebgewonnen hatte. Oft in den letzten Jahren war er hier zu Besuch gewesen. Inzwischen konnte er sich keinen besseren Mann als Ragnar an der Seite seiner Tochter wünschen. Er hatte erkannt, dass die beiden perfekt zusammen passen. Zudem gefiel es ihm, dass Ragnar wie ein Wachhund war. Marian könnte nirgends sicherer sein. Henry ließ es sich dennoch nicht nehmen, oft und gerne gegen seinen Schwiegersohn zu sticheln.
Als der alte Lord das Schiff endlich verließ, winkte er den Leuten zu, die ihn begrüßten. Das Volk der Ragans handelte zwar in manchen Dingen anders, als er es tun würde, aber dennoch hatte er schon bei seinem ersten Besuch erkannt, dass sie keine Monster waren. Callahan lächelte und dachte an Fjorleif, die er nach langen Monaten wiedersehen würde. Am Anfang hatten Marian und Ragnar sich davor gefürchtet, dass er und Fjorleif ein Paar werden würden, weil sie sich so gut verstanden hatten. Doch für Henry würde es immer nur seine verstorbene Frau geben, er und Fjorleif genossen lediglich eine sehr innige Freundschaft.
"Als ich damals gegen Halvdan verlor, hätte ich nie erwartet, dass mich solch schöne Zukunft erwarten würde", murmelte Henry und sah sich suchend nach den zwei kleinen Mäusen um, die sich vom ersten Augenblick an in sein Herz geschlichen hatten.
"Opa", rief eine kleine Kinderstimme in der Ferne und Henry begann über das ganze Gesicht zu strahlen, als er Thorir entdeckte. Der kleine Junge ähnelte seinem Vater sehr und Henry war froh, dass er wenigstens die Augen von Marian bekommen hatte. Lachend ging der Ältere in die Hocke und breitete seine Arme aus. Kichernd rannte Thorir auf ihn zu und fiel ihm stürmisch um den Hals. Henry konnte sich nicht halten und plumpste auf seinen Hintern, was den Jungen nur noch mehr zum Kichern brachte.
"Meine Güte, du bist aber sehr gewachsen, seit meinem letzten Besuch", sagte Henry und ließ sich von dem kleinen Mann helfen.
"Ja, Mama sagt auch immer, dass ich einen ordentlichen Schuss gemacht habe und bald so groß wie Papa sein werde", meinte Thorir und strahlte über das ganze Gesicht. Henry wuselte den Kleinen durch das Haar, ehe er sich suchend umsah.
"Da ist ja die kleine Maus", rief er begeistert, als er das kleine Mädchen entdeckte. Henry würde niemals die Freude in seinem Herzen vergessen, als er vor drei Jahren erfahren hatte, dass Marian erneut schwanger war. Sie hatte die süße kleine Elina geboren, die wie ein kleiner Klon von ihrer Mutter war. Aber leider hatte sie wiederum die Augen ihres Vaters. Elina war ziemlich tollpatschig und brauchte etwas länger, um ihren Opa zu erreichen. Henry lachte und eilte ihr entgegen. Das laute Lachen von Elina hallte durch die Luft, als ihr Opa sie schwungvoll hochhob.
"Wo habt ihr beiden denn eure Eltern gelassen?", fragte er.
"Mama ist momentan nicht sehr gut zu Fuß", erklärte Thorir.
"Wieso das denn? Hat sie sich verletzt?", fragte Henry erschrocken.
"Nö, Mama sieht normal aus, außer dass sie zu viel Süßes genascht hat und ganz dick geworden ist", meinte Thorir und Henry flogen fast die Augen aus dem Kopf.
"Wie bitte? Nein, jetzt sag mir nicht, sie ist ...", er stockte, als er seine Tochter just in dem Moment entdeckte. Mit einem erschreckend dicken Bauch, der eindeutig auf eine erneute Schwangerschaft hinwies, kam Marian auf ihn zugelaufen.
"Um Himmelswillen", rief er und lief seiner Tochter lachend entgegen.
"Ich will mich ja nicht beschweren, aber scheint mir fast so, als möchte dein Mann eine ganze Armee zeugen", scherzte Henry und begrüßte Marian mit einer innigen Umarmung.
