Pope

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„Glaubst du an Gott?", wollte Pope von Daryl wissen.

„Nein, tu ich nicht", antwortete er ehrlich, „nicht mehr. Ich glaub wohl nur noch an mich."

Inzwischen befanden sie sich in Popes Domizil, wo sie sich entspannter unterhalten konnten und von einem bewaffneten Reaper bewacht wurden, damit Daryl nicht auf dumme Gedanken kam.

„Das ist ein Fehler", meinte Pope.

„Warum?"

„Weil du nicht er bist."

„Ich hab deinen kleinen Test bestanden, oder? Oder wie du das nennst."

„Oh, du denkst, das war's jetzt schon?"

„Was willst du noch von mir?"

„Ich will, dass du verstehst, worum's geht."

Pope schenkte Schnaps in zwei Gläser ein und reichte Daryl eins davon, welches dieser zögerlich ergriff. Die beiden Männer prosteten einander zu und nahmen dann einen Schluck. Der Schnaps war selbstgebrannt und hinterließ ein intensives Aroma in Daryls Hals. Pope bat Daryl, sich zu setzen, woraufhin dieser sich auf der Couch niederließ, auf die Pope gedeutet hatte.

„Wir sind uns alle im Tal des Todes begegnet", begann Pope nun zu erzählen, „so nannten wir es jedenfalls – die Höhen von Afghanistan. Wir kämpften für unser Land und trugen unsere gefallenen Brüder vom Feld. So viele, dass wir nicht mit dem Zählen nachkamen. Politiker... sie stellten die Schecks aus. Für die waren wir ohne Bedeutung, nur Material, Material für ihre nächste Kampagne. Und die redeten ständig von Gott. Sie kannten Gott nicht. Sie haben nie sein Gesicht erblickt. Nicht so wie wir, wir sahen Gott überall. Er war im Blut, in dem Schrecken und auch im Tod. Er war dort, um uns den Weg zu zeigen. Es gab seinerzeit nicht viel, woran man sich festhalten konnte, außer ihn und aneinander."

Daryl hörte dem Anführer die ganze Zeit über schweigend zu. Dann verstummte Pope für einen Moment und seufzte.

„Rauchst du?", fragte Pope dann beiläufig und hielt Daryl eine Schachtel Zigaretten hin.

„Danke", antwortete Daryl und Pope nickte, während Daryl sich eine der Zigaretten nahm.

„Der Krieg hat uns fast alle zerstört, für immer. Ich kam nachhause und meine Jungs hatten bleibende Schäden erlitten. Sie konnten nicht schlafen, sie fanden keine Arbeit mehr. Dann nannte man uns eine Söldnertruppe, die die hässliche, schmutzige Arbeit erledigte, die sonst keiner machen wollte. Dafür wurde natürlich gezahlt, hübsche Summen. Die richtige Drecksarbeit begann dann nach dem Fall. In so einem Krieg war ich vorher noch nie. Ich hatte noch nie so ein Chaos gesehen. Und ich hatte alles gesehen, wirklich alles. Aber das... alles was wir getan haben... all der Tod Tag für Tag für Tag... nach einer Weile hab ich mich gefühlt wie du. Ich fragte mich, wo jetzt mein Gott wohl ist, bis er wieder sein Gesicht zeigte.

Nun Politiker schicken dich immer in einen letzten Krieg aber diesmal kam er zu uns mit dichtem Bombenhagel. Es hörte nicht auf. Es hatte ein paar von uns erwischt und ich rannte durchs Feuer, um sie zu retten. Da war eine kleine Kirche am Stadtrand und da verschanzten wir uns, während alles und ich meine wirklich alles um uns herum brannte. Als die Feuer dann endlich erloschen waren, da hab ich meine Leute angesehen und ich konnte es kaum glauben – nicht ein Tropfen Blut, keine Brandwunden, nicht einmal ein Kratzer. Und da wusste ich es. Wir waren die Auserwählten. Diese Männer, über die hatte die Macht des Feuers keine Gewalt. Gott hat dich heute auserwählt. Du bist aus diesem Feuer gekommen, lebendig und völlig unversehrt. Du sitzt hier und bist du vielleicht verletzt? Hast du Brandwunden oder Kratzer?"

„Ich hab schon Schlimmeres erlebt", sagte Daryl ruhig.

„Ja, das kann ich mir vorstellen. Leah hat mir von deiner Familie erzählt und dass du sie suchst. Wenn es stimmt, was du sagst, dann bin ich davon überzeugt, dass Gott dich zu uns geschickt hat. Denn wenn du dich als würdig erweist, werden wir, sobald erst einmal alles überstanden ist, dir helfen, nach deiner Frau und deinen Kindern zu suchen und erst aufhören, wenn wir sie gefunden haben. Nimmst du dieses Angebot an?"

Ein Neuanfang unter Beißern - Daryl DixonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt