Kapitel 40

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Zwei Tage später wurde die Suche nach Eydis, wie von Lucian vorhergesagt, eingestellt. Doch Ragnar schwor, dass er das verdammte Miststück nicht vergessen und er eines Tages seine Rache an ihr verüben würde. Marian hatte trotz allem, ziemliches Mitleid mit Eydis und sie wollte sich lieber nicht vorstellen, was Ragnar mit ihr tun würde.
Während Marian weiterhin das Bett hüten musste, bekam sie Ragnar nun nur noch selten zu Gesicht. Sie ahnte, dass die Männer in den Vorbereitungen bezüglich ihres Landes steckten. Wenn sie die Anzahl der Krieger bedachte, war ihr klar, dass sie mehrere Schiffe brauchten und da die Überfahrt lang war, mussten diese mit Vorräten beladen werden. Das Herz wurde ihr schwer, als ihr der Gedanke kam, dass die Vorbereitungen wohl in wenigen Tagen abgeschlossen sein würden.
Ihre Ängste waren groß, doch als drei weitere Tage in das Land zogen und sie endlich in der Lage war das Bett zu verlassen, erlebte sie eine große Überraschung. Es war früher Mittag als Fjorleif, in Begleitung von Ashildr und einigen Männern den Raum betrat.
"Es ist so weit", sagten sie und Marian geriet in Panik, da sie glaubte, sie meinten damit den Aufbruch nach Greenhill. Doch sie wurde mit großen Augen davon Zeuge, wie die Männer mehrere Eimer mit heißem Wasser in den Waschraum trugen und dort den Zuber befüllten. Nachdem dies getan war, verschwanden die Männer und Marian wurde von den beiden Frauen zu einem ausgiebigen Bad genötigt.
Es tat gut und sie fühlte sich danach wie frischgeboren. Doch ihre Verwunderung stieg, als Ashildr mit einem Kleid zu ihr kam, das sofort ihr Herz eroberte. Es war einfach zu schön und war aus sehr teuren Stoffen gefertigt. Es war fast so weiß wie Schnee und Marian bemerkte, dass der Hüftbund mit sonderbaren Runen verziert war. Ihr Puls stieg als sie begriff, dass dies kein gewöhnliches Kleid war.
Es war ohne Zweifel für eine Hochzeit gedacht. Die Kinnlade klappte ihr hinab, als sie begriff, was dies zu bedeuten hatte. Ashildr und Fjorleif lachten vergnügt, als Marian sichtlich nervös wurde und zu stottern begann. Ragnar wollte sie Heiraten, - heute!
Marian erlitt fast einen Zusammenbruch vor Freude und Nervosität.
"Ich warne dich schon einmal vor, so etwas läuft bei uns etwas anders ab, als wie du es in deinen Landen gewohnt bist", sagte Fjorleif und half der zitternden Marian in das Kleid. Es passte perfekt und bewies, dass Ragnar ihren Körper sehr gut einstudiert und die Maße ohne einen Schneider herausgefunden hatte.
"Du siehst hinreißend aus", meinte Fjorleif und betrachtete Marian in dem Kleid. Aufgeregt tuschelte sie mit Ashildr, ehe die jüngere davoneilte und mit einer kleinen Kiste wiederkam. Als sie diese öffnete, sah Marian darin eine hübsche silberne Krone.
"Das ist die Brautkrone, ich trug sie auch auf meiner Hochzeit und eines Tages, wenn das Glück dir hold ist, wirst du sie an deiner Tochter oder der Braut deines Sohnes weiterreichen", erklärte Fjorleif und setzte ihr die Krone auf. Marian errötete und sie kam noch immer nicht darauf klar, dass sie kurz davor war, Ragnar zu Heiraten.
"Er hätte mich ruhig vorwarnen können", murmelte sie.
"Die Hochzeit wird damit beginnen, dass wir zu unseren Göttern singen", sagte Fjorleif und Marian horchte auf. Sie besangen ihre Götter? Was waren das wohl für Gottheiten?
"Und was passiert dann?", fragte sie.
"Ragnar wird dir, ein Schwert reichen. Es ist unser Ahnenschwert und von großer Wichtigkeit. Nimm es in deine Obhut und verwahre es gut. Es wird deine Pflicht sein, es deinem erstgeborenen Sohn zu überreichen", sagte Fjorleif und Marian nickte sichtlich nervös. Sie hatte große Furcht, einen Fehler zu begehen und sich während der Hochzeit zu blamieren.
"Eigentlich ist es Brauch, dass die Braut von einem Mitglied ihrer Familie zu Ragnar geführt wird, doch da dies bei dir nicht der Fall ist, hat sich Lucian sofort bereit erklärt diesen Part zu übernehmen", sagte Ashildr und Marian nickte, ehe ihr die Tränen kamen. Die beiden Frauen sahen sie erschrocken an, als sie herzerweichend schluchzte. Sie dachte voller Trauer an ihren Vater und es zerriss ihr das Herz, dass er nicht dabei sein konnte. Es würde auf ewig ein unerfüllter Traum bleiben, dass er sie mit einem Lächeln an Ragnar übergeben würde. Schniefend kämpfte sie um ihre Fassung und rang diese Gefühle nieder.
"Danach werdet ihr eure Ringe anziehen", sagte Fjorleif, ohne auf den Zusammenbruch von Marian einzugehen, aber sehr wohl ahnend, was sie so in Trauer versetzt hatte.
"Wir hörten, dass es in deiner Heimat üblich ist, sich von einem, ich glaube, ihr nennt sie Priester, zu Mann und Frau erklären zu lassen. Doch bei uns tun es die Götter. Nachdem ihr eure Ringe trägt, ist die Hochzeit vollzogen", erklärte Ashildr. Marian nickte und war froh, da es nicht sonderlich kompliziert klang. Es war ihr egal, wie die Hochzeit ablief, wichtig war nur, dass sie diesen herrlichen Mann ihr Eigen nennen konnte. Marian legte ihre Hände auf ihre glühenden Wangen und versuchte sich zu beruhigen.
Während sich die beiden Frauen nun um ihr Haar kümmerten, schlug das Herz von Marian immer schneller. Als sie am Morgen erwacht war, hätte sie niemals erwartet, dass sie Heute die Frau von Ragnar werden würde. Er hatte ihre Bettlägerigkeit wohl ausgenutzt, um alles vorzubereiten.
"So, fertig. Bist du bereit?", fragte Fjorleif und besah sich Marian.
"Ich fühle mich etwas überrumpelt, aber ja, ich bin bereit", antwortete Marian.
"Sehr gut. Dann warte hier. Lucian wird dich holen kommen", meinte Ashildr. Marian nickte und errötete, als Fjorleif ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte.
"Ich muss es eigentlich nicht sagen, da du bereits zu uns gehörst, aber willkommen in unserer Familie mein Kind", sagte sie, lächelte und eilte dann mit Ashildr davon.

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt