Kapitel 15

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Zitternd klammerte sich Marian an Ragnar fest und schielte hinter seinem Rücken hervor. Ihr entging nicht, wie er in die Leere griff und sich die Wölfe knurrend näherten. Wie hoch standen wohl ihre Chancen, ohne ein scharfes Schwert? Würden sie hier sterben, gerissen von Wölfen? Die Möglichkeit war sehr hoch, wie ihr die Anspannung von Ragnar bewies. Der größte aus dem Rudel, dessen Fell ganz schwarz war, schien eindeutig das Alphatier zu sein. Und er war es auch, der nun den Angriff eröffnete. Ragnar stieß Marian zur Seite.
Sie stolperte einige Schritte davon und sah dann, wie sich das Tier auf ihn stürzte. Er fiel zu Boden und der Wolf verbiss sich ohne Gnade in seinen rechten Unterarm. Das Blut spritzte und schnell rissen die scharfen Zähne tiefe Wunden. Marian konnte nur erahnen, wie Schmerzhaft dies war und doch gab Ragnar keinen Laut von sich. Erfüllt mit purem Adrenalin, versuchte er sich von dem Tier zu befreien. Verzweifelt sah Marian dabei zu und überlegte, was sie tun sollte. Das klügste wäre wohl, den Moment zu nutzen und davonzulaufen. Doch sie haderte mit sich und brachte es nicht über das Herz.
Schnell waren ihre Chancen zur Flucht dahin, denn die anderen Wölfe nahmen sie in das Visier. Der große Graue schnappte nach den anderen, die es wagten, ihm zuvorkommen zu wollen. Nachdem er seine Position klargemacht hatte, sprang er auf Marian zu. Es gelang ihr, ihm auszuweichen, doch sie stolperte und stürzte. Sogleich setzte er zu einem erneuten Angriff an und sie war sich sicher, nun zu sterben. Doch da preschten plötzlich zwei große Schatten von hinten, zu beiden Seiten an ihr vorbei. Es waren Tamir und Temos. Ersterer ging sofort auf den grauen Wolf los und ein fürchterlicher Kampf entbrannte zwischen ihnen. Temos nahm sich mutig den anderen drei an und knurrte so tief und Dunkel, das Marian froh war, das die Hunde auf ihrer Seite waren. Da die Wölfe nun von ihr abgelenkt waren, sah sie wieder zu Ragnar. Er verpasste dem Alpha gerade einen gezielten Schlag in die Augen. Winselnd ließ das Tier von ihm ab. Marian erschauderte als sie das ganze Blut sah, die Haut an seinem Arm hing in Fetzen. Es war ein Wunder, dass Ragnar bei Sinnen blieb, doch er hatte Mühe, wieder auf die Beine zu kommen.
Der Alpha wollte nun erneut auf ihn losgehen. Marian handelte instinktiv. Rasch schnappte sie sich einen dicken Ast vom Boden und stelle sich damit vor Ragnar. Der Alpha fletschte mit seinen Zähnen und behielt den Ast, den sie wild hin und her fuchtelte, wachsam im Blick. Als er es doch wagte, sich zu nähern, schlug sie den Ast auf dessen Kopf. Winselnd wich er zurück und schüttelte sich.
"Hau ab, du elendiges Mistvieh", rief sie und spürte, wie Ragnar hinter ihr allmählich auf die Beine kam. Der Alpha war nicht bereit seine Beute ziehen zu lassen und verlor seine Skepsis vor dem Ast. Knurrend verbiss er sich in ihm und Marian war überrascht, welche Kraft er hatte. Ihr einziges Mittel zur Verteidigung rutschte ihr aus den Händen. Sofort ließ der Wolf von dem Ast ab und sprang auf sie zu. Doch da trat Ragnar an ihre Seite und verpasste dem Alpha, der sich noch im Sprung befand, einen wuchtigen Tritt gegen die Brust. Jaulend flog das Tier zu Boden und machte widerliche Geräusche, die einem Röcheln ähnlich waren. Der Tritt schien ihm die Luft geraubt zu haben.
Freiwillig schmiegte sich Marian gegen Ragnar als er sie an sich zog. Währenddessen erhob sich das Tier schwerfällig und schien seinen Atem zurückerlangt zu haben. Es sah so aus, als würde er einen erneuten Angriff wagen wollen. Doch da entschieden Tamir und Temos den Kampf für sich. Der Graue wurde getötet und die anderen drei flohen mit eingezogenen Schwänzen. Knurrend folgte der Alpha seinem Rudel und verschwand in der Finsternis. Marian war so erleichtert, das sie zu Boden gesackt wäre, wenn Ragnar sie nicht gehalten hätte. Schwer Atmend fasste sie sich an die Brust und rang mit ihrer Fassung. Sie konnte kaum glauben, das sie dies überlebt hatten. Etwas angeschlagen, aber schwanzwedelnd kamen die beiden Hunde zu ihnen.
"Ich danke euch", sagte sie, entwand sich Ragnar und graulte beiden hinter den Ohren. Sie würde ihnen auf ewig Dankbar sein und ihnen ganz viel Leckerlis geben. Dann sah sie zu Ragnar. Er hatte seine Mimik nicht gut im Griff und der Schmerz war ihm anzusehen. Sein Arm blutete fürchterlich. Dennoch sah er sie mit einem Blick an, der sie mit Gänsehaut erfüllte.
"Bist du verletzt?", fragte er.
"Nein, aber du", antwortete sie und riss sofort einen großen Fetzen aus dem Saum ihres Kleides. Damit begann sie seinen Arm zu verbinden und zitterte dabei fürchterlich. Sie konnte seinen Schmerz alleine bei dem Anblick der Wunde mitfühlen und bewunderte ihn sehr, das er so ruhig bleiben konnte. Nachdem sie fertig war, sah sie zweifelnd dabei zu, wie das Blut schnell durch den Stoff sickerte. Ihr war klar, das er dringend einen Heiler brauchte. Erschrocken zuckte sie zusammen, als er eine Hand auf ihren Kopf legte und sie tätschelte, als wäre sie einer seiner Hunde. Verwundert sah sie zu ihm.
"Du hättest davonlaufen können, Marian", flüsterte er.
"Eine Callahan läuft niemals weg", sagte sie und erschauderte als sich seine Hand nun auf ihre Wange legte und sein Daumen sie dort sanft liebkoste.
"Ich weiß, ihr seid verdammt Stur und Mutig", flüsterte er und sie wich etwas von ihm zurück. Sein Verhalten ließ sie hoffen, das er ihr nicht mehr Zornig war.
"Ich hatte nicht vor zu fliehen, auch vorhin nicht", sagte sie und er wusste, sie meinte damit ihren Ausflug in die Wälder. Sein nicken bezeugte ihr, das er ihr glaubte und sie nicht mehr bestrafen wollte.
Erleichtert atmete sie aus und sah zu, wie er sich nun an seine Hunde wandte. Er lobte die beiden ausgiebig.
"Wir sollten gehen, bevor die Wölfe neuen Mut sammeln", sagte er dann.
"Und bevor ihr noch verblutet", fügte sie hinzu und sah sich nach ihrem Bündel um. Als sie die Wölfe erblickt hatte, war ihr dieses vor Schreck aus den Händen gefallen. Nicht unweit von ihnen entdeckte sie es. Ragnar bemerkte ihren Blick dorthin.
"Geh und hole es, dann verschwinden wir".

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt