Wieder vereint

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Elijah lag nach wie vor auf dem Boden, er war offensichtlich am Knie verletzt. Gabriel stand etwas abseits und als sein Blick von Negan zu Samantha wanderte, fiel ihm die Kinnlade leicht nach unten. Er schüttelte ungläubig den Kopf. Währenddessen wanderte Samanthas Blick weiter und blieb schließlich an Daryl hängen, der mit dem Rücken zu ihr stand und sich gerade aus Maggies Umarmung löste. Diese schaute ihn mit einem mitfühlenden Blick an, ehe ihr Blick an seinem Gesicht vorbei und zu Samantha glitt. Ungläubig zog sie ihre Augenbrauen zusammen und ihre Lippen öffneten sich, als würde sie jeden Moment etwas sagen.

Samanthas Blick blieb auf Daryls Lederweste haften. Der Flügel, der sich in den letzten Jahren abgelöst hatte, war durch einen neuen ersetzt worden. Vermutlich waren es die Mädchen gewesen, die ihn angefertigt hatten.

„Daryl", sagte Samantha dann mit schwacher Stimme.

Der Armbrustschütze fuhr herum. Er starrte sie an und begann leicht zu schwanken, als würde er gleich den Boden unter den Füßen verlieren. Dann lief er los in ihre Richtung. Als er sie fest in seine Arme schloss, fühlte es sich für Samantha so an, als hätte jemand eine Mauer in ihrem Inneren niedergerissen. Die Tränen schossen ihr in die Augen und sie begann zu schluchzen, während Daryl sie einfach nur so fest hielt, dass ihr beinahe die Luft wegblieb. Er drückte sie so sehr an seinen Körper, als hätte er Angst, dass sie einfach verschwinden würde, wenn er sie losließ. Doch gerade dieser Druck von Daryls Armen, die sie einfach nur festhielten, verlieh ihr das Gefühl von Sicherheit, das sie nun schon so lange nicht mehr gehabt hatte.

Als Daryl seinen Griff schließlich lockerte, wäre sie beinahe zusammengesackt. Er zog sich leicht zurück und sah ihr ins Gesicht. Die Tränen hatten feuchte Spuren auf seinen Wangen hinterlassen und in seinen Augen lag so viel Schmerz, während er sie ansah und sich jedes Detail ihres Gesichts einzuprägen schien. Seine Finger zitterten leicht, als er ihr eine glanzlose, karamellblonde Strähne aus dem Gesicht strich. Sanft nahm er ihr Gesicht in seine Hände und wischte mit seinen Daumen die Tränen von ihren Wangen.

Samantha hatte ihre Finger in sein Hemd gekrallt und hielt sich an ihm fest, wie an einem Rettungsring. Sie konnte sich kaum vorstellen, was er durchgemacht haben musste. Zweifellos hatte er sie die ganze Zeit über für tot gehalten. Schuldgefühle krochen in ihr hoch und bohrten sich wie eiserne Klauen in ihren Magen. Wäre sie einfach aus dieser Höhle geklettert, dann hätten weder er noch ihre Kinder in dem Glauben leben müssen, dass sie gestorben war.

Ein weiteres Mal flüsterte sie seinen Namen und schluchzte. Daryl legte seinen Mund auf ihren und küsste sie. In diesem Kuss lagen so viele Gefühle, allen voran die Sehnsucht, die sie beide in den letzten Monaten nacheinander verspürt hatten. Als sich ihre Lippen schließlich voneinander lösten, sah Daryl Samantha eingehend in die Augen. Dann lehnte er seine Stirn an ihre. Eine ganze Weile standen sie einfach nur so da und genossen den engen Körperkontakt und die Tatsache, dass sie endlich wieder vereint waren. Die Zeit war bedeutungslos geworden, es zählten nur sie beide.

Maggie zeigte ihnen, wo sie alles finden konnten, was sie brauchten. Sie beluden eine Kutsche und spannten ein Pferd davor. Alles, was sie brauchen konnten, nahmen sie mit, denn Maggie hatte ohnehin kein Interesse daran, je wieder hierher zurückzukehren. Daryl ließ Samantha nicht eine Sekunde lang aus den Augen und wich ihr auch nicht von der Seite. Bevor sie jedoch abreisten, musste Maggie noch zu einer Kirche, in der sie Alden zurückgelassen hatte, weil er schwer verletzt war. Sie versprach ihnen, dass sie sie einholen würde.

Nachdem sie gegangen war, begab sich Samantha zu dem Pferd und streichelte ihm über das weiche Fell auf der Stirn, während Daryl noch eine weitere Kiste mit Vorräten holte. Er hatte sie zwei Mal gefragt, ob es wirklich in Ordnung war, weshalb Samantha ihm versichert hatte, dass sie genau hier auf ihn warten würde. Dieses Erlebnis würde sie beide noch für eine längere Zeit beschäftigen, dessen war sie sich sicher.

Ein Neuanfang unter Beißern - Daryl DixonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt