Kapitel 54

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Erst als es Abend wurde und es auf Mitternacht zu ging, war Marian in der Lage ihr Gemüt etwas zu beruhigen. Vermutlich lag dies an ihrer Müdigkeit, die sie, kaum dass sie sich im Bett niedergelegt hatte, übermannte. Der Schlaf kam schnell und mit ihm auch die Träume. Sie weinte, als sie jene, die sie liebte, auf dem Schlachtfeld sterben sah. Diese Bilder waren grausam und kaum zu ertragen. Was auch immer Marian versuchte, sie konnte den sterbenden nicht helfen und deren Schicksal wiederholte sich immer und immer wieder. Es war schrecklich und erst als Marian am frühen Morgen aus dem Schlaf schreckte, fühlte sie sich von dieser Pein befreit. Versuchend, die Bilder ihrer Träume zu vergessen, sah sie sich in dem Gemach um. Die Sonne war gerade erst dabei aufzugehen und Marian konnte dabei zusehen, wie die Dunkelheit mehr und mehr dem kommenden Licht wich. Der Schlaf hatte ihr neue Kraft gegeben, doch die Träume hatten ihre Ängste genährt.
Marian war sich bewusst, dass sie irgendetwas tun musste. Sie würde nicht Tagelang auf eine Nachricht, die von Tod oder Sieg kündete, warten können, ohne dabei verrückt zu werden. Nichts lieber hätte sie daher getan, als ihrem Liebsten in die Schlacht zu folgen. Doch in ihrem Leib wuchs neues Leben, das sie dieser Gefahr nicht aussetzen durfte, noch dazu brachte allein die Vorstellung, wie wütend Ragnar sein würde, sie zum Erschaudern. Ja, es wäre besser für sie und andere, wenn sie dem Schlachtfeld fernbliebe, aber sie wollte nicht wie ein Häufchen Elend hier warten und untätig bleiben. Kaum hatte sie das gedacht, keuchte sie, als es ihr plötzlich etwas schwindelig wurde und sie ein weit entferntes Flüstern zu hören glaubte. Es war schwach und kaum wahrzunehmen. Doch es war eindeutig der Körperlose. Er versuchte wohl zu ihr zu sprechen. Rasch schloss sie ihre Augen und konzentrierte sich. In ihren Gedanken sah sie den Eingang der Höhle und das Flüstern wurde deutlicher. Tief atmete Marian ein und aus.
"Was willst du, warum rufst du nach mir?", fragte sie und war entschlossen, die Stimme nicht länger zu Ignorieren und sich anzuhören, was er zu sagen hatte.
"Die Zeit ist gekommen, Marian. Zögerst du weiterhin, wird dein Traum wahr werden und jene, die du liebst, werden Sterben ...", flüsterte es in ihrem Kopf und sie erschauderte.
"Und was wird geschehen, wenn ich nicht Zögere?", fragte sie und griff sich an die Stirn, da ihr Kopf ziemlich schmerzte.
"Komm zu mir und erringe damit den Sieg", Flüsterte es in ihrem Kopf und ihre Atmung begann sich zu beschleunigen. Zu Siegen, war ihr größter Wunsch. Doch konnte sie dieser Stimme wirklich vertrauen?
"Ich bin dein und du das meinige Schicksal. Du hast mich geboren und im Gegenzug schenke ich dir große Macht. Du kannst mir vertrauen", flüsterte die Stimme, so als habe es ihre Gedanken gelesen.
"Ich habe dich Geboren?", fragte Marian verwirrt.
"Komm zu mir und ich werde dir alles erklären", raunte die Stimme und Marian brauchte nur wenige Sekunden, um eine Entscheidung zu fällen.
"Wohin soll ich kommen?".
"Das weißt du doch bereits", antwortete die Stimme und dann schwanden die Schmerzen in ihrem Kopf und das Flüstern verstummte. Eine Zeitlang blieb Marian regungslos sitzen und versuchte ihre Gedanken zu sammeln. Nachdem ihr dies gelungen war, tüftelte sie an einen Plan. Sie musste zu der Höhle, wo Havati ihr die Flucht ermöglicht hatte. Doch ihr war klar, dass Magda und die anderen Bediensteten sie nicht würden gehen lassen. Man hatte sie alle darauf getrimmt, auf Marian aufzupassen.
"Ich habe wohl keine andere Wahl und muss mich davonschleichen", dachte Marian und mit dem Wissen, dass Ragnar, wenn er von ihrem Vorhaben wüsste, vor Wut in die Luft gehen würde, erhob sie sich und eignete sich eine Tarnung an. Sie wollte nicht, dass irgendwer sie erkannte, denn auf ihrem Weg zur Höhle, würde sie unweigerlich nahe an der Festung und somit auch an der Schlacht vorbeikommen. Um für einen Niemand gehalten zu werden, der kein Aufsehen erregte, war sie bereit, einen drastischen Schritt zu gehen.
"Falls ich meinen Mann jemals wieder sehe, wird er mich vermutlich umbringen", murmelte Marian, als sie ihre Tarnung vollendet hatte und auf den Boden sah, wo ein Großteil ihrer Haare lag.
"Aber immerhin wird mich so niemand erkennen", nuschelte sie und zögerte nicht länger, da die frühen Morgenstunden perfekt geeignet für ihre Flucht waren.

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt