Aufarbeitung

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Sie beerdigten Beth unter einer Trauerweide auf einem Feld. Maggie konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Sie hatte nun jedes einzelne Mitglied ihrer Familie verloren. Nun blieb ihr nur noch Glenn. Daryl hatte sich einigermaßen gefangen und hielt Samantha fest, der immer noch vereinzelte Tränen über die Wangen liefen. Sie war schweigsam, sagte kein Wort, sie weinte nur still an Daryls Brust, während sie mit einem Wagen fuhren. Nur am Rande hatte Samantha mitbekommen, dass sie mit Noah in Richtung seines Camps fuhren. Obwohl Daryl normalerweise am Steuer saß, war er dieses Mal bei Samantha am Rücksitz und hielt sie fest, während sie sich abwechselnd beruhigte und dann wieder anfing zu weinen.

Rick, Michonne, Tyreese, Glenn und Noah fuhren voraus, um zu checken, ob die Stadt, in der Noah lebte, wirklich sicher war. Die anderen blieben schließlich zurück und warteten auf ihr Urteil. Wenn sie nichts von ihnen hören würden, würden sie nachkommen. Samantha war das nur recht. Im Moment hatte sie kein Interesse daran, erneut zu kämpfen. Sie wollte lediglich um Beth trauern und sich im Selbstmitleid suhlen, weil sie das Mädchen nicht hatte retten, es nicht hatte beschützen können.

Daryl hielt sie in seinen Armen, streichelte ihr beruhigend über den Kopf, doch auch er sagte kein Wort. Irgendwann quollen keine weiteren Tränen mehr aus Samanthas Augen hervor und sie setzte sich wieder aufrecht hin. Daryl sah sie besorgt an.

„Geht's wieder?", fragte er sie leise.

Samantha nickte, denn nun war sie sicher, dass sie sich wieder im Griff hatte. Die kurze Auszeit hatte sie jedoch gebraucht. Wenn etwas Derartiges passierte, dann musste sie es sich erlauben, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, wenigstens für eine gewisse Zeit. Erst dann konnte sie weitermachen.

Da ertönte Ricks Stimme aus dem Funkgerät. Er teilte ihnen mit, dass im Lager von Noahs Leuten nichts mehr war. Sofort fragte sich Samantha, wie es Noah wohl erging. Er hatte nun alles verloren. Seine Familie und seine Freunde. Ihm blieb nichts mehr übrig. Nach einiger Zeit folgte ein weiterer Funkspruch, der jedoch nichts Gutes verhieß. Tyreese war gebissen worden und sie hatten ihm den Arm abgeschlagen, wussten jedoch nicht, ob sie es auch rechtzeitig gemacht hatten.

Während Samantha und die anderen auf den Rest der Gruppe warteten, breitete sich Unruhe aus. Samantha beschlich ein schreckliches Gefühl. Sie wusste nicht, ob es wegen Beth war, oder ob sie ihrem Gefühl doch vertrauen konnte. Sie behielt es für sich, um die anderen nicht zu beunruhigen.

Als einige Zeit vergangen war, tauchte der Wagen vor ihnen auf. Samantha lehnte neben Daryl an der Karosserie ihres Autos. Sie hatte nicht länger drin sitzen wollen. Ein Blick durch die Windschutzscheibe auf die betretenen Gesichter genügte, und sie wusste, dass Tyreese es nicht geschafft hatte. Sasha war außer sich. Nachdem sie Bob erst vor wenigen Tagen verloren hatte, war nun auch ihr Bruder gestorben.

Daryl legte Samantha einen Arm um die Schultern. Doch keine einzige Träne lief über ihre Wangen. Sie war traurig über den Verlust von Tyreese, denn sie hatte ihn sehr gemocht. Doch sie hatte so sehr um Beth geweint, dass nun keine Träne mehr für Tyreese übrig war. Dieser Umstand stimmte sie wütend, doch auch ein nagendes Schuldgefühl machte sich in ihr breit.

Nachdem sie ihn begraben hatten, teilte Rick der Gruppe mit, dass sie sich auf den Weg nach Washington machen würden. Zwar hatte Eugene, was das Heilmittel anging, gelogen, doch der Grund dafür war, dass er sich in Washington die besten Überlebenschancen ausgerechnet hatte. Es war immerhin einen Versuch wert. Hier in der Nähe von Atlanta gab es ohnehin nichts mehr, was sie noch an diesem Ort halten konnte.

Sie beschlossen allerdings, erst am nächsten Morgen loszufahren. Also schlugen sie ein Lager auf. Nachdem beinahe alle eingeschlafen waren, lag Samantha immer noch wach. Da zog sie ihre Augenbrauen zusammen, als sie sich an etwas erinnerte. Sie verlagerte ihr Gewicht und zog etwas aus ihrer Hosentasche. Im Licht des Feuers betrachtete sie die Fotos, die im Bestattungsinstitut entstanden waren. Beim ersten bildete sich ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht, es zeigte Daryls misstrauischen Gesichtsausdruck, als er gerade in die Küche gekommen war.

Ein Neuanfang unter Beißern - Daryl DixonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt