Marian zögerte ihr Vorhaben lange hinaus und der Abend rückte viel zu schnell näher. Wenn sie die Anika noch vor dem Einbrechen der Dunkelheit finden wollte, durfte sie es nicht länger hinauszögern. Doch ihre Furcht, erwischt zu werden, war enorm. Noch dazu hatte sich die Natur gegen sie verschworen, denn dunkle Wolken kündigten ein nahendes Unwetter an.
Sie ermahnte sich, das ihr Vater dringend das Kraut brauchte und sie nicht bis zum nächsten Morgen warten konnte. Entschlossen gab sie sich daher einen Ruck.
Mit der Hilfe von Rawena und Liane, die mit einem guten Essen alle Männer in den Thronsaal lockten, stahl sie sich unbemerkt aus der Feste und näherte sich mit wild rasendem Herzen dem Wald. Kurz dachte sie, das es ihr wirklich gelingen könnte. Doch dann hörte sie in der Ferne das Bellen von Tamir und Temos. Panisch hielt sie inne. Sie wusste, deren Bellen kündigte die Rückkehr von Ragnar an. Sein Zorn würde gewiss groß sein, wenn er sie erwischte. Vielleicht wäre es klüger, ihr Vorhaben abzubrechen? Prüfend ließ sie ihren Blick schweifen. Noch war Ragnar nirgends zu sehen. Doch das Bellen kam unaufhaltsam näher und schließlich sah sie in der Ferne zwei Reiter, dicht gefolgt von den beiden Hunden. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, sprintete sie los. Sie erreichte den Wald und versteckte sich hinter dem erst besten Baumstamm. Von dort aus beobachtete sie das nahen der Reiter. Es war wie erwartet Ragnar, in Begleitung von Lucian. Sie wartete, bis sie in der Festung verschwunden waren, ehe sie sich aus ihrem Versteck erhob und tiefer in den Wald vordrang. Sie hoffte, das sie die Anika schnell fand und zurückkehren konnte, bevor Ragnar ihr verschwinden bemerkte.Mit finsterer Miene betrat Ragnar das Gemach und entledigte sich seines Schwertes. Seine Wut war noch immer nicht abgeflaut. Er dürstete danach, Halvdan windelweich zu prügeln. Doch leider war dieser Bastard nicht da. Zornig knirschte Ragnar mit seinen Zähnen und griff sich an die Wange. Die Rötung war längst verschwunden, doch noch immer glaubte er den erstaunlich wuchtigen Schlag von Marian spüren zu können. Sie war die erste, abgesehen von seiner Mutter, die es gewagt hatte, die Hand gegen ihn zu erheben. Er hätte sie dafür liebend gerne über das Knie gelegt und ihren hübschen Hintern verprügelt. Doch ihre Tränen hatten ihn erschreckend schnell besänftigt. Er konnte sich selbst nicht verstehen, doch eines war sicher, diese Frau machte ihn Wahnsinnig. Noch nie zuvor hatte er etwas so sehr begehrt wie sie. Es war kaum mehr zu ertragen, zumal er sich sicher war, das sie dieses Begehren erwiderte.
Wieso fiel es ihm so schwer, ihr ihre Wünsche abzuschlagen? Und warum bei allen Göttern, wollte er sie mit jeder Faser seines Körpers schützen? Welche bösen Zaubereien spann sie um ihn? Er seufzte schwer und verließ das Gemach. Er dachte an ihren Vorwurf. Der Mist mit den Kindern war nicht sein verschulden. Der Clan der Ragan hatte die eiserne Regel, sich nicht an Kindern zu vergreifen. An allen war nur Halvdan schuld, doch das würde Marian ihm nicht glauben. Doch wieso wollte er diese Sache unbedingt richtig stellen? Seine Miene hatte sich erneut verfinstert, als er den Thronsaal betrat. Die Frauen hatten ein köstliches Mahl gezaubert. Nachdem er sich in den Thron niedergelassen hatte, befahl er Ivar, das er Marian zu ihm bringen sollte. Während er geduldig wartete, dachte er daran, das er eines seiner wertvollen Schiffe geopfert hatte. Es fuhr nun gen Heimat, mit dem Befehl, den Verkauf der Kinder zu verhindern. Doch warum hatte er das getan? In diesen Landen brauchte er jeden Mann und nun hatte er sich damit in die Minderheit katapultiert. Er hoffte, er würde dies nicht bereuen. Er knirschte mit den Zähnen, als er an die Tränen von Marian dachte. Vielleicht wäre es das beste, wenn er sie endlich ihrer Unschuld beraubte und seine Gier stillte. Danach, so hoffte er, würde er nicht mehr so heftig auf sie reagieren. Diese Gedanken verpufften im Nichts als Ivar zurückkehrte und berichtete, das er Marian nicht finden konnte. Ragnar spürte, wie sich sein Puls unweigerlich verschnellerte. Wo könnte sie sein? Rasch erhob er sich, um selbst nach ihr zu suchen. Doch sein Ergebnis war dasselbe, wie das von Ivar. Er konnte sie nicht finden. Er schaute sogar in den Verliesen nach. Zwecklos. Als er in die Halle zurückkehrte, hörte er das Bellen seiner Hunde und verließ die Feste. Tamir und Temos liefen draußen unruhig umher. Ragnar führte dies zunächst auf das ferne Heulen der Wölfe zurück. Daher ignorierte er seine Hunde und kehrte in die Festung zurück, dort kam ihm Lucian entgegen, in Begleitung der alten Heilerin. Sie wehrte sich gegen den Griff seines Freundes. Lucian erklärte ihm, das er ein Gespräch zwischen der Alten und der echten Liane belauscht habe und genau Wisse, wo Marian sei. Ragnar wollte sofort eine Antwort haben, doch Rawena hielt ihren Mund eisern verschlossen und weigerte sich, ihre Herrin zu verraten. Doch zum Glück hatte Lucian wie immer spitze Ohren bewiesen und konnte ihm berichten, das Marian in den Wald gegangen war. Ragnar spürte, wie die Wut in ihm entfachte. Marian wagte es tatsächlich ihm entfliehen zu wollen? In Panik wollte ihm die Alte den Grund dafür erklären, doch er winkte nur ab und eilte Zornig aus der Feste. Tamir und Temos schienen auf ihn gewartet zu haben und rannten sofort zum Wald davon. Rasch folgte er ihnen, denn er wusste, sie würden ihn zu Marian führen.
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Der Ragan Clan (1)
RomanceWährend Marian Callahan von einer körperlosen Stimme gepeinigt wird, muss sie gleichzeitig miterleben, wie boshafte Krieger in ihrer Heimat einfallen und diese an sich reißen. Schneller als ihr Lieb ist, erhebt der Anführer des Ragan Clans seinen An...