"Ach hör mir auf Papa, für mich kam diese Schwangerschaft auch ziemlich überraschend. Glaube mir, drei reichen voll und ganz. Das wird das letzte sein", meinte Marian.
"Darüber werden wir demnächst nochmal diskutieren müssen", sagte Ragnar, der wie aus dem Nichts neben seiner Frau auftauchte.
"Wenn du ein viertes willst, kannst du es ja gebären", fauchte Marian.
"Schön dich wiederzusehen, Junge", meinte Henry und klopfte Ragnar etwas steif auf die Schulter.
"Gleichfalls", erwiderte Ragnar und sie schüttelten sich rasch die Hände.
"Wie sieht es mit Arokh aus, gibt es auch da Frohes zu berichten?", fragte Henry.
"Leider nein, das Ei ist unverändert", seufzte Marian.
"Ob das normal ist?", fragte Henry.
"Man kann das Herz des Drachens im Ei schlagen hören, also wird alles gut sein", meinte Ragnar.
"Arokh sagte ja, es könnte auch Jahre dauern", murmelte Marian und ihr Gesicht verzog sich, als sie einen heftigen Tritt ihres Kindes verspürte.
"Jedenfalls wird er hier sein Zuhause haben, wenn er geschlüpft ist. Ragnar und ich haben zwar lange darüber diskutiert, aber er hat schlussendlich nachgegeben", meinte Marian.
"Ich hatte ja auch keine andere Wahl, du weißt, wie du mich erpressen kannst", grummelte Ragnar. Henry lachte sofort los und er glaubte zu wissen, was geschehen war. Fjorleif hatte ihm mal erzählt, wie Marian versucht hatte, ihren Mann davon zu überzeugen, ihr das Kämpfen zu lehren.
"Unterschätze niemals die Waffen einer Frau", sagte Marian lachend und gab ihrem Mann einen Kuss. Henry rollte mit den Augen, denn Ragnar musste diesen natürlich sofort erwidern.
"Oh bitte, könnt ihr Nicht Mal damit aufhören", flehte er und hielt den Kindern die Augen zu.
"Ach, das machen die ständig, Opa", beschwerte sich Thorir, während die kleine Elina energisch an den Hosenbeinen ihres Vaters zog und um Aufmerksamkeit bettelte. Es schien Ragnar ziemlich schwer zu fallen, sich von seiner Frau zu lösen, doch er konnte auch seiner Tochter nicht widerstehen. Lachend hob er das kleine Mädchen hoch und erlaubte ihr, mit seinen Haaren zu spielen. Marian hakte sich bei ihrem Vater ein.
"Komm, Fjorleif hat bereits ein Festessen vorbereiten lassen".
"Wirklich? Na dann lasst uns nicht länger warten, kann es kaum erwarten, sie zu sehen", meinte Henry, wurde kurz darauf aber bleich, als zwei große Hunde zu ihnen kamen. Er hatte Tamir und Temos schon bei seinen letzten Besuchen kennengelernt, aber die beiden waren ihm nicht geheuer. Ragnar hob seine Kinder auf jeweils einen der Hunde, nahm seine Frau an die Hand und lief los. Tamir und Temos trotteten ihm mit den Kindern hinterher.
"Also das empfinde ich doch als sehr gefährlich", meinte Henry, der ihnen rasch folgte.
"Die beiden würden den Kleinen niemals etwas tun", versicherte Marian ihm.
"Das sind Hunde aus der Hölle, sie überlegen bereits, wie sie mich am besten zerteilen können".
"Das würden sie nur tun, wenn ich es befehle", meinte Ragnar und warf Henry einen vielsagenden Blick zu. Empört schnappte der Alte nach Luft.
"Willst du dich schon wieder mit mir anlegen?", rief er.
"Schon vergessen, ich wurde einst als Teufel bezeichnet", witzelte Ragnar.
"Du bist längst entmachtet, Teufel, meine Tochter hat dich vollkommen im Griff", stichelte Henry und Marian lachte amüsiert los, als ihr Mann erschrocken drein schaute.
"Da hat er wohl recht", nuschelte Ragnar dann und sah mit einem Lächeln zu seiner Frau.
"Ich liebe dich", flüsterte er und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Ich liebe dich auch, mein Teufel".

Ende Band 1


Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt