Kapitel 13

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Marian raffte sich mit zitternden Gliedern auf und verließ das Gemach. Noch immer hatte sie das Gefühl, die Nähe von Ragnar zu spüren. Ihr Körper konnte sich kaum beruhigen und ein Teil von ihr, hatte sich gewünscht, das sie weitermachten. Es war wirklich schade, das er ihr Feind war. Wäre es nicht so, hätte sie sich mit Freuden in seine Arme begeben. Sie schämte sich dafür und sie wusste, die anderen würden sie hassen, wenn sie von ihren Gefühlen wüssten. Doch warum konnte ausgerechnet dieser Mann solche Emotionen in ihr wecken, wo es doch noch keinem anderen zuvor gelungen war? Sie wusste beim besten Willen nicht, wie sie damit umgehen sollte. Doch eines war klar, es durfte nicht sein!
Rasch verbannte sie diese Gedanken und warf einen Blick in den aufgebrochenen Raum. Lucian hatte das Ei bereits fortgebracht und sie bezweifelte, noch einmal einen Blick darauf werfen zu können. Doch was hatte es damit auf sich? Entschlossen machte sie sich auf die Suche nach Rawena, denn sie war die einzige, die ihr im Moment eine Antwort geben konnte. Sie fand die Ältere vor der Festung, wo sie neue Kräuter sammelte.
"Ich habe das Ei gesehen", sagte Marian, nachdem sie sich zu ihr gekniet hatte und ihr half, die Kräuter aus dem Erdreich zu zupfen. Rawena hielt sofort inne und ihr Körper erzitterte.
"Ich sagte doch, ihr sollt euch ihm nicht nähern", meinte sie erschrocken.
"Das habe ich auch nicht, ich habe guten Abstand bewahrt", versicherte Marian ihr rasch. Das schien Rawena etwas zu beruhigen.
"Was könnt ihr mir darüber sagen?", fragte Marian.
"Ich darf nicht darüber reden. Wenn ihr Antworten wollt, solltet ihr Morgen versuchen diese von eurem Vater zu erhalten", wehrte Rawena ab.
"Solange kann ich nicht warten. Etwas Lebendiges war in dem Ei. Was ist es?".
"Zwingt mich nicht, mein Versprechen zu brechen", bat Rawena.
"Ich zwinge euch nicht, aber ich bitte euch", meinte Marian und die Ältere seufzte schwer. Sie schien sichtbar mit sich zu ringen.
"Vor langer Zeit, fand euer Vater in den Bergen die beiden Eier. Er brachte sie mit Heim und lange rätselte man, was es damit auf sich hatte. Man konnte spüren, das in den Eiern etwas Lebendiges war. Doch selbst nach langen Wochen, die zu Monaten wurden, wollten sie nicht Schlüpfen. Das Rätsel konnte nicht gelöst werden und mit der Zeit verlor man das Interesse an den Eiern. Es mag verrückt klingen, doch die Eier, die unzerstörbar schienen, endeten als Dekoration und manchmal auch als Spielzeug für die Kinder. Dann wurdet ihr geboren und eine der Zofen gab euch das rote Ei. Es strahlte eine angenehme Wärme aus und hielt euer Bettchen warm. Ihr habt es wohl sehr gemocht, denn wann immer eure Eltern versuchten es euch wegzunehmen, habt ihr fürchterlich geweint. Und dann kam dieser eine schreckliche Tag. Ihr wart ein sehr energisches Kind und habt in eurem Bettchen kaum die Ruhe wahren können. Dabei habt ihr euch eine kleine, wirklich nur ganz kleine Schramme zugezogen. Das wenige Blut, das aus dieser Wunde kam, berührte das Ei und das Leben darin, begann sofort zu Schlüpfen", erzählte Rawena und Marian sah sie mit großen Augen an. Sie konnte sich nicht an dieses Ei erinnern und es schockierte sie, das es ihretwegen geschlüpft war.
"Und was ist aus diesem Ei erschienen?", fragte sie.
"Das würdet ihr mir nicht glauben", wehrte Rawena ab.
"Sag es mir", flehte Marian.
"Es war ein Monster, das den Wahnsinn über uns brachte", gestand Rawena und Marian rang entsetzt um Atem. Das Unheil, das einst dieses Land beherrscht hatte, war von diesem Wesen gekommen? Wenn das stimmte, dann war alles ihre Schuld, nur weil sie geblutet hatte? Aber wie konnte das sein, man hatte ihr erzählt, das der Wahnsinn mit ihrer Geburt verschwunden war. Hatte man sie belogen?
"War es das Monster, gegen das Ragnar kämpfte?", fragte Marian.
"Dieses Ding, das er enthauptete? Nein, das, was aus dem Ei schlüpfte, war viel schlimmer".
Marian bohrte weiter nach, doch Rawena ging nicht weiter in das Detail.
"Diese Eier brauchen also Blut, um zu schlüpfen?", fragte sie dann.
"Nicht irgendein Blut".
"Wie meinst du das?".
"Ich kann es dir nicht sagen. Frage deinen Vater", wehrte Rawena ab. Verwundert sah Marian ihr nach, denn die Heilerin hatte es nun eilig, das Weite zu suchen. Lauter Fragen kreisten durch ihren Kopf und sie war verwirrter als zuvor. Sie hatte wohl keine andere Wahl als zu hoffen, das sie Morgen mit ihrem Vater sprechen konnte und er ihr Antworten gab.

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt