Marian erwachte zusammen mit dem Aufgehen der Sonne. Sie wollte Fjorleif keine weitere Möglichkeit bieten, sie mit Wasser zu überschütten oder anderweitig zu ärgern. Die Tür zu Ragnars Räumen stand offen und sie hörte, dass er wach war. Gähnend erhob sie sich und wollte seinen Waschraum nutzen. Doch an seiner Tür machte sie schockiert wieder kehrt. Er war doch tatsächlich nackt umhergelaufen. Mit glühenden Wangen ließ sie sich in die Kissen nieder und versuchte den Anblick seines nackten Hinterteils aus ihrem Kopf zu verbannen. Es wollte ihr nicht gelingen. Sie hoffte inständig, dass er sie nicht bemerkt hatte. Kurz darauf kam er bekleidet nach draußen. Marian konnte ihm kaum in die Augen schauen.
"Ich werde erst am Nachmittag zurück sein, bitte lass dich nicht wieder von Mutter provozieren", sagte er. Sie nickte und hatte wirklich vor, ihr Bestes zu geben. Nachdem er gegangen war, seufzte sie und suchte den Waschraum auf. Mehrmals musste sie sich das Gesicht waschen, um die Hitze aus ihren Wangen zu vertreiben. Dann nahm sie ihren Mut zusammen und ging allein nach unten. Jene, die ihren Weg dabei kreuzten, nickten ihr freundlich zu. Marian entspannte sich und suchte mit knurrendem Magen den Speisesaal auf. Dieser war wie Leergefegt. Das gemeinsame Essen am Morgen war den Ragan wohl nicht so wichtig wie am Abend. Dennoch ließ sie sich auf ihren Platz von gestern nieder und überlegte, wie sie nun an ihr Frühstück kam.
Doch nur wenige Augenblicke später kam eine Frau herbei und servierte ihr ein köstliches Mahl. Marian war überrascht. Sie bedankte sich und stillte ihren Hunger. Dann nahm sie erneut ihren Mut zusammen und verließ die Burg, um frische Luft zu schnappen. Die Männer, die sich auf dem Vorplatz aufhielten, sahen sofort wachsam zu ihr. Doch Marian verspürte keine Furcht. Sie hatte begriffen, dass keiner von ihnen ihr etwas tun würde. Zumindest nicht, wenn sie an ihrem Leben hingen und nicht von ihrem Oberhaupt gemeuchelt werden wollten. Marian stattete ihrer Stute einen Besuch ab. Das Tier war nicht unweit angebunden und naschte Gras. Als Marian näher kam, hob die Stute ihren Kopf.
"Ich werde dich Schnee taufen", sagte Marian und kraulte das schöne Tier. Es schnaubte und ließ sich die Streicheleinheiten gefallen. Sehr gerne wäre Marian mit ihr ausgeritten, doch sie erinnerte sich an die Worte von Ashildr. Ohne bewaffnete Begleitung durfte sie nicht hinaus und sie hatte nicht den Mut einen der Männer darum zu bitten. Etwas frustriert machte sie sich kurz darauf auf den Rückweg zur Burg. Als sie die Tür erreichte, stürmte ihr ein Mann entgegen. Sein Gesicht war stark geschwollen. Seine Kleidung war eingerissen und mit Blut befleckt. Er hatte es ziemlich eilig. Der Grund dafür waren wohl die zwei Männer, die versuchten, ihn einzufangen. Marian, die ihm die Tür blockierte, konnte nicht schnell genug reagieren. Brachial wurde sie von ihm umgerannt. Rückwärts flog sie in den Hof hinaus und schlug auf den Boden auf. Der Mann kam in das Stolpern und landete auf ihr. Noch bevor Marian in Panik geraten konnte, hatten die beiden Männer ihn eingeholt und zerrten ihn unsanft von ihr hinunter. Weitere Männer, die im Hof gewesen waren, kamen dazu und verpassten dem Mann einige Hiebe. Dann war auch Lucian da und er half Marian auf die Beine. Mit deutlicher Sorge musterte er sie und ging sicher, dass sie sich bei dem Sturz nicht verletzt hatte. Ihr Kleid, das sowieso schon abgenutzt und einiges hinter sich hatte, war nun dreckiger als zuvor, aber ansonsten ging es ihr gut. Sichtlich erleichtert atmete Lucian auf, ehe er zornig zu dem Mann blickte, der von den anderen festgehalten wurde.
"Bringt ihn zurück in die Zelle und sorgt dafür, dass er nicht noch einmal abhaut", rief er. Marian riss erschrocken ihre Augen weit auf. Bedeutete das, dieser Mann war, der Gefangene, von dem Ashildr gesprochen hatte? War sie wirklich mit dem Mann zusammengestoßen, der Fjorleif hatte töten wollen? Der Gefangene fluchte und versuchte sich vergeblich gegen die harten Griffe der anderen zu wehren. Marian sah zu, wie sie ihn fortbrachten.
"Gut gemacht Marian, du hast ihn mit ganzem Körpereinsatz aufgehalten", lobte Lucian.
"Falsch, ich konnte nicht mehr ausweichen", korrigierte sie ihn.
"Dennoch hast du seine Flucht verhindert", erwiderte er mit einem Grinsen. Marian wollte dazu nichts mehr sagen und nachdem Lucian gegangen war, kehrte sie in den Wohnraum zurück. Von Fjorleif fehlte jegliche Spur. Kurz darauf kam Ashildr zu ihr und hatte einige Kleider dabei.
"Sie sollten dir passen", sagte sie und half Marian dabei, sich etwas passenden herauszusuchen und umzukleiden.
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Der Ragan Clan (1)
RomanceWährend Marian Callahan von einer körperlosen Stimme gepeinigt wird, muss sie gleichzeitig miterleben, wie boshafte Krieger in ihrer Heimat einfallen und diese an sich reißen. Schneller als ihr Lieb ist, erhebt der Anführer des Ragan Clans seinen An...