Wintereinbruch

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Es vergingen zwei Monate. Samantha bekam nun einen Eindruck davon, was im Königreich so alles schief lief. Immer mehr Maschinen und Rohre wurden kaputt. Sie alle packten an, wo es nur ging, doch es schien, als würden sie es nicht in den Griff bekommen. Sogar Feuer brachen aus, doch diese konnten sie immerhin recht schnell bekämpfen und unter Kontrolle halten.

Dazu kam auch noch, dass es immer kälter wurde. Samantha hatte bereits warme Kleidung, Mützen, Schals, Handschuhe und Mäntel für die Mädchen besorgt. Auch für sich und Daryl hatte sie Ponchos und Mützen angeschafft. Der Winter würde kalt werden, soviel wusste die junge Frau schon jetzt. Die ersten Schneeflocken waren bereits gefallen, doch der Schnee war nicht liegen geblieben – jedenfalls noch nicht.

Während sich bereits alle in warme Kleider hüllten, begnügte sich Daryl im Moment noch mit einem langen Hemd unter seiner Weste. Die Jahre in der Wildnis hatten ihn abgehärtet. Auch Samantha war lediglich mit dem übergeworfenen Poncho noch vergleichsweise leicht bekleidet. Auch für Lydia hatte die junge Frau Jacke und Mütze besorgt. Das Mädchen war seit Henrys Tod sehr still gewesen, und vertraute sich eigentlich niemandem an. Samantha hielt sich meistens in ihrer Nähe auf, damit sie nicht so allein war.

Gerade saßen sie an einem Tisch, Janice und Annabeth waren bei ihnen. Sie aßen gemeinsam, doch Lydia hatte keinen Teller vor sich stehen, sie hatte der jungen Frau gesagt, dass sie keinen Hunger hatte. Da erhaschte Samantha Daryl, der gerade mit zwei Tellern auf sie zukam. Einen davon stellte er vor Lydia hin.

„Du musst was essen", sagte er, „wir müssen die Leute nach Hilltop bringen."

Dann begann der Armbrustschütze selbst zu essen. Samantha sah ihren Mann von der Seite an, sah ihm für kurze Zeit beim Essen zu. Beinahe hätte sie gegrinst, doch sie unterdrückte es im letzten Moment. Zu gerne hätte sie behauptet, dass Daryl in den Jahren, die sie dort draußen gelebt hatten, seine Tischmanieren vergessen hatte. Doch er hatte bereits vorher keine gehabt, das hatte das Abendessen bei Eric und Aaron in Alexandria bewiesen. Samantha lächelte, als sie sich an jenen Abend zurückerinnerte und schaute dann wieder zu Annabeth, die mit einer Karotte auf ihrem Teller spielte.

Das Königreich zerfiel. Sie konnten nicht hier bleiben, schon gar nicht über den Winter. Also mussten sie wo anders Zuflucht suchen. Der Weg würde eine echte Zerreißprobe werden. Vor allem für Samantha, würde es unglaublich anstrengend werden. Ihr Bauch war inzwischen so groß geworden, dass sie das Gefühl hatte, dass jeden Moment die Wehen einsetzen konnten, und es würde nicht mehr lange dauern, das spürte sie. Sie hoffte, dass auf dem Weg nach Hilltop alles glatt laufen würde und dass sie ihr Kind erst bekommen würde, wenn sie dort angekommen waren.

Nachdem sie alle aufgegessen hatten, wobei Daryl als letzter seinen Teller bekommen und ihn als erster geleert hatte, packten sie ihre Sachen für die Abreise zusammen. Daryl legte nun endlich den Poncho an und schulterte seine Armbrust. Da Samanthas Schwangerschaft schon so weit fortgeschritten war und sie außerdem noch die Mädchen hatte, bekam sie einen Platz auf einer Kutsche, um nicht laufen zu müssen. Denn auf diese Weise hätte sie die Reise nie überstanden. Daryl und Lydia folgten ihrem Planwagen. Der Armbrustschütze wollte seine Familie nicht aus den Augen lassen.

Durch die Plane der Kutsche konnte Samantha nach draußen sehen. Ihr Blick ruhte auf Daryl, der neben Lydia herging und sie stets im Blick zu haben schien. Sie waren gerade erst aus dem Königreich rausgekommen und die Tür war geschlossen worden, da sah Samantha bereits die dicken, weißen Schneeflocken, die vom Himmel fielen. Es war so kalt, dass er dieses Mal mit Sicherheit liegen bleiben würde.

Ein kalter Wind zog auf und Samantha war froh, dass sie und die Mädchen davor geschützt waren. Lydia bestritt ihren Weg mit gesenktem Blick. Seit Henrys Tod war sie so in sich gekehrt, dass Samantha sich bereits große Sorgen um das Mädchen machte. Doch sie konnte ihr nicht helfen. Sie wusste nicht, wie sie das anstellen sollte.

Ein Neuanfang unter Beißern - Daryl DixonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt