Kapitel 49

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Marian war von einer niederschmetternden Erschöpfung ergriffen und ihr war klar, dass der ganze Stress nicht sehr gut mit ihrer Schwangerschaft harmonierte. Ihre Sorgen um das Kind wuchsen und sie war froh, dass Halvdan nicht zu ihr zurückkehrte.
Man ließ sie in den nächsten Stunden in Ruhe und obwohl sie dies genoss, sorgte die Stille auch dafür, dass sie zu viel Nachdachte. Sie vermisste Ragnar so sehr, dass es ihr fast das Herz brach.
Noch dazu, musste sie oft an ihren Vater denken und der Fluch, an dessen Existenz sie noch immer nicht so recht glauben wollte, bereitete ihr viel Kopfzerbrechen.
Es dämmerte zum Abend, als sich die Tür öffnete und Havati eintrat. Wie sie erleichtert bemerkte, brachte er ihr etwas zum Essen und das bedeutete, sie würde nicht gezwungen sein, sich in die Haupthalle zu Halvdan begeben zu müssen.
Sie hatte viele Fragen an Havati, doch sie schwieg, da er nicht alleine gekommen war und ein Mann an der Tür auf ihn wartete. Wie sie jedoch, mit wild schlagendem Herzen bemerkte, hob er, ungesehen von dem anderen, etwas die Schüssel an und sie entdeckte, dass darunter ein kleiner gefalteter Zettel lag.
Verstehend nickte sie ihm kaum merklich zu und nachdem die beiden Männer gegangen waren, nahm sie den Zettel sofort an sich und entfaltete ihn.
"Gebt Halvdan den Ring. Vertraut mir", las sie und ihr Puls beschleunigte sich.
Auch wenn Havati sie vor einer Vergewaltigung gerettet und seine gesprochenen Worte sie mit Hoffnung erfüllt hatten, war sie sich nicht sicher, ob sie ihm Vertrauen sollte. Was, wenn er all diese Dinge getan und gesagt hatte, um sich ihr Vertrauen zu erschleichen?
Marian war sich bewusst, dass sie ihren Mann in den Untergang führen würde, wenn sie nun eine falsche Entscheidung traf.
Nachdenklich begann sie zu Essen und als sie fertig war, hatte sie noch immer keine Lösung finden können. Schließlich kam ihr der Gedanke, dass es keinen Sinn hatte, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, solange sie nicht wusste, ob der Ring überhaupt noch da wahr.
Hatte jemand ihn gefunden und an sich genommen, ohne zu ahnen, dass dies der gesuchte Ring wahr?
Sie musste es herausfinden!
Entschlossen stand sie auf und kroch unter ihr Bett. Dort wies nichts darauf hin, dass jemand die lose Diele vor kurzem bewegt haben könnte. Dennoch hob sie diese an und spähte in den Hohlraum hinein. Ihr Puls beschleunigte sich, als sie darin den Ring liegen sah. Freudig nahm sie ihn an sich und kam unter dem Bett hervor. Just in diesem Moment öffnete sich die Tür und zu ihrem Entsetzen trat Halvdan ein.
Noch hatte sie nicht entschieden, ob sie Havati vertrauen wollte und ließ den Ring daher schnell hinter ihrem Rücken verschwinden. Doch zu ihrem Leidwesen hatte Halvdan das Schmuckstück gesehen.
"Was hast du denn da feines?", fragte er grinsend und kam bedrohlich auf sie zu.
"Nichts".
"Hör auf zu Lügen, ich habe es genau gesehen", zischte er und versuchte den Ring an sich zu reißen.
Marian versuchte dies natürlich zu verhindern und es entbrannte ein kurzer Kampf, den Halvdan angesichts seiner Stärke gewann.
"Gebt ihn mir zurück", verlangte sie, doch er stieß sie achtlos von sich, während er den Ring betrachtete. Marian stürzte zu Boden und schlug sich ihren Kopf an der Kante des kleinen Beistelltisches neben ihrem Bett an. Kurz schien sich die Welt um sie herumzudrehen und als sie ihre Finger über die schmerzende Stelle an ihrer Schläfe gleiten ließ, waren diese danach blutig.
"Morgen werde ich dich mit, zu einer der Höhlen nehmen. Falls der Ring wirklich funktioniert, sollst du Zeuge meines Erfolges werden", sagte Halvdan und ihre Verletzung juckte ihn überhaupt nicht. Marian schluckte schwer und hatte nun keine andere Wahl mehr, als all ihr Vertrauen in Havati zu setzen.

Schon früh, am nächsten Morgen, drängte Halvdan zum Aufbruch. Er führte Marian wieder wie ein Hund mit sich und brachte sie nach draußen, wo Havati und fünf andere Männer warteten.
"Lass sie nicht aus den Augen", befahl Halvdan, als er Havati die Ketten überreichte. Marian bemerkte, wie der Mann, von dem sie nicht wusste, ob er Freund oder Feind war, ihre Wunde an der Schläfe mit einem finsteren Gesicht betrachtete. Noch immer war dort das getrocknete Blut zu sehen.
Er grummelte etwas Unverständliches, als Halvdan zu den anderen Männern gegangen war. Dann half er ihr, wie sie erkannte, ziemlich vorsichtig in den Sattel eines braunen Wallachs.
Sicher war sie sich, die leisen Worte, - dieser Mistkerl, gehört zu haben, als sich Havati danach in den Sattel seines gefleckten Hengstes zog. Da er sowohl ihre Kette, als auch die Zügel ihres Wallachs in seinen Besitz gebracht hatte, war sie unter seiner völligen Kontrolle und noch war sie sich nicht sicher, ob dies nun gut oder schlecht wahr.
Nachdem auch Halvdan und die anderen, auf ihre Pferde gestiegen waren, ritten sie los. Marian krallte sich an der Mähne ihres Pferdes fest.
Während ihr Blick voller Furcht auf dem Rücken von Halvdan lag, ahnte sie nicht, dass die ersten Schiffe ihres Mannes ihr Land erreichten und die Ragan an einer gut versteckten Küstenregion an Land gingen.

Der Ragan Clan (1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt