Epidemie

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Am nächsten Tag brachen Siddiq und Daryl mit Hund nach Hilltop auf. Die Leute dort benötigten unbedingt ärztliche Hilfe, außerdem mussten sie den umgestürzten Baum nach wie vor wegschaffen und die darunter begrabene Mauer reparieren. Samantha hatte mit den Kindern alle Hände voll zu tun, da Lydia sich sehr stark zurückgezogen hatte. Zum Glück war Merle hiergeblieben. Ohne ihn hätte sie es kaum geschafft, da die Mädchen beide sehr aufgedreht waren, und die Jungs beide zahnten und deshalb permanent Aufmerksamkeit benötigten. Als Daryl nach einigen Tagen wieder zurückkam, erzählte er Samantha im Vertrauen, dass Magna in Hilltop Vorräte hatte verschwinden lassen und diese im Wald versteckt hatte. Auf Connies Bitte hin, hatte er jedoch darüber geschwiegen. Gerade in diesen Zeiten durften sich ihre Leute nicht auch noch entzweien, weshalb Samantha es ihm gleichtat und niemandem etwas davon erzählte.

Nun da Daryl auch wieder hier war, überstanden sie diese Zeit mit den zahnenden Babys halbwegs gut und als die Zähne endlich durchgebrochen waren, waren sie alle froh. Sie waren furchtbar müde und ausgelaugt, da sie kaum geschlafen hatten. Lydia gesellte sich nur während des Essens zu ihnen und auch hier war sie wenig gesprächig. Meistens schlich sie sich wieder davon, nachdem sie ihren Teller zur Spüle gebracht hatte. Samantha ließ ihr den Freiraum, den sie brauchte, wusste sie doch, dass es nichts bringen würde, Lydia unter Druck zu setzen.

Ihre Geduld machte sich bezahlt, denn nach einer Woche verließ Lydia nach dem Essen nicht fluchtartig das Haus, sondern gesellte sich zu Samantha, half ihr beim Abwaschen. Samantha lächelte das Mädchen freundlich an, und wartete darauf, dass es von sich aus das Gespräch begann. Das Warten dauerte auch nicht lange an.

„Sie denken, dass ich es war, dass ich Negan rausgelassen habe, oder?", fragte Lydia so leise, dass Samantha sie kaum über das vergnügte Quietschen von Janice und Annabeth, während Daryl mit ihnen spielte, hören konnte.

„Ja, das tun sie", antwortete Samantha ehrlich, da es ohnehin keinen Zweck gehabt hätte, Lydia anzulügen.

„Würdet ihr mir glauben, wenn ihr es nicht mit eigenen Augen gesehen hättet, dass ich das Haus nicht verlassen habe?", wollte Lydia wissen.

Samantha sah sie von der Seite an und hob eine Augenbraue. Sie betrachtete das Mädchen eine Weile, dann erst antwortete sie.

„Wie oft hast du mich in den letzten Monaten, seit du Teil dieser Familie bist, belogen?", fragte sie und Lydia sah sie besorgt an.

„Gar nicht", meinte sie lediglich und sah Samantha etwas unsicher an.

„Genau deshalb hätte ich auch keinen Grund, dir nicht zu glauben."

Lydias Gesichtszüge entspannten sich merklich und Samantha lächelte sie aufmunternd an.

„Sieh mal, Lydia. All diese Leute hier in Alexandria haben Angst vor dem, was da draußen lauert. Sie fühlen sich machtlos, wissen nicht, was sie tun können, um diese Angst zu bekämpften, diesen Feind. Die einzige Möglichkeit, die sie in ihrer Furcht sehen, ist hier innerhalb unserer Mauern, einen Feind zu suchen. Sie brauchen einen Sündenbock, der für sie greifbar ist. Das ist nichts Persönliches. Ich weiß, dass dich das belastet. Aber eines musst du wissen, nämlich dass du hier, bei mir und bei Daryl immer eine Familie hast, die zu dir steht. Wir wissen, wer du wirklich bist."

Lydia hatte den Blick gesenkt und nickte lediglich. Als sie das Abwaschen fortsetzten, spürte Samantha plötzlich, wie Lydia ihren Kopf gegen ihre Schulter lehnte. Deshalb ließ sie den Teller ins Wasser sinken, legte einen Arm um das Mädchen und küsste sie sanft aufs dunkle Haar.

Eine ganze Weile hielt diese angenehme Idylle an, dann läutete es an der Tür. Samantha sah im Augenwinkel, wie Daryl die Tür aufmachte, konnte jedoch nicht erkennen, wer davorstand. Nicht einmal eine Minute später, stellte sich Daryl neben sie.

Ein Neuanfang unter Beißern - Daryl DixonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt