Fjorleif und Ashildr gaben ihr bestes, um Marian bei Laune zu halten. Funktionieren, wollte es jedoch nicht. Sie verweigerte jegliches Essen und stand immer wieder schwer seufzend am Fenster und spähte in die Ferne.
"Ich weiß, wie du dich willst. Glaube mir, so erging es mir auch oft", meinte Fjorleif.
"Aber ihr dürft euren Mut nicht verlieren. Ragnar würde nicht wollen, dass ihr Hungert", sagte Ashildr, doch Marian ignorierte die beiden. Böse Visionen plagten sie, in denen sie sah, wie Ragnar im Kampf fiel.
Es war erschreckend, nicht zu wissen, was in den Landen der Thorvaldsson gerade vor sich ging. In den letzten Tagen hatte Hegvaldr keine Männer mehr an die Grenzen geschickt und Marian wusste nicht, ob dies ein gutes oder schlechtes Zeichen war. Hatte er vielleicht von dem Heer gewusst und seine Männer um sich geschart?
Würde er Ragnar und den anderen mit aller Härte entgegentreten? Sicherlich war der Kampf schon im vollen Gange.
Als die Nacht hereinbrach, konnte sie keinen Schlaf finden und wälzte sich unruhig im Bett umher. Sie weinte viel und ihr Herz schmerzte vor Kummer. Doch dann, es war weit nach Mitternacht, wurde es in der Burg laut.
Erschrocken fuhr Marian aus dem Bett empor und lauschte. Sie hörte aufgeregte Stimmen. Schwungvoll warf sie die Decke beiseite und stürzte in den Wohnraum. Dort traf sie auf Fjorleif, die mit ihr zusammen nach unten ging. Im Eingangsbereich entdeckten sie Lucian und Halvar, die von den anderen Burgbewohnern umzingelt und mit Fragen bombardiert wurden. Fjorleif kämpfte sich einen Weg zu den beiden durch und Marian folgte ihr rasch.
"Ihr seid zurück, was ist mit meinem Sohn? Wo sind die anderen?", fragte Fjorleif und Marian griff sich an die Brust, dorthin, wo ihr Herz vor Furcht schmerzhaft hämmerte.
"Ragnar schickte uns, um euch wissen zu lassen, dass alles gut ist", sagte Halvar und Marian entfloh ein erleichtertes Seufzen, ehe ihre zitternden Beine nachgaben und sie in die Knie ging. Endlich hatte sie das Gefühl, wieder richtig Atmen zu können.
"Was soll das heißen? Ist die Schlacht bereits gewonnen?", fragte Fjorleif.
"Es kam nie zu einer", antwortete Lucian und Marian horchte auf.
"Wie meint ihr das?".
"Nun, als wir in das Land der Thorvaldssons einmarschierten, war es verlassen. Bis auf ein paar einfache Bauern, die sich sofort ergaben. Von Hegvaldr und seinen Kriegern fehlt jede Spur", erklärte Lucian.
"Ist er etwa geflohen?", fragte Fjorleif.
"Vermutlich. Ragnar glaubt, dass er das Land verlassen und sich auf den Weg zu Halvdan gemacht hat. Wir konnten keine ihrer Schiffe entdecken, was durchaus dafür spricht", antwortete Halvar und Marian erschauderte.
Wenn das wahr ist, dann würde sich die Situation in ihren Landen nur noch mehr verschlechtern. Hatte Halvdan seinen Vater um Hilfe gerufen, weil er wusste, dass Ragnar eines Tages zurückkehren würde? Oder steckte anderes dahinter? So oder so, der Krieg war noch nicht vorbei.
"Wo ist Ragnar nun?", fragte Marian.
"Er durchforstet mit den anderen jeden Winkel des Landes, um sicherzugehen, nichts zu übersehen. Er wird bald zu euch zurückkehren", antwortete Lucian und Marian hätte nicht erleichterter sein können.Der neue Morgen kam und Marian beobachtete vom Fenster aus, wie nach und nach die Männer zurückkehrten. Es waren weniger als zuvor und sie war sich sicher, dass Ragnar einen guten Teil von ihnen im Land der Thorvaldsson ließ, um dieses im Auge zu behalten. Als sie dann endlich, den Mann entdeckte, den sie liebte, kannte sie kein Halten mehr.
"Ihr solltet nun endlich was Essen", meinte Ashildr, die gerade den Wohnraum mit einem Tablett voller Köstlichkeiten betrat. Ein Schrei entfuhr ihr, als Marian wie der Wind an ihr vorbeisauste und ihr dadurch das Tablett aus den Händen fiel.
"Verdammt. Das schöne Essen", hörte Marian sie noch rufen, doch sie rannte weiter und stürzte beinahe die Treppen hinab, weil sie es so eilig hatte. Alle huschten ihr hastig aus dem Weg, als sie aus der Burg stürmte.
Sie sah Ragnar, der gerade von seinem Pferd stieg. In dem Moment, wo er sich in ihre Richtung drehte, warf sie sich schwungvoll gegen ihn. Einige Männer in der Nähe grinsten und lachten schallend, als sie sahen, wie er durch ihren Ansturm stolperte und rücklings zu Boden stürzte. Marian fiel mit ihm und überhäufte ihn mit unzähligen Küssen. Ragnar missachtete die lachenden Männer und schlang seine Arme um Marian, ehe er ihre Freude mit einem feurigen Kuss erwiderte.
"Also wirklich, was sehe ich denn da. Nimmt euch ein Zimmer, nicht jeder will sehen, wie ihr euch am Boden wälzt", rief Fjorleif scherzend, als sie zu ihnen kam. Marian errötete und wurde sich der vielen Blicke gewahr. Ragnar erhob sich rasch und zog sie mit sich empor. Etwas verlegen hüstelte er, ehe er seine Mutter in eine Umarmung zog. Marian sah deutlich, wie erleichtert die Ältere war und dass ihr die Augen feucht wurden.
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Der Ragan Clan (1)
RomanceWährend Marian Callahan von einer körperlosen Stimme gepeinigt wird, muss sie gleichzeitig miterleben, wie boshafte Krieger in ihrer Heimat einfallen und diese an sich reißen. Schneller als ihr Lieb ist, erhebt der Anführer des Ragan Clans seinen An...