Kapitel 47

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Mit einem beklemmenden Gefühl, in ihrer Brust, besah sich Marian den Mann, der wohl als Heiler fungierte und der nicht gerade sanft, ihren Arm untersuchte. Wie sie mit einem Blick zu ihrer Wunde erkannte, sah diese gar nicht mehr so übel aus und nichts deutete auf eine Infektion hin.
"Und, wie schlimm ist es?", fragte Hegvaldr voller Ungeduld, als der Mann begann, ihren Arm neu zu Verbinden. Marian sah rasch zu ihm. Er saß nicht unweit von ihnen, an einem Tisch und seine Finger trommelten unablässig auf der Holzplatte herum.
"Die Wunde verheilt gut, was auch immer sie Krank macht, es hat nichts damit zu tun", antwortete der Heiler und begann nun ihren Puls und ihre Temperatur zu messen. Marian hatte keine andere Wahl, als dies zu dulden. Das Verhalten von Hegvaldr und die strenge Untersuchung des Heilers bewiesen ihr, dass man sie lebend haben wollte. Diese Erkenntnis erleichterte sie, milderte aber ihre Ängste nicht. Marian schloss ihre Lider und hoffte, dass Ragnar bald käme. Sie wusste, er würde ihr folgen und bis er bei ihr war, durfte sie sich nicht unterkriegen lassen. Sie hob wieder ihre Lider und sah Hegvaldr voller Hass an. Sie betete dafür, dass Ragnar und sein Heer diesen Mistkerl und seinen Sohn, endgültig vernichten würden.
Erschrocken schreckte sie aus diesen Gedanken hinaus, als der Heiler ihr plötzlich unsanft in den Bauch drückte. Sie knurrte ihn an.
Mit einem Grinsen ließ er von ihr ab und eilte zu Hegvaldr. Marian sah, wie er ihm etwas zuflüsterte und die Augen von Halvdans Vater begannen sich zu weiten. Dann plötzlich erlag er einem fürchterlichen Lachanfall. Es war so heftig, dass er beinahe vom Stuhl gefallen wäre.
Marian verstand nicht, was so Lustig war und blickte mit einem mulmigen Gefühl dem Heiler nach, der nun hastig die Kajüte verließ. Nur langsam begann sich Hegvaldr wieder zu beruhigen und er wischte sich die Tränen hinfort, die ihm durch das Lachen in die Augen gestiegen waren.
"Wie herrlich, ich frage mich, ob Ragnar weiß, dass ich ihm mehr, als nur seine Frau gestohlen habe", sagte er und sie runzelte ihre Stirn.
Wie meinte er das denn jetzt?
Alles in ihr verkrampfte sich, als Hegvaldr aufstand und zu ihr kam. Panisch flog ihr Blick umher, hoffend, etwas zu finden, womit sie ihn von sich fernhalten konnte.
"Das würde ich an deiner Stelle lassen", grollte er, als sie ein Messer ergriff, was der Heiler vermutlich hatte liegen lassen. Marian ließ sich nicht einschüchtern und hielt das Messer gegen ihn gerichtet.
"Kommt mir nicht zu Nahe", zischte sie.
"Leg es weg, es sei denn du willst, dass ich dir dein verdammtes Balg aus dem Leib prügel", drohte er und ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen.
"Was redet ihr denn da?", fragte sie keuchend und ihre Hand begann so sehr zu zittern, dass ihr das Messer schließlich zu Boden fiel. Mit einer raschen Bewegung seines Fußes schob er es aus ihrer Reichweite.
"Ich bin nicht ...", begann Marian unter Schock zu stammeln, stockte aber und griff sich an den Bauch.
"Das kann nicht sein", entfuhr es ihr.
"Mein Heiler hat zumindest keinen Zweifel daran", sagte Hegvaldr und grinste, als er sah, wie sie um Fassung rang und zu hyperventilieren drohte.
"Deinem Gesicht nach, wusstest du es nicht", spottete er und packte sie am Arm. Ein Schrei entfuhr ihr, als er absichtlich auf ihre Wunde drückte, ehe er sie auf die Beine zog. Rasch zerrte er sie aus der Kajüte und als sie kurz darauf das Deck betraten, stieß er sie in die Arme von Havati.
"Bring sie zurück zu der anderen Hure", verlangte Hegvaldr und grinste höhnisch, als er die Rufe seiner Männer hörte. Der Heiler hatte die Neuigkeiten bereits verbreitet und nicht wenige riefen, dass man ihr das Kind aus dem Leibe schneiden sollte.
"Noch einen weiteren Ragan, dürfen wir nicht erlauben", rief jemand und Marian war den Tränen nahe.
"Natürlich werden wir das nicht, doch vorerst, rührt sie keiner an. Sie wird meinem Sohn gehören und er entscheidet, was passiert", rief Hegvaldr und ging. Marian wäre vor Schreck fast in den Armen von Havati zusammengebrochen, doch er hielt sie auf den Beinen. Sie spürte, wie seine Hand sanft auf ihren Rücken klopfte und es hatte etwas Tröstendes. Verwundert sah sie ihn an, doch seine eisige Miene ließ sie nicht erkennen, was er dachte. Sie glaubte jedoch, ihn leise Knurren und fluchen zu hören, als er sie zurück in die Kammer brachte. Dort sah sich Marian nun Ashildr gegenüber, die sie mit weit aufgerissenen Augen ansah.
"Habe ich das richtig gehört?", fragte sie erschrocken, nachdem Havati gegangen war. Marian nickte und brach in Tränen aus. Sofort eilte Ashildr zu ihr und zog sie in eine Umarmung. Selbst den Tränen nahe, überlegte sie verzweifelt, wie sie Mutter und Kind vor diesen Bastarden beschützen sollte. Sie betete, dass Ragnar bald käme und wenn es so weit war, da war sie sich sicher, würde sein Zorn allmächtig sein.

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